Jugendgewalt ­ Messerstecherei am Jungfernstieg

In der Nacht zu Sonnabend, 28. Mai 2011, wurde ein 19-jähriger Heranwachsender am Jungfernstieg im Bereich des Anlegers der Binnenalster von einem 17-Jährigen attackiert und mit sieben Messerstichen niedergestochen.

Der 19-Jährige überlebte, wie durch ein Wunder, schwer verletzt. Auch sein Begleiter, der ihm zur Hilfe eilte, erlitt eine Stichverletzung. Erst vor ungefähr einem Jahr forderte eine Messerstecherei am Jungfernstieg ein Todesopfer.

Der damalige Senat reagierte unmittelbar und optimierte die Kommunikation der Behörden sowie die Jugendgewaltkonzepte im Hinblick auf gewalttätige Jugendliche und Jungerwachsene.

Beim Thema Jugendgewalt darf kein Stillstand herrschen. Bereits entwickelte Konzepte müssen immer wieder überprüft werden und neuen Situationen und veränderten Verhaltensweisen von Jugendlichen und Jungerwachsenen angepasst werden.

Wer den jetzigen SPD-Senat auf das Thema Jugendgewalt anspricht, hört bislang allerdings lediglich, dass man sich erst einen Überblick verschaffen müsse und neue Konzepte gerade in der Entwicklung seien. Konkretes wurde bislang nicht vorgelegt.

Wir fragen den Senat:

1. Wie stellt sich der Sachverhalt nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen im Einzelnen dar?

Der Beschuldigte Bedirhan E. ist nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen dringend verdächtig, den Geschädigten Zafer A. am 28. Mai 2011 gegen 0.40 Uhr im Bereich des Jungfernstiegs, Höhe Neuer Wall, auf der Fußgängerpromenade Alsterseite, ohne rechtfertigenden Grund durch sieben Messerstiche im Bereich der Extremitäten und des Oberkörpers erheblich verletzt zu haben. Die Stiche in den Oberkörper führten zu einer lebensgefährlichen Verletzung der Nieren; das Leben des Geschädigten konnte nur durch eine sofortige Notoperation gerettet werden. Weiterhin besteht der Verdacht, dass der Beschuldigte E. auch den Geschädigten Marian L. an der rechten Flanke mit einem Messer verletzte. Der Beschuldigte E. befand sich in Begleitung des später ebenfalls als Beschuldigten vernommenen Tolga G. und weiterer bislang nicht näher bekannter Personen. Diese Personengruppe traf auf den Geschädigten A., der sich mit dem ebenfalls später verletzten L. und weiteren Personen im Bereich der Alsterpromenade am Jungfernstieg aufhielt. Dort kam es zu einem bislang noch nicht im Einzelnen aufgeklärten, dynamischen und unübersichtlichen Geschehen, in dessen Verlauf auch die vorbeschriebenen Messerstiche erfolgten.

2. Wer war ­ auch über das Opfer und die Tatverdächtigen hinaus ­ an dem Geschehen beteiligt und um wen handelt es sich (bitte Alter, Herkunft und Geschlecht nennen)? Welche Handlungen beziehungsweise Tatbeteiligungen werden dem Tatverdächtigen vorgeworfen? Welche Delikte werden dem Beschuldigten zur Last gelegt?

In Begleitung des Beschuldigten E. befand sich der 17-jährige deutsche Staatsangehörige Tolga G. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist jedoch unklar, ob dieser an der Tat beteiligt gewesen ist.

Die Identität der weiteren Begleiter des Beschuldigten Bedirhan E. ist bislang unbekannt.

Der Geschädigte A. befand sich ­ neben dem weiteren Geschädigten Marian L. (21 Jahre alt, rumänischer Staatsangehöriger) ­ in Begleitung folgender Personen, die allerdings nach den gegenwärtigen Erkenntnissen am eigentlichen Tatgeschehen nicht beteiligt gewesen sind:

.... 17 Jahre, männlich, Staatsangehörigkeit unbekannt, geboren in Hamburg,

.... 17 Jahre, männlich, Staatsangehörigkeit unbekannt, geboren in Hamburg,

.... 18 Jahre, männlich, Staatsangehörigkeit unbekannt, geboren in der Russischen Föderation,

.... 20 Jahre, weiblich, Staatsangehörigkeit unbekannt, geboren in Armenien und

.... 16 Jahre, männlich, Staatsangehörigkeit unbekannt, geboren in Hamburg.

Dem Beschuldigten Bedirhan E. wird versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt, strafbar gemäß §§ 211, 223, 224 Absatz 1 Nummern 2 und 5, 22, 23 StGB, 1, 3 JGG.

3. Wird einer der Beteiligten als Intensivtäter bei Polizei und/oder Staatsanwaltschaft geführt?

Wenn ja, seit wann?

Der Beschuldigte E. ist aufgrund der jetzt erfolgten polizeilichen Ermittlungen seit dem 3. Juni 2011 als Intensivtäter ausgeschrieben. Tolga G., Zafer A. oder Marian L. werden bei der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft nicht als Intensivtäter geführt.

4. Trifft es zu, dass es sich bei dem Haupttatverdächtigen um den 17-jährigen Bedirhan E. handelt?

Ja.

5. Trifft es zu, dass es sich bei dem Opfer um den 19-jährigen Zafer A. handelt?

Ja. Zafer A. wurde am Tag nach der Tat 19 Jahre alt.

6. Wo wohnen der Tatverdächtige und das Opfer?

Der Beschuldigte E. ist in Hamburg und die Geschädigten Zafer A. und L. sind in Norderstedt wohnhaft.

7. Welche Erkenntnisse gibt es zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des Tatverdächtigen?

Der Beschuldigte E. ist deutscher Staatsangehöriger.

8. Welche Erkenntnisse gibt es zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des Opfers?

Der Geschädigte Zafer A. ist türkischer Staatsangehöriger und wurde in der Türkei geboren. Der Geschädigte L. ist rumänischer Staatsangehöriger und wurde in Rumänien geboren.

9. Trifft es zu, dass das 19-jährige Opfer im August 2009 vor dem Bahnhof Barmbek dem Zwillingsbruder des Täters nach einem Streit ein Messer in den Bauch stieß?

Der Geschädigte A. wurde beschuldigt, den Bruder des Beschuldigten E. am 8. August 2009 mit dem Messer in den Bauch gestochen zu haben. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung wurden nach Abschluss aufgrund des bei jugendlichen Tätern geltenden Wohnortprinzips (Wohnort: Norderstedt) an die Jugendstaatsanwaltschaft Kiel abgegeben.

10. Wie ist der Stand der Ermittlungen zu dem Vorfall im August 2009? Was ist der Stand des Verfahrens?

Da das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Kiel übernommen wurde, liegt über den Ausgang jenes Verfahrens hier lediglich die Information aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister vor, dass das Verfahren am 13. November 2010 im Hinblick auf andere Taten nach § 154 StPO vorläufig eingestellt wurde.

11. Trifft es zu, dass der Messerstecherei ein monatelanger „Krieg" unter rivalisierenden Jugendbanden vorausging? Was ist hierüber genau bekannt?

Es liegen hierzu derzeit keine Erkenntnisse vor.

12. Welche Erkenntnisse gibt es darüber, inwieweit Alkohol und andere Drogen eine Rolle gespielt haben?

Nach dem Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass jedenfalls die Beteiligten E., Zafer A. und L. zur Tatzeit alkoholisiert waren. Weitere Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor.

13. Welche Erkenntnisse gibt es zum Tatwerkzeug? Worum handelt es sich genau und woher stammt es?

Bei dem Beschuldigten E. konnte ein Klappmesser (Klingenlänge etwa 8 cm) mit blutverdächtigen Anhaftungen gefunden werden. Bei diesem Messer handelt es sich sehr wahrscheinlich um die Tatwaffe, sicher verifiziert ist dies jedoch noch nicht. Die Herkunft dieses Messers ist nicht bekannt.

14. Befindet sich der Tatverdächtige in Haft?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, seit wann und mit welcher Begründung?

Ja. Der Beschuldigte E. befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 29. Mai 2011 seit dem 29. Mai 2011 in Untersuchungshaft. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr. Auch eine Verdunkelungsgefahr kann nicht ausgeschlossen werden.

15. Was ist über den Tatverdächtigen im Einzelnen bekannt? Ist er bereits zuvor straffällig oder sonst auffällig (bei der Polizei oder beim Jugendamt) geworden?

Wenn ja, womit ist er wann aufgefallen? Welche Delikte sind bekannt?

Wann sind gegebenenfalls erkennungsdienstliche Behandlungen erfolgt?

Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Beschuldigten E. und G. sieht der Senat davon ab, Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, aber entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus sind neben dem genannten Verfahren in dem Vorgangsbearbeitungs- und Vorgangsverwaltungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA keine offenen Verfahren gegen die Beschuldigten registriert.

Nach Kenntnis der zuständigen Behörde wurde der Beschuldigte E. jedenfalls am 17. Februar 2010 und darüber hinaus anlässlich des aktuellen Vorfalls am 28. Mai 2011 erkennungsdienstlich behandelt. Im Übrigen ist der Senat in Hinblick auf den Sozialdatenschutz nach dem Sozialgesetzbuch bezüglich jugendamtlicher Aufgabenwahrnehmung an einer Beantwortung gehindert.

16. Was ist über den Zwillingsbruder des Tatverdächtigen Bedirhan E., Sinan E., bekannt. Ist er bereits zuvor straffällig oder sonst auffällig (bei der Polizei oder beim Jugendamt) geworden?

Wenn ja, womit ist er wann aufgefallen? Welche Delikte sind bekannt?

Wann sind gegebenenfalls erkennungsdienstliche Behandlungen erfolgt?

Im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Bruders des Beschuldigten E. sieht die Staatsanwaltschaft davon ab, Ermittlungsverfahren mitzuteilen, die durch einen Freispruch oder eine Einstellung beendet worden sind. Dasselbe gilt für Ermittlungsverfahren, die zu einem Abschluss geführt haben, aber entweder nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen oder nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes nicht mehr zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus sind neben dem genannten Verfahren in dem Vorgangsbearbeitungs- und Vorgangsverwaltungssystem der Staatsanwaltschaft MESTA keine offenen Verfahren gegen die Beschuldigten registriert.

Es liegen der Staatsanwaltschaft keine Erkenntnisse dazu vor, ob der Bruder des Beschuldigten E. in der Vergangenheit erkennungsdienstlich behandelt wurde.

Im Übrigen ist der Senat in Hinblick auf den Sozialdatenschutz nach dem Sozialgesetzbuch bezüglich jugendamtlicher Aufgabenwahrnehmung an einer Beantwortung gehindert.

17. Geht der Tatverdächtige Bedirhan E. zur Schule, ist er berufstätig oder absolviert eine Ausbildung? Was ist über den schulischen Werdegang des 17-Jährigen bekannt? Welche Schule besuchte der Jugendliche?

Kam es zu Schulwechseln und Fehlzeiten?

Wenn ja, wann und aus welchen Gründen?

Der Tatverdächtige Bedirhan E. besuchte seit dem Schuljahr 2010/2011 an einer Gewerbeschule die Ausbildungsvorbereitung. Er nahm an der Abschlussprüfung erfolgreich teil und steht im Kontakt mit der Übergangsmanagerin der Schule, um Anschlussperspektiven zu entwickeln. Bis zum Herbst 2010 fehlte Bedirhan E. mehrfach im Unterricht. Nachdem eine deutliche Verbesserung seiner Anwesenheit in der Schule erreicht werden konnte, waren im zweiten Halbjahr keine Fehlzeiten mehr zu verzeichnen.

Zuvor besuchte Bedirhan E. von August 2009 bis Juli 2010 eine Gesamtschule. Im Schülerbogen ist ein Vorfall dokumentiert, es erfolgte eine Meldung gemäß der Richtlinie zur Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen in Schulen. Von August 2000 bis Juli 2009 besuchte er vier verschiedene Grund-, Haupt- und Realschulen, hier erfolgten drei Verweise. Über diese Schulzeit hinweg war sein Sozialverhalten gegenüber Lehrkräften auffällig.

18. Die Zwillingsbrüder E. sollen einer Billstedter Jugendgruppe angehören?

Was ist über diese Gruppe bekannt?

Dem Senat liegen hierzu derzeit keine Erkenntnisse vor.

19. Geht das Opfer Zafer A. noch zur Schule, ist er berufstätig oder absolviert eine Ausbildung? Was ist über den schulischen Werdegang des 19-Jährigen bekannt? Welche Schule besuchte der jetzt Jungerwachsene? Kam es zu Schulwechseln und Fehlzeiten?

Wenn ja, wann und aus welchen Gründen? Zafer A. ist nicht in Hamburg gemeldet.

Daher liegen dem Senat zu dessen Schulbesuch keine Erkenntnisse vor.

20. Gehört das Opfer Zafer A. ebenfalls einer Jugendgruppe an?

Wenn ja, welcher und was ist über diese bekannt?

Dem Senat liegen hierzu derzeit keine Erkenntnisse vor.