JVA

Warum wurde nicht darauf verzichtet, einen als suizidgefährdet geltenden Häftling mit einem Gürtel auszustatten?

Nachdem sich sein Zustand nach der Diagnose des behandelnden Facharztes und der betreuenden Psychologin stabilisiert hatte, gab es aktuell keine Hinweise auf eine akute oder latente Suizidalität. Es bestand deshalb keine Veranlassung, Michael K. den regelmäßig auch im Vollzug zur üblichen Bekleidungsausstattung gehörenden Hosengürtel vorzuenthalten.

7. Bei Menschen, die einmal einen Suizidversuch unternommen haben, besteht immer die Gefahr eines Rückfalls. Warum wird während einer Haft nicht generell wenigstens vorsorglich darauf verzichtet, solchen Menschen Gürtel, Kabel oder Ähnliches zu überlassen?

Eine ohne konkreten Anlass lediglich auf allgemeinen Erwägungen beruhende vorsorgliche Unterbringung in einem Beobachtungshaftraum und der generelle Verzicht, Gefangenen Gürtel, Kabel oder Ähnliches zu überlassen, würde wegen des darin liegenden wesentlichen Grundrechtseingriffs einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.

8. Hätte der Suizid verhindert werden können, wenn sich der Häftling in einem gefährdungsarmen Haftraum aufgehalten hätte?

Wenn nein, warum nicht? Hätte er verhindert werden können, wenn Michael K. keinen Gürtel zur Hand gehabt hätte?

Nein, auch in einem gefährdungsarmen Haftraum kann eine Selbsttötung nicht vollständig ausgeschlossen werden. Sowohl in einem regulären Haftraum als auch in einem gefährdungsarmen Haftraum können auch andere Bekleidungs- und Ausstattungsgegenstände für eine Selbstverletzung missbraucht werden.

9. Wie viele Stunden am Tag dauerte der Einschluss für Michael K. in der Untersuchungshaft?

Seitdem Michael K. nicht mehr zur Behandlung der körperlichen Verletzungen im ZKH untergebracht sein musste (5. April 2011), war er auf der Station A3 untergebracht.

Hier dauert der tägliche Verschluss einschließlich der Nachtruhe 18,25 Stunden pro Tag. Diese Zeit verringerte sich um die am jeweiligen Tag stattfindenden Besuchs-, Verhandlungs-, Verteidiger- oder Beratungstermine.

10. Nahm er außer der Freistunde an weiteren Aktivitäten teil?

Wenn ja, an welchen?

Wenn nein, warum nicht?

Michael K. nahm am täglichen Aufschluss auf der Station sowie an der Freizeitgruppe „Gesellschaftsspiele" teil. Am 13. Mai 2011 nahm er darüber hinaus an einem Konzert teil, das in der Kirche der UHA stattfand.

11. Hatte Michael K. seit seiner Festnahme Kontakt zu einem Rechtsanwalt?

Wenn ja, wie häufig?

Wenn nein, warum nicht?

Michael K. hatte regelmäßigen Kontakt zu seinen beiden Verteidigern. Aus den der zuständigen Behörden vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass ein Verteidiger zwölfmal, der andere siebenmal Michael K. in der UHA zum Gespräch aufgesucht hat.

12. Aufgrund welcher rechtlichen Entscheidung befand sich Michael K. seit über einem halben Jahr in Untersuchungshaft? Wurde diese Entscheidung überprüft beziehungsweise erneuert? Wie war der Stand des Strafverfahrens gegen ihn? War das Hauptverfahren bereits eröffnet worden?

Der Betroffene befand sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg seit dem 22. Dezember 2010 wegen des Verdachts des versuchten Mordes in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg in Untersuchungshaft.

Auf Antrag des Verteidigers wurde am 8. März 2011 eine Haftprüfung durch das Amtsgericht durchgeführt und die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den Gründen ihrer Anordnung beschlossen.

Nach Anklageerhebung am 24. März 2011 wurde durch Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 5. Mai 2011 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren vor dem Schwurgericht eröffnet und der Haftbefehl des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2010 aufrechterhalten.

Die Hauptverhandlung, die auf zehn Verhandlungstage anberaumt worden war, hatte am 15. Juni 2011 begonnen und vor dem Suizid des Betroffenen an vier Verhandlungstagen stattgefunden. Sie sollte am 13. Juli 2011 fortgesetzt werden.

13. Welche Maßnahmen wurden unternommen, um die näheren Umstände des Todes von Michael K. aufzuklären? Welche Behörden wurden unterrichtet?

Seitens der UHA wurden unverzüglich telefonisch das Strafvollzugsamt der Behörde für Justiz und Gleichstellung gemäß Abschnitt 1, Ziffer 3 der AV zu § 104 HmbStVollzG sowie das LKA unterrichtet.

Zur Aufklärung der näheren Umstände des Betroffenen wurden bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ein Todesermittlungsverfahren sowie ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens wurden sämtliche Maßnahmen ergriffen, die bei einem (Frei-)Tod einer im amtlichen Gewahrsam befindlichen Person zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind. Unter anderem wurden eine Sektion durchgeführt und die persönlichen Gegenstände des Verstorbenen gesichert. Im Rahmen des Vorermittlungsverfahrens werden unter anderem die Gefangenenpersonalakte und die Krankenakte des Verstorbenen angefordert und ausgewertet.

Das Justizverwaltungsamt der Behörde für Justiz und Gleichstellung wurde mit einem schriftlichen Bericht vom 13. Juli 2011 unterrichtet.

14. Laut Pressemitteilung wurde Michael K. um 6.45 Uhr tot aufgefunden.

Um wie viel Uhr beziehungsweise in welchem Zeitraum ist der Tod eingetreten?

Nach Auskunft einer medizinischen Sachverständigen ist anzunehmen, dass der Tod in den frühen Morgenstunden eingetreten ist.

15. Wann erfolgte am Abend zuvor der Einschluss?

Der Einschluss erfolgte wie üblich am Abend zuvor gegen 18 Uhr.

16. Gibt es Ermittlungen gegen Bedienstete im Zusammenhang mit dem Suizid?

Ob Ermittlungen gegen Bedienstete einzuleiten sind, mithin ein Anfangsverdacht einer Straftat zu bejahen ist, wird zurzeit im Rahmen des Vorermittlungsverfahrens geprüft.

17. Wie viele Gefangene in Untersuchungshaft haben seit dem 01.01.

Suizid begangen? Bitte nach Jahren aufschlüsseln sowie nach Geschlecht und Alter.

Anzahl Jahr Geschlecht Alter 1 2008 Männlich 29

1 2009 Männlich 41

1 2010 Männlich 43

1 2011 Männlich 39

Eine Abweichung zu der Antwort in der SKA 19/2078 ist dadurch begründet, dass dort irrtümlicherweise eine Strafgefangene, die in der Untersuchungshaftanstalt Suizid begangen hat, als Untersuchungshaftgefangene angegeben wurde.

18. Wurden nach dem aktuellen Suizid in der Untersuchungshaftanstalt und gegebenenfalls auch in den anderen Justizvollzugsanstalten über die existierenden Vorkehrungen hinaus weitere Maßnahmen eingeleitet, um künftigen Suizidfällen vorzubeugen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

19. Gibt es Bemühungen und Pläne, die Betreuung und Unterstützung der Häftlinge zu verbessern, um Suizide besser zu verhindern, oder wird aufgrund der Einschätzung der Justizbehörde in ihrer Pressemitteilung, die Selbsttötung sei nicht zu verhindern gewesen, nichts getan?

Wenn doch, worin bestehen diese Bemühungen beziehungsweise Pläne im Einzelnen?

Wenn nein, warum nicht?

Die erst im Jahr 2010 aktualisierten Regelungen zur Suizidprävention und die darauf beruhende Praxis in den Justizvollzugsanstalten entsprechen dem Stand der bundesweiten Diskussion. Ein Bedarf für eine Fortschreibung besteht aus Sicht der zuständigen Behörde derzeit deshalb nicht.

20. Offensichtlich ist, dass der Suizid mit dem Wochenende zusammenhängt. Am Ende eines langen Wochenendes hat Michael K. beschlossen, sich selbst zu töten. Wie unterscheidet sich die Betreuung am Wochenende von der in der Woche? Ist geplant, die Gefangenenbetreuung am Wochenende mit psychologischem und psychiatrischem Personal, Seelsorgerinnen und Seelsorgern sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zu verbessern?

Wenn nein, warum nicht?

Am Wochenende ist statt der zuständigen Vollzugsabteilungsleitung ein Inspektor beziehungsweise eine Inspektorin vom Dienst für einen begrenzten Zeitraum vor Ort.

Der Psychologische Dienst ist nur werktags in der Anstalt. Dafür kann am Wochenende in Notsituationen der Psychologische Notdienst gerufen werden. Auch Facharztvorstellungen finden regelmäßig nur unter der Woche statt. Medizinische Notfälle werden vom anwesenden Arzt beziehungsweise der Ärztin vom Dienst behandelt oder zur weiteren Behandlung in externe Krankenhäuser ausgeführt. Die hiernach zur Verfügung stehenden Möglichkeiten entsprechen dem Bedarf.

Um Gefangene in suizidalen Krisen auch an Wochenenden und Feiertagen psychologisch betreuen zu können, wurde eine erweiterte Erreichbarkeit des Psychologischen Dienstes eingerichtet. Die Anstalten haben an diesen Tagen die Möglichkeit, eine psychologische Fachkraft zur Krisenintervention, psychologischen Betreuung und/oder Abklärung einer möglichen Suizidgefahr aus einem dafür eingerichteten „Psychologenpool" anzufordern. Bei der Beurteilung einer Suizidgefahr wird dem „Vier-AugenPrinzip" hier dadurch Rechnung getragen, dass die angeforderte psychologische Fachkraft das Gespräch mit dem oder der Gefangenen in Anwesenheit eines anderen vollzugserfahrenen Bediensteten führt.

21. Wie viel psychologisches und psychiatrisches Personal, wie viele Seelsorgerinnen und Seelsorger, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter waren 2010 und im ersten Halbjahr 2011 in welcher Haftanstalt für wie viele Insassen zuständig (bitte getrennt nach Berufsgruppen ausweisen)?

Die erfragten Daten sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Sofern sich im Vergleich von 2010 zum aktuellen Stand Abweichungen ergeben haben, sind die Daten für 2010 (Stichtag 31. Dezember) separat ausgewiesen. In der Aufstellung sind auch Vertreter weiterer Religionen (unter anderem Islam, orthodoxe Kirchen) enthalten.

c) Die Tätigkeiten eines Sozialarbeiters gehören regulär auch zum Aufgabenbereich eines Vollzugsabteilungsleiters, dieser Personenkreis ist in der Übersicht ergänzt.

d) Die Differenz im Vergleich zu den einzeln angegebenen Personen in den Teilbereichen der JVA Hahnöfersand ergibt sich aus den fehlenden Angaben für den Bereich Jugendarrest, der nicht erfragt ist.

e) Der sozialpädagogische Dienst der UHA wurde zum 6. Dezember 2010 aufgelöst und die Aufgaben der Mitarbeiter in den Bereich der Vollzugsabteilungen integriert.