Gesetz

Herr Wolfgang S. hat am 31. März 2011 Einspruch eingelegt.

Der Landeswahlleiter hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben: „Der Einspruch ist nach dem Ergebnis meiner Vorprüfung zulässig (1) aber unbegründet (2).

1. Zulässigkeit

Der Einspruchsführer war zur Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 20. Februar 2011 wahlberechtigt und ist deshalb nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Wahlprüfungsgesetz zum Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen zur Bürgerschaft gemäß § 1 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz berechtigt. Der Einspruch wurde schriftlich mit Begründung innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag bei dem Landeswahlleiter und damit form- und fristgerecht eingelegt (§§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 und 2 Wahlprüfungsgesetz).

2. Begründetheit

Der Wahleinspruch ist nach § 5 Abs. 1 1. Halbsatz Nr. 1 und Nr. 3 Wahlprüfungsgesetz unbegründet. In der Gestaltung der Stimmzettel für die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 20. Februar 2011 liegt kein Verstoß gegen zwingende verfassungsbzw. wahlrechtliche Vorschriften vor (1) und es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der frühere Innensenator Vahldieck den objektiven Tatbestand der Wählertäuschung nach § 108a StGB erfüllt haben könnte (2).

1. Die Stimmzettel-Gestaltung mit der Aufführung der Kandidatinnen und Kandidaten einer Landesliste auf gegenüberliegenden Seiten verstößt nicht gegen verfassungsoder wahlrechtliche Vorschriften.

Zunächst ist der Sachverhalt dahingehend zu ergänzen, dass die Gestaltung des Landeslisten-Stimmzettels in Heftform mit jeweils 30 kandidierenden Personen einer Liste auf gegenüberliegenden DIN-A 4 Seiten frühzeitig und offen kommuniziert worden ist. So wurde das Stimmzettelformat seit Februar 2010 in einem zur Vorbereitung der Hamburg-Wahlen eingerichteten Gesprächskreis mit den Obleuten im Verfassungsausschuss, an dem ab Juli 2010 auch der Verein Mehr Demokratie e.V. beteiligt wurde, diskutiert und wurden die Stimmzettel-Entwürfe u.a. ab dem 24. November 2010 auf der Internet-Seite des Landeswahlamts veröffentlicht. Darüber hinaus wurden auf der Sitzung des Verfassungs- und Bezirksausschusses vom 2. Dezember 2010 Muster der Stimmzettel-Entwürfe in Heftform verteilt.

Ein Verstoß gegen unmittelbare Gestaltungsvorschriften in § 27 BüWG bzw. 26 HmbWO liegt offenkundig nicht vor; ein Stimmzettel-Format ist nicht vorgeschrieben.

Es liegt aber auch kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichheit der Wahl in Art. 6 Abs. 2 HV vor.

Zwar ist es zutreffend, dass bei allen drei Landeslisten, bei denen der Platz 31 besetzt war, die Kandidatin bzw. der Kandidat mit Listenplatz 31 über die Personenwahl ein Mandat erlangt hat. Dies mag auch darauf hindeuten, dass es sich um einen die Wahlchancen begünstigenden Listenplatz handelt, wobei weder die InterviewÄußerung des früheren Innensenators noch die ­ in Bezug auf den früheren Innensenator kaum nachvollziehbare ­ Behauptung der Einspruchsführer, dass es sich bei der Bewerberin bzw. den Bewerbern auf Listenplatz 31 um relative unbekannte Personen gehandelt habe, ein belastbarer wissenschaftlicher Beleg für die These darstellen.

Selbst bei einer unterstellten Richtigkeit folgt aus einem günstigen Listenplatz aber keine unzulässige Stimmzettel-Gestaltung.

Denn bei jeder Stimmzettel-Gestaltung ergeben sich unvermeidbar Positionen, die hinsichtlich der Aufmerksamkeit oder bei psychologischer Betrachtung günstiger und weniger günstig wirken mögen (vgl. Schreiber, BWahlG, 8. Auflage, § 30 Rnr. 4). Insoweit hat der Gesetzgeber in § 27 Abs. 3 BüWG eine klare Regelung für die Reihenfolge der Listen auf den Stimmzetteln getroffen. Hinsichtlich der Positionen der Kandidatinnen und Kandidaten kann bei der Personenwahl aber nichts anderes gelten.

Auch dort sind unterschiedliche Positionen unvermeidbar.

Insoweit obliegt es aber den Bewerberinnen und Bewerbern, sich im Aufstellungsverfahren bei einem aus ihrer Sicht günstigen Listenplatz durchzusetzen. Es liegt in der Natur einer Kandidatur, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber eine möglichst günstige Position verschaffen. Soweit dies nicht unter Einsatz unrechtmäßiger Mittel erfolgt, ist dies nicht zu beanstanden. Weil die Stimmzettel-Gestaltung aber für jeden bekannt sein konnte, ist eine ­ unterstellt wegen der vermeintlich günstigen Position des Listenplatzes 31 ­ gezielte Kandidatur für diesen Listenplatz rechtlich unproblematisch und eine Benachteiligung aufgrund der Stimmzettel-Gestaltung nicht ersichtlich.

Entgegen der Behauptung des Einspruchsführers wurde durch die StimmzettelGestaltung auch keine von den Parteien bei der Listenaufstellung vorgenommene Rangfolge verfälscht. Die Kandidatinnen und Kandidaten wurden auf dem Stimmzettel mit dem im jeweiligen Wahlvorschlag bezeichneten Listenplatz aufgeführt. Darüber hinausgehende Prioritätensetzungen sind weder bekannt, noch wahlrechtlich vorgesehen. Im Übrigen verfolgt das mit dem neuen Wahlrecht eingeführte Element der Personenstimmen für die Landeslisten gerade das Ziel, den Wählerinnen und Wählern mit der Abgabe von Personenstimmen, statt Listenstimmen, eine Durchbrechungen der Listenreihenfolge zu ermöglichen.

Im Ergebnis hat sich die mit der Änderung des Wahlrechts beabsichtigte Personalisierung und Abkehr von der Listenreihenfolge realisiert. Dabei darf allein aufgrund des Umstands, dass alle drei Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Landeslistenplatz 31 ein Mandat erlangt haben, nicht der Schluss gezogen werden, dass dies lediglich wegen der Position auf dem Stimmzettel erfolgt wäre. Denn der Wähler trifft seine Wahlentscheidung regelmäßig nicht nach der Wahlvorschlagsnummer, sondern aufgrund der politischen Zielsetzungen und der Zugkraft der Wahlbewerberinnen und -bewerber (so: BVerfG, 6.10.1970 - 2 BvR 225/70, BVerfGE 29, 154 ff.). Es entspricht den Grundvoraussetzungen des demokratischen Staates, dass die Wahlberechtigten mündig genug sind, die Bedeutung der Wahl und ihrer Entscheidung zu erkennen sowie diese Entschließung von der eigenen, an inhaltlichen Gesichtspunkten orientierten Einschätzung über die geeignetste politische Vertretung abhängig zu machen (Hessischer Staatsgerichtshof, 26.01.1995 ­ P.St. 1171, NVwZ 1996, 161 ff.).

2. Die Kandidatur des früheren Innensenators Vahldieck auf dem Landeslistenplatz 31 gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der objektive Tatbestand der Wählertäuschung erfüllt sein könnte.

Der Einspruchsführer begründet seinen Einspruch nach § 5 Abs. 1 1. Halbs. Nr. 3

Wahlprüfungsgesetz damit, dass der frühere Innensenator als Wahlbewerber mit seiner Kandidatur auf dem Listenplatz 31 eine Handlungen begangen habe, die den objektiven Tatbestand der Wählertäuschung nach § 108a StGB erfüllt habe. Diese Wertung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Die Strafvorschrift erfasst Fälle, in denen der Wähler durch Täuschung dazu gebracht wird, ein seinem Willen nicht entsprechendes Feld auf dem Stimmzettel anzukreuzen, ungültig zu wählen oder zu wählen, ohne dass der betreffende Wähler seine Handlung als Wahlausübung erkennt (Lackner/Kühl, StGB, 27. Auflage, § 108a Rnr. 1). Es ist kein Ansatz dafür ersichtlich, dass durch die Kandidatur für einen bestimmten Platz der Landesliste im Verfahren der Aufstellung von Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern der objektive Tatbestand der Wählertäuschung erfüllt werden könnte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass selbst eine vom Einspruchsführer für möglich gehaltene Einflussnahme auf die Stimmzettel-Gestaltung durch den früheren Innensenator nicht den geringsten Ansatzpunkt für die behauptete Wählertäuschung bieten würde. Ungeachtet dessen, dass der frühere Innensenator am Verfahren der Stimmzettel-Gestaltung nicht beteiligt war, ist die Stimmzettel-Gestaltung wie oben unter 1. aufgezeigt, nicht zu beanstanden.

Es wird empfohlen, den Einspruch gemäß § 6 Abs. 4 Wahlprüfungsgesetz als unbegründet zurückzuweisen."

Der Einspruchsführer hatte Gelegenheit erhalten, hierzu eine Erwiderung abzugeben.

Von dieser Möglichkeit machte er mit Schreiben vom 20. Mai 2011 Gebrauch.

Der Verfassungs- und Bezirksausschuss hat sich in seiner Sitzung am 07. Juni 2011 (siehe Ausschussprotokoll 20/3) mit dem Einspruch befasst und sich der Meinung des Landeswahlleiters einstimmig angeschlossen.

6. Wahleinspruch 09/11

Herr Holger H. hat am 14. April 2011 Einspruch eingelegt.

Der Landeswahlleiter hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben: „Zu diesem Wahleinspruch nehme ich wie folgt Stellung:

Der Einspruch ist nach dem Ergebnis meiner Vorprüfung zulässig (1) aber unbegründet (2).

1. Zulässigkeit

Der Einspruchsführer war zur Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft am 20. Februar 2011 wahlberechtigt und ist deshalb nach §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Wahlprüfungsgesetz zum Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen zur Bürgerschaft gemäß § 1 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz berechtigt. Der Einspruch wurde schriftlich mit Begründung innerhalb von zwei Monaten nach dem Wahltag bei der Bürgerschaft und damit form- und fristgerecht eingelegt (§§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 Wahlprüfungsgesetz).

2. Begründetheit

Der Wahleinspruch ist nach § 5 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz unbegründet.

Ein Verstoß des Wahlrechts gegen die verfassungsrechtlichen Bestimmungen ist nicht ersichtlich [a], die Vorbereitung und Durchführung der Wahl ist hinsichtlich der Berufsbezeichnungen nicht zu beanstanden (b), ebenso ist die Kennzeichnung von Stimmzetteln zu statistischen Zwecken rechtmäßig (c) und ergibt sich aus der Inanspruchnahme der Briefwahl kein Wahlfehler (d).

a) Wahlrecht

Mit seinem Vortrag dass das Wahlrecht zu kompliziert sei und dadurch das Risiko bestanden habe, dass der Wählerwille verfälscht worden sein könnte, meint der Einspruchsführer offenbar, dass das Bürgerschaftswahlgesetz bzw. das Gesetz über die Wahl zu den Bezirksversammlungen gegen zwingende Vorschriften der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg verstoßen würden. Indes fehlt es an einer substantiierten Darlegung des vermeintlichen Verfassungsverstoßes. Allein die Behauptung, dass das Wahlrecht kompliziert sei und die pauschale Vermutung, dass der Wählerwille verfälscht worden sein könnte, sind nicht geeignet, Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der wahlgesetzlichen Vorschriften zu wecken.

b) Berufsangaben

Die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen ist hinsichtlich der auf den Stimmzetteln angegebenen Berufsangaben zu den einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten nicht zu beanstanden.

Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 ist auf den Stimmzetteln u.a. jeweils der Beruf der in den zur Wahl zugelassenen Wahlvorschlägen benannten Personen anzugeben. Zutreffend führt der Einspruchsführer an, dass die Angabe des Berufs und der weiteren Angaben zu der sich bewerbenden Person auf den Stimmzetteln eine Informationsquelle für die Wählerinnen und Wähler darstellt. Ein Verstoß gegen die Berufsbezeichnungsregelung kann daher eine Wahlanfechtung begründen, wenn sich ohne den Verstoß ein anderes Wahlergebnis ergeben hätte. Indes stellen die von dem Einspruchsführer vorgetragenen Beanstandungen keinen Verstoß dar, sondern handelt es sich entgegen seiner Auffassung um zulässige Berufsangaben.

Mit der Berufsangabe sollen die Wählerinnen und Wähler eine Information darüber erhalten, welche Tätigkeit eine Bewerberin oder ein Bewerber ausübt oder ausgeübt hat, wobei dem Selbstverständnis der sich bewerbenden Person ­ begrenzt durch den Grundsatz der Firmenwahrheit und Firmenklarheit ­ so weit wie möglich entsprochen werden soll (vgl. zum Bundeswahlrecht: Schreiber, BWahlG, 8 Auflage, Rnr. 8 zu § 26).