Gefahrengebiet Sternschanze und Karolinenviertel

Die Polizeiführung hat vom 30.4. bis zum 2.5.2011 im Schanzen- und Karolinenviertel ein Gefahrengebiet errichtet, zu dem aus der Fraktion DIE LINKE wie aus der GAL-Fraktion Schriftliche Kleine Anfragen gestellt wurden. Einige Fragen wurden mit Hinweis auf die zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet.

Dies ist umso unbefriedigender, als die in den Antworten genannten Zahlen von insgesamt 1.245 angehaltenen Personen, 318 Inaugenscheinnahmen mitgeführter Sachen, 389 Aufenthaltsverboten, 44 Platzverweisen und 51

Gewahrsamnahmen von Eingriffen in Grundrechte von großem Umfang zeugen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir erneut in der Erwartung, dass die für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehende Zeit von vier Wochen für die Beantwortung tatsächlich genutzt wird:

1. In der Antwort auf Frage 3. in Drs. 20/363 führt der Senat drei vorher festgelegte Zielgruppen auf: Personen beziehungsweise Personengruppen, die augenscheinlich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und/oder ihrem Auftreten dem linken Spektrum zugeordnet werden könnten; 16 ­ 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen); Personen beziehungsweise Personengruppen, die sich verdächtig verhalten beziehungsweise verdächtige Gegenstände mit sich führen.

Welche konkrete Gefahr ­ abgesehen von der Zuordnung von Personen nach ihrem Aussehen oder Verhalten zu den drei Zielgruppen ­ führte im Gefahrengebiet Sternschanze zu ldentitätsfeststellungen?

Die aufgrund von § 4 Absatz 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) bei konkreten Lageerkenntnissen vorgenommenen Identitätsfeststellungen bedurften keiner für den Einzelfall zu begründenden konkreten Gefahr.

2. § 12b Absatz 2 SOG ­ Aufenthaltsverbot ­ verlangt, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, eine Person werde in bestimmten Gebieten der Freien und Hansestadt Hamburg eine Straftat begehen. Laut VG Hamburg Urteil vom 24.4.2008 19 K 295/08, Beschluss vom 11.4.2007, 10 E 1168/07, n.v., wird zwar für ein Einschreiten der Polizei nicht gefordert, dass eine Gefahr oder Störung bereits erwiesen sei. Es reiche aus ­ aber das eben ist dann auch notwendig ­, dass ein Sachverhalt vorliegt, bei dem die Polizei bei verständiger Würdigung eine Gefahr oder Störung annehmen darf Bei Beaucamp/Ettemeyer/Rogosch/Stammer, Hamburger Sicherheits- und Ordnungsrecht ­ SOG/PoIDVG, S. 123, heißt es zu den Voraussetzungen, dass die vom Gesetz geforderten Indizientatsachen sich zum Beispiel aus früheren einschlägigen Straftaten, laufenden Ermittlungsverfahren, Erkenntnissen zum Betroffenen, der Ankündigung entsprechender Taten, Hinweisen auf eine gleichförmige, serienmäßige Tatbegehung oder dem Mitführen von Tatwerkzeugen ergeben.

Aufgrund welcher dieser oder gegebenenfalls anderer konkreten Indizientatsachen beziehungsweise Sachverhalte wurden Aufenthaltsverbote beziehungsweise Platzverweise erlassen?

In einer Einzelfallauswertung der Berichte zu den verfügten Aufenthaltsverboten sowie zur Erteilung von Platzverweisen wurden zusammengefasst folgende konkrete Feststellungen bei der Überprüfung von Personen der lageabhängigen Zielgruppen identifiziert. Hierbei ist zu beachten, dass in den Berichten zumeist mehrere Tatsachen aufgeführt sind, die dann gemeinsam mit der Bewertung der aktuellen Lage zu einer Gesamtwürdigung des jeweiligen Einzelfalls beitrugen.

· Versuch, sich der polizeilichen Überprüfung zu entziehen.

· Datenabgleich ergab, dass die Person in der Vergangenheit bereits einschlägige Straftaten begangen hatte.

· Datenabgleich ergab, dass die Person als „Links motivierter Straftäter", „Rechts motivierter Straftäter" „Bewaffnet", „Intensivtäter", „Gewalttäter Sport" und/oder als „Gewalttätig" im Polizeilichen Auskunftssystem (POLAS) registriert war.

· Mitführen von Gegenständen, die zur Verhinderung der Feststellung der Identität geeignet waren.

· Mitführen von Wechselkleidung.

· Mitführen von Farbspraydosen und („Edding"-)Stiften.

· Mitführen von Schutzbekleidung (Handschuhe).

· Mitführen von Waffen und Tatbegehungsmitteln (Teleskopschlagstock, Schreckschussrevolver mit Leuchtspurmunition, Grillanzünder).

· Mitführen von Schutz- und Behandlungsmitteln (Löschdecke, Augentropfen).

· Aggressives, unkooperatives und/oder provozierendes Verhalten gegenüber den Polizeieinsatzkräften.

· Versuch, andere gegen Maßnahmen der Polizei aufzuwiegeln.

· Skandieren von polizeifeindlichen Parolen.

· Offensichtliches und/oder offenkundiges Sympathisieren mit gegen die Polizei gerichtetem Verhalten anderer.

· Unterstützung von Ausschreitungen anderer durch Äußerungen und Beifall.

· Eigene Angaben über Zielorte/-gebiete.

· Getätigte Aussagen über eigene Vorhaben/Intentionen.

· Zugehörigkeit zu einer Gruppe, aus der einzelne wegen gerade begangener Straftaten nach dem Sprengstoffgesetz vorläufig festgenommen wurden.

· Deutlicher bis hoher Alkoholisierungsgrad.

· Agieren in der Gruppe mittels Parolen und/oder Provokationen.

· Personen waren Ansprache nicht zugänglich.

· Mitglied einer Gruppe, aus der heraus pyrotechnische Gegenstände, Flaschen oder andere Gegenstände geworfen wurden und eine direkte personenbezogene Zuordnung nicht möglich war.

· Behinderung von Einsatzkräften bei einer vorläufigen Festnahme.

· Person roch nach abgebrannten pyrotechnischen Gegenständen, entsprechende Explosionen waren im Umfeld des Antreffortes hörbar gewesen.

· Auffällige Kennzeichen an Kleidungsstücken waren mit Klebeband abgedeckt.

3. Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen werden welche Daten von Personen, deren Identität gemäß § 4 Absatz 2 PoIDVG festgestellt wird, in welchen Dateien für welche Zeiträume mit welchen weiteren Angaben gespeichert? Wie viele personenbezogene Datensätze sind seit 2005 aufgrund der Identitätsfeststellung gemäß § 4 Absatz 2 PoIDVG jährlich gespeichert worden, und wie viele sind derzeit gespeichert? In welchen Zeitabständen werden die Daten aufgrund welcher Rechtsgrundlagen gelöscht?

Im Falle von Identitätsfeststellungen gemäß § 4 Absatz 2 PolDVG werden folgende personenbezogene Daten in der Vorgangsverwaltungsdatei „

Rechtsgrundlage für die Datenspeicherung ist § 16 PolDVG. Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn die Voraussetzungen des § 24 PolDVG vorliegen. Die Speicherdauer ergibt sich aus den §§ 15, 16 PolDVG. Die konkreten Löschfristen sind in der Errichtungsanordnung festgelegt. Die Speicherdauer für die Daten zu Identitätsfeststellungen gemäß § 4 Absatz 2 PolDVG sind in der Datei „ComVor-Index" abhängig von der vergebenen Personenrolle. Daten der Rolle „angehaltene Person" werden nach drei Monaten, Daten der Rolle „sonstige Person" nach zwölf Monaten gelöscht.

Aufgrund der automatisierten Löschung sind Angaben zu in einzelnen Jahren seit 2005 erfolgten Speicherungen von Datensätzen nicht möglich. Aktuell (Stand 23. Mai 2011) sind in der Datei „ComVor-Index" 1.899 Datensätze zu Identitätsfeststellungen gemäß § 4 Absatz 2 PolDVG gespeichert.

Bei Identitätsfeststellungen gemäß § 4 Absatz 2 PolDVG im Zusammenhang mit Gefahrengebieten „Drogenkriminalität" werden folgende Personendaten zusätzlich in der Datei „Offene Drogenszene" gespeichert:

- Familienname/Ehename

- Vorname

- Geburtsdatum

- Geburtsort/-land

- Nationalität

- Anschrift