Staatsanwaltliche Ermittlungen bei Gewaltdelikten gegen Frauen

Offensichtlich werden Teile der Staatsanwaltschaft reorganisiert. Dabei sollten Schwerpunkte der Ermittlungen und erfahrene „Ermittlungsteams" erhalten bleiben.

Ich frage den Senat:

1. Gibt es ein Sonderdezernat „Gewalt gegen Frauen"?Wenn ja:Seit wann? Existiert es noch, und wird es fortgeführt?

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg hat am 1. Januar 1989 ein Dezernat „Gewalt gegen Frauen" eingerichtet. Dieses beinhaltete bis zum 31. Dezember 1997 Verfahren gegen Erwachsene, Heranwachsende und Jugendliche wegen Straftaten nach den §§177 bis 179, 237 StGB, wenn das Opfer mindestens 14 Jahre alt war. Aufgrund des am 5. Juli 1997 in Kraft getretenen 33. Strafrechtsänderungsgesetzes, durch das die früheren §§177, 178 StGB zu einem einheitlichen Verbrechenstatbestand zusammengefaßt und geschlechtsneutral formuliert worden sind, ist das Dezernat zum Beginn des Geschäftsjahres 1998 in Sonderdezernat „Sexualdelikte" umbenannt worden. Es umfaßt nunmehr ­ unter Berücksichtigung der weiteren Änderungen der Sexualdelikte durch das am 1. April 1998 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts ­ Verfahren gegen Erwachsene, Heranwachsende und Jugendliche wegen Straftaten nach §§174 bis 174c und 177 bis 179 StGB, wenn das Opfer mindestens 14 Jahre alt ist. Das Sonderdezernat ist integraler Bestandteil der Jugendabteilung (Abteilung 41).

2. Wie viele Staatsanwältinnen/Staatsanwälte und sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben diesem Dezernat angehört/gehören ihm an/werden ihm angehören?

Die Bearbeitung der Strafverfahren aus dem Sonderdezernat wird seit seiner Gründung bis heute von drei Dezernenten wahrgenommen. Diese bearbeiteten und bearbeiten zu je einem Drittel Anteil ihres Gesamtdezernats Strafverfahren aus dem Sonderdezernat, im übrigen zu je zwei Drittel Anteil Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende aus dem Bereich allgemeiner Kriminalität sowie Jugendschutzsachen. Im übrigen siehe Antwort zu 5. und 6.

3. Gab es/gibt es/wird es geben eine kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe, die in diesem Brennpunkt der Gewaltkriminalität der Staatsanwaltschaft zuarbeitet?

Innerhalb der Polizei werden Ermittlungsverfahren bei Gewaltdelikten gegen Frauen, die in die Zuständigkeit des staatsanwaltschaftlichen Sonderdezernats fallen, im Rahmen der vorhandenen Organisation durch die Fachkommissariate 42 (Sexualdelikte) bzw. 731 (Zuhälterei und Menschenhandel) des Landeskriminalamtes durchgeführt.

Polizeiliche Ermittlungsgruppen werden zeitlich begrenzt immer dann eingerichtet, wenn dies im Hinblick auf besondere Lagen, Kriminalitätsbrennpunkte oder Tätergruppen zweckmäßig erscheint und Umfang und Aufwand der kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Rahmen der vorhandenen Organisation nicht bewältigt werden können.

Zur Zeit gibt es keinen Anlaß, im Deliktsbereich „Gewalt gegen Frauen" eine spezielle Ermittlungsgruppe einzurichten.

4. In wie vielen Fällen seit seinem Bestehen hat das Sonderdezernat ermittelt/angeklagt? In wie vielen Fällen ist es zu einer Verurteilung/zu einem Freispruch gekommen?

Die Ermittlung sämtlicher seit Bestehen des Sonderdezernats „Sexualdelikte" (ehemals „Gewalt gegen Frauen") bearbeitetenVorgänge, einschließlich der daraus entstandenen Anklagen undVerurteilungen, ist innerhalb der Kürze der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

Für die Jahre zwischen 1996 und 1999 (Stand 30. Juni 1999) haben sich die Eingangszahlen in diesem Sonderdezernat (Bekannt- und Unbekanntverfahren) wie folgt entwickelt: Jahr Bekanntverfahren/Js-Sachen Unbekanntverfahren/UJs-Sachen

5. Gehörte/gehört/ wird es gehören zu den Aufgaben des Sonderdezernats, in weiteren Deliktsarten zu ermitteln? Wenn ja: In welchen?

6. Wenn das Sonderdezernat nicht fortbesteht/fortbestehen soll: Wo sollen die Ermittlungen bei Gewaltdelikten gegen Frauen in Zukunft ressortieren? Mit welchen sonstigen Ermittlungsaufgaben sind/sollen die in Gewalt-gegen-Frauen-Delikten ermittelnden Staatsanwältinnen/Staatsanwälte sonst noch betraut werden?

Im Rahmen der Neuorganisation der Staatsanwaltschaft ist beabsichtigt, die Bearbeitung der Strafverfahren des Sonderdezernats „Sexualdelikte" aus der Jugendabteilung (bislang Abteilung 41) herauszulösen und zukünftig in einer Sonderabteilung (Abteilung 72) zu konzentrieren, in der von den Dezernenten ausschließlichVerfahren bearbeitet werden, die schwerwiegende Eingriffe gegen die körperliche Integrität zum Gegenstand haben, und zwar Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Medizinschadensfälle sowieTodesermittlungssachen.Dabei strebt die zuständige Behörde an, diese zukünftige Abteilung personell so auszustatten, dass auf die Bearbeitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ein um ein halbes Dezernat höherer Bearbeitungsanteil als zur Zeit entfällt.

7. Wie wird der in der Ermittlungsarbeit „Gewalt gegen Frauen" angesammelte Sachverstand (auch der im Team vernetzte Sachverstand) in die neue Organisation übertragen?

8. Sind alle „Gewalt-gegen-Frauen"-Staatsanwältinnen/Staatsanwälte bereit, in neuen Aufgabenfeldern zu arbeiten?

In der für die Bearbeitung von Strafverfahren mit schwerwiegenden Eingriffen in die körperliche Integrität einschließlich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung künftig zuständigen Abteilung 72 werden schon wegen der anspruchsvollen Aufgabenstellung nur entsprechend gut qualifizierte und engagierte Dezernentinnen und Dezernenten eingesetzt werden.

Es wird angestrebt, den von den bisher zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten erworbenen Sachverstand auch für die Sonderabteilung zu nutzen. Eine konkrete Aussage über die personelle Besetzung der zukünftigen Abteilung 72 ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich.