Förderung

„Das Heil der Demokratien, von welchem Typus und Rang sie immer seien, hängt von einer geringfügigen technischen Einzelheit ab: vom Wahlrecht. Alles andere ist sekundär."

- Jose Ortega y Gasset, span. Kulturphilosoph (zit. nach Wahlrecht.de) Unabhängig davon, ob man der These vom spanischen Kulturphilosophen Gasset in der Radikalität seiner Aussage zustimmt, kommt zweifelsfrei dem Wahlrecht eine zentrale Bedeutung zu. Dies wird nicht zuletzt auch in den kontroversen Debatten der letzten Wochen zur Reform des Bundestagswahlrechts deutlich.

In den letzten Jahren wurde auch in Hamburg um die Neugestaltung des Wahlrechts gerungen. Als Folge hieraus hatten die Hamburger Wähler am 20. Februar auf vier Listen insgesamt 20 Stimmen zur Wahl der Hamburgischen Bürgerschaft und der Bezirksversammlung zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Studie mit verschiedenen Aspekten des Hamburger Wahlrechts.

Überlegungen zur Durchführung einer umfassenden Untersuchung parallel zu den Bürgerschaftswahlen zur Evaluierung des neuen Wahlrechts wurden von den Mitgliedern des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft auch schon vor den Wahlen 2008 angestellt. Aufgrund von anderen organisatorischen Herausforderungen bei der erstmaligen Durchführung der komplexeren Bürgerschaftswahl konnte dies aber nicht mehr rechtzeitig realisiert werden. Erst ein Jahr nach der Wahl wurden die Autoren mit der Erstellung einer Studie zu dem neuen Wahlrecht betraut. Hierbei konnte dann nur noch auf nach der Wahl ermittelbare Fakten und Daten (Wahldaten des Statistischen Landesamtes, Internetseitenaufrufe, Erinnerungen von Interviewten) zurückgegriffen werden. Trotz dieser Einschränkungen konnte der Bericht (Jakobeit, Hiller, Thomsen, Frölich 2009) interessante Erkenntnisse liefern ­ an dieser Stelle sei nur der signifikant stärkere Rückgang der Wahlbeteiligung und höhere Anteil an ungültigen Stimmen in sozial schwachen Stadtteilen erwähnt. Im letzten Jahr wurde eine quantitative und qualitative Befragung der Bürgerschaftsabgeordneten zu den Veränderungen ihrer Arbeitsbedingungen durch das neue Wahlrecht (Jakobeit, Hiller, Thomsen, Kunz 2010) durchgeführt. Im Anschluss an diese zweite Untersuchung wurden durch die Autoren im Herbst 2010 Überlegungen darüber angestellt, wie eine parallel zur nächsten Bürgerschaftswahl durchzuführende Studie aussehen könnte, als der Austritt der GAL aus der schwarz-grünen Koalition und die darauffolgende Neuwahlentscheidung der Bürgerschaft den ursprünglichen Zeitplan hinfällig machten. Einerseits konnte in der kurzen Phase der Abstimmung und Entscheidung zur Durchführung der Studie trotz der zeitlich knappen Neuwahlsituation auf diese Vorarbeiten zurückgegriffen werden. Andererseits war es in dem neuen Zeitrahmen nicht möglich, alle ursprünglich angedachten Module durchzuführen. So musste auf eine grundlegende Vorwahlbefragung zum Wissensstand der Hamburger Bevölkerung zum neuen Wahlrecht und auf die Evaluation entsprechender Informationskampagnen zur Wissensvermittlung verzichtet werden.

Die vorliegende Studie basiert daher zentral auf den Wahltagsbefragungen bei über 3.

Wählern (Befragung in/vor den Wahllokalen) und knapp 500 Nichtwählern (Befragung an verschieden Orten Hamburgs). Die Organisation und Durchführung so einer großen Erhebung an einem einzigen Tag mit nur neun Wochen Vorlaufzeit stellte eine große Herausforderung dar. Dafür, dass die Studie im geplanten Umfang im Zeitrahmen fertig gestellt werden konnte, sind die Autoren vielen Personen und Einrichtungen zu großem Dank verpflichtet. An dieser Stelle sei nur dem Landeswahlleiter Willi Beiß, der trotz der eigenen zu bewältigenden Mammutaufgabe die Studie organisatorisch unterstützte, und den fast 200 Interviewern für ihren engagierten Einsatz gedankt. Eine vollständige Danksagungsliste befindet sich am Ende dieses Berichtes.

Die vorliegende Studie liefert dabei eine Vielzahl von Erkenntnissen auf verschiedenen Ebenen (Wähler/- Nichtwählerbefragung, Wahldatenanalyse und Experteninterviews) bezüglich des neuen Wahlrechts. Es sei aber schon an dieser Stelle vorweggenommen, dass sich sowohl negative als auch positive Befunde zum neuen Hamburger Wahlrecht feststellen lassen. Die Darstellung der Auswertungen erfolgt hierbei aus wissenschaftlich neutraler Perspektive und die Autoren verzichten bewusst auf eine abschließende Empfehlung zu einer möglichen zukünftigen Veränderung des Hamburger Wahlrechts.

Zum Verständnis der folgenden Analysen wird im zweiten Kapitel zunächst ein kurzer Abriss über die Entwicklung des neuen Hamburger Wahlrechts gegeben. Im dritten Kapitel werden der Informationsstand und die Informationsmöglichkeiten zum neuen Hamburger Wahlrecht detailliert präsentiert. Anschließend werden die Ergebnisse einer qualitativen Befragung von Wahllokalleitern dargestellt, um einen explorativen Eindruck über Herausforderungen und Probleme im Ablauf der Wahl zu gewinnen. Im fünften Kapitel wird auf der Grundlage systematischer Auswertungen vorliegender Daten des Statistikamts Nord eine Reihe von Analysen vorgenommen. Zum einen erfolgt eine nach Stadtteilen vorgenommene Betrachtung von Wahlbeteiligung, ungültigen Stimmen und genutzter Stimmen pro Wähler, nach soziodemographischen Merkmalen. Zum anderen wird untersucht, ob bestimmte Angaben zur Person auf dem Stimmzettel einen Einfluss auf die Listenplatzveränderung haben. Die nachfolgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Ergebnissen der Wähler- und Nichtwählerbefragung. Zunächst wird in Kapitel 6 umfassend das methodische Vorgehen bei den Erhebungen erläutert. Anschließend folgen die zentralen Kapitel der Wähler und Nichtwählerbefragung.