Soziale Erhaltungsverordnungen ­ versäumt der Senat wichtige Fristen?

Die Stadtteile der westlichen inneren Stadt stehen seit Jahren unter einem erheblichen Veränderungsdruck. Vor allem aufgrund der sehr zentralen Lage, des Altbaubestandes sowie des attraktiven Gastronomie- und Kulturangebots haben sich die Stadtteile zu einem begehrten Wohnstandort auch für einkommensstärkere Haushalte entwickelt. Obwohl diese Quartiere nach wie vor sehr heterogene Bewohnerstrukturen aufweisen, sind Gentrifizierungsprozesse (Aufwertung mit Verdrängungstendenzen) sichtbar, die sich unter anderem in stark gestiegenen Neuvermietungskosten im nicht gebundenen Wohnungsbestand sowie in stetig anwachsenden Immobilienpreisen ausdrücken.

Ein Instrument, diesem zu begegnen, ist die Aufstellung von Sozialen Erhaltungsverordnungen beziehungsweise der Umwandlungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB.

In der letzten Legislaturperiode wurden aufgrund der Initiativen der GAL in den Bezirken Eimsbüttel, Altona und Mitte, den Stadtteilen St. Georg, St. Pauli, im Osterkirchenviertel (Ottensen), Altona-Altstadt und im Schanzenviertel die notwendigen Plausibilitätsprüfungen durchgeführt. Diese zeigten, dass in den untersuchten Stadtteilen tatsächlich ein erheblicher Aufwertungsund Verdrängungsdruck besteht. Aus diesem Grunde wurden für die oben angeführten Stadtteile die Aufstellungsbeschlüsse, die Veränderungssperren und die Verordnungen für die verpflichtende Repräsentativerhebung zur Vorbereitung und zum Vollzug einer Sozialen Erhaltungsverordnung erlassen.

Für St. Georg wurde der Aufstellungsbeschluss durch den Senat am 22.06.2010 und für St. Pauli am 20.07.2010 gefasst. Die darauf folgende Veränderungssperre gilt längstens ein Jahr. In diesem Zeitraum können die Genehmigungen für bauliche Veränderungen oder Abgeschlossenheitsbescheinigungen zurückgestellt werden, sofern sie den Zielen der Erhaltungsverordnung widersprechen. Nach Ablauf des einen Jahres müssen zurückgestellte Anträge genehmigt werden.

In St. Georg ist die Sperre seit einer Woche abgelaufen ­ in St. Pauli wird dies in circa drei Wochen geschehen.

Hat der Senat das Verstreichen dieser Frist nicht bemerkt?

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Im Anschluss an die Senatsentscheidung, eine Soziale Erhaltungsverordnung aufzustellen, gilt der Aufstellungsbeschluss mit seiner Wirkung ab der ortsüblichen Bekanntmachung im Amtlichen Anzeiger bis zum Erlass der jeweiligen Verordnung. Dieser Zeitraum kann, in Abhängigkeit von der Dauer des Aufstellungsverfahrens, länger als ein Jahr betragen. In der Zeit zwischen Aufstellungsbeschluss und Erlass der Verordnung können einzelne Baugesuche jederzeit zurückgestellt werden. Der Zeitraum für die Zurückstellung beträgt maximal ein Jahr. Eine Verlängerung ist ausgeschlossen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung des Bescheids der Baugenehmigungsbehörde über die Zurückstellung des Baugesuchs. Nach Ablauf der Zurückstellungsfrist wäre das Genehmigungsverfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Wann wurden für welche Stadtteile rechtlich verbindliche Beschlüsse zur Aufstellung von Sozialen Erhaltungsverordnungen beziehungsweise der Umwandlungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB gefasst?

a. Ab wann und wie lange gelten rechtlich verbindlich die Veränderungssperren in den jeweiligen Stadtteilen?

b. In welchem Zeitraum wurden in den jeweiligen Stadtteilen durch wen die Plausibilitätsprüfungen vorgenommen?

c. In welchem Zeitraum wurden beziehungsweise werden gerade durch wen die Repräsentativerhebungen vorgenommen?

d. Für welche Stadtteile liegen welche Ergebnisse in Bezug auf die Plausibilitätsprüfungen und Repräsentativerhebungen vor?

Beschlüsse zur Aufstellung Sozialer Erhaltungsverordnungen gelten vom Tag der Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger bis zum Erlass einer entsprechenden Sozialen Erhaltungsverordnung beziehungsweise der Veröffentlichung eines Aufhebungsbeschlusses. Bei der Aufstellung von Sozialen Erhaltungsverordnungen gelten keine Veränderungssperren gemäß § 14 Baugesetzbuch (BauGB), sondern es besteht die Möglichkeit, nach § 15 BauGB Baugesuche zurückzustellen. Wie sieht der weitere Zeitplan in den jeweiligen Stadtteilen im Bezug auf den Erlass von Sozialen Erhaltungsverordnungen beziehungsweise der Umwandlungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB aus?

Ein Beschluss der Bezirksversammlung zum Erlass Sozialer Erhaltungsverordnungen in St. Georg und St. Pauli wird im Herbst 2011 erfolgen. Mit einem Inkrafttreten der Verordnungen ist noch im 4. Quartal 2011 zu rechnen. Für die anderen Untersuchungsgebiete ­ Sternschanze und Osterkirchenviertel ­ wird Ende 2011/Anfang 2012 über den Erlass einer Erhaltungsverordnung entschieden.

Die Umwandlungsverordnung ist im Jahr 1998 vom Senat beschlossen worden und gilt automatisch für jeden Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung für ein bestimmtes Gebiet.

2. Welche Stadtteile befanden oder befinden sich derzeit außerdem in der Plausibilitätsprüfung?

Eine Plausibilitätsprüfung wurde im Mai 2011 vom zuständigen Bezirksamt für Teilgebiete Wilhelmsburgs in Auftrag gegeben.

3. Sind in St. Pauli und St. Georg seit der Beschlussfassung des Senates über die Aufstellung sozialer Erhaltungsverordnungen Anträge auf bauliche Änderungen von Wohngebäuden, Abbrüche oder Abgeschlossenheitsbescheinigungen gestellt worden?

In St. Georg wurden im Bereich des vom Aufstellungsbeschluss für die Soziale Erhaltungsverordnung betroffenen Bereichs zwei Bauvorhaben beantragt, die von der Regelung der Sozialen Erhaltungsverordnung betroffen sind. In St. Pauli sind gegenwärtig keine Bauvorhaben betroffen.

a. Wann wurden diese Anträge gestellt?

b. Wie viele dieser Anträge wurden zurückgestellt?

· Lange Reihe 26; Umbau des Gebäudes; Bauantragseingang am 27. Dezember 2010; Zurückstellungsbescheid erlassen am 24. März 2011; Zurückstellung bis zum 24. März 2012.

· Lange Reihe 104; Umnutzung einer 1-Zimmer-Wohnung in einen Personalaufenthaltsbereich; Bauantragseingang am 14. Juli 2010; Zurückstellungsbescheid erlassen am 13. September 2010; Zurückstellung bis zum 13. September 2011.

c. Wurden die im Untersuchungsgebiet St. Georg gestellten Anträge nach Ablauf der Frist am 22.06.2011 genehmigt?

Nein. Sie werden auch vor Ablauf der in den Zurückstellungsbescheiden festgesetzten Fristen (24. März 2012 beziehungsweise 13. September 2011) nicht genehmigt. Für den zweiten genannten Fall, Lange Reihe 104, kann die auf ein Jahr begrenzte Zurückstellungsfrist vor der Entscheidung über den Erlass der Verordnung enden. Das Genehmigungsverfahren würde dann für diesen Fall von eher minderer Bedeutung für die Zielsetzung der Erhaltungsverordnung wieder aufgenommen.

d. Wenn nein, was ist mit diesen Anträgen nach Ablauf der Veränderungssperre geschehen?

Nach beziehungsweise schon vor Ablauf der Veränderungssperren ist eine erneute Beurteilung über die rechtliche Zulässigkeit der Bauvorhaben durchzuführen.

e. Was beabsichtigt der Senat zu tun, damit in St. Pauli nicht Anträge, die den Zielen der zu erlassenden Erhaltungsverordnung zuwiderlaufen, nach dem 20.07.2011 genehmigt werden müssen?

Für das Gebiet St. Pauli sind bislang keine Anträge gestellt worden. Die Möglichkeit der Zurückstellung von Vorhaben besteht für jeweils maximal ein Jahr, solange ein Aufstellungsbeschluss besteht. Beantragte Vorhaben, die den Zielen einer festzulegenden Erhaltungsverordnung voraussichtlich zuwiderlaufen, werden entsprechend zurückgestellt werden.

f. Wie will der Senat verhindern, dass diese Frist bei kommenden Aufstellungsverfahren für soziale Erhaltungsverordnungen gewahrt wird?

Nach gegenwärtiger Planung werden bei kommenden Aufstellungsverfahren die Fristen gewahrt.

4. Plant der Senat für weitere Stadtteile die Aufstellung von Sozialen Erhaltungsverordnungen beziehungsweise Umwandlungsverordnungen nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB?

Wenn ja, für welche und wie ist der Stand des Verfahrens?

Wenn nein, warum nicht und betrachten der Senat und die zuständigen Stellen weitere Stadtteile als nicht gefährdet?

Über die in der Antwort zu 2. genannten Bereiche hinaus befinden sich ein Gebiet in Altona-Altstadt sowie weitere, noch nicht genauer definierte Gebiete im Bezirk Nord in der Überlegung.