Jobcenter - Verluste im Zuweisungsprozess

Eine Betreuung der Kunden währen ihrer Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit sei nicht die Regel. Weil sie als Teilnehmer an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme nur noch als arbeitsuchend geführt werden, fielen sie nicht unter die Mindeststandards für die Betreuungsdichte gemäß Profillage. Die Betreuung der Kunden während der Arbeitsgelegenheit obliege grundsätzlich den Trägern, die in ihren Projektangeboten u.a. ein Betreuungskonzept darlegen und entsprechend umsetzen müssten.

Abweichend hiervon wurde in einem Jobcenter berichtet, dass mit „normalen", also NichtFallmanagement-Kunden ein Gespräch während der Ausübung einer Arbeitsgelegenheit im Jobcenter geführt würde. Mit Fallmanagement-Kunden/innen stehe man sogar in regelmäßigerem Kontakt, d.h. man führe monatliche Nachhaltegespräche im Jobcenter und führe, etwa zur Halbzeit der Arbeitsgelegenheit, eine Fallkonferenz am Einsatzort der Arbeitsgelegenheit durch, an der auch der Träger teilnähme. Einige wenige Integrationsfachkräfte anderer Jobcenter schilderten, dass sie auch während der Ausübung von Arbeitsgelegenheiten gemäß den Mindeststandards Kontakt zu ihren Kunden hielten.

Perspektive der Träger Nachfolgend soll auf Grundlage detailreicher Auswertungen zu den Teilnehmerdaten, die von einem großen Beschäftigungsträger freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden, das Thema „Verluste im Zuweisungsprozess" exemplarisch quantitativ dargestellt werden.

Gemäß diesen Daten mit Stand November wurden 2010 bei diesem Träger 37 % der mittels AGHC-Zuweisung festgelegten Starttermine letztendlich nicht angetreten. In diesen Anteil seien rund 6 % so genannte Eintageseintritte eingerechnet. Bei diesen handele es sich um zugewiesene Kunden, die zum vorgesehenen Starttermin nicht erschienen seien, aber sich binnen 24 Std. telefonisch gemeldet und mitgeteilt hätten, dass sie die AGH-Stelle antreten würden, aber dann doch nicht erschienen seien. Diese zähle der Träger entgegen der Praxis von t.a.h grundsätzlich nicht als Eintritte.

Die Träger sind sich ­ entgegen der oben geschilderten Auffassung im AGH-Center ­ sicher, dass dieser Gesamtverlust im Zuweisungsprozess bei weitem nicht so hoch wäre, wenn es den Zwischenschritt über das AGH-Center nicht gäbe. Sie gehen zwar ebenfalls davon aus, dass einige jener Kunden, die sich dem Intake-Gespräch im AGH-Center entziehen, sich bei einer direkten Vermittlung durch das Jobcenter dann eben der Zuweisung durch nicht Antritt der Maßnahme beim Träger entziehen würden. Aber sie sind davon überzeugt, dass deutlich weniger auf dem direkten Weg vom Jobcenter in die Arbeitsgelegenheit verloren gingen als derzeit, als Folge der zentralen Zuweisung, die eine zweifache motivationale Hürde bzw. Entzugs-Möglichkeit bedeute.

Belegt wurde diese Aussage bei dem exemplarisch geschilderten Träger mit Vergleichsdaten aus den Jahren 2005 und 2006, wonach „nur" 30 % bzw. 34 % der aus den Jobcentern zugewiesenen Kunden beim Träger nicht erschienen seien. Allerdings wären damals dennoch letztlich nur 38 % bzw. 43 % der Zugewiesenen in eine Arbeitsgelegenheit aufgenommen worden, weil der Träger damals weit mehr Kunden als heute die aus den Jobcentern überstellten Kunden für nicht geeignet gehalten hätte oder die Stelle schon besetzt gewesen sei (19 % und 8 %) oder die Kunden die Stellen abgelehnt hätten (14 % und 19 %). Die relativ hohe Zahl der Ablehnungen seitens der Kunden begründet sich aus der damit nicht gegebenen Rechtssicherheit der Zuweisung. Das faktische Vetorecht der Kunden sei damals viel deutlicher ausgeprägt gewesen als heute, sodass die aktuelle mit der früheren Situation der Zuweisung nur bedingt vergleichbar ist.

An diesem Vergleich des Zuweisungsprozesses würde ­ so der Träger ­ ebenfalls deutlich, dass das AGH-Center den Trägern heute durch eine Vorselektion der vorgesehenen Kunden viel Arbeit abnähme, so dass man als Träger weniger Kunden ablehnen müsse als früher, obwohl die Arbeitsfähigkeit der in Arbeitsgelegenheiten zugewiesenen Kunden heute in der Regel deutlich geringer sei als zu Beginn des SGB II. Damals seien die vielfach aus der ABM-Tradition stammenden Personen insgesamt motivierter und qualifizierter gewesen als die jetzigen AGH-Kunden. Anzumerken ist aber, dass eine Zuweisung leistungsschwächerer Personen natürlich eher der Intention der AGH entspricht als die Zuweisung von besonders motivierten und leistungsstarken Personen. Insofern zeigen sich hier Indizien für ein Auseinanderfallen der Interessen des Jobcenters und der Beschäftigungsträger.

Die befragten Träger teilen die Aussagen der Integrationsfachkräfte aus den Jobcentern, dass so gut wie niemand gegen seinen Willen in eine AGH zugewiesen würde, nicht. Denn ihrer Erfahrungen nach sei die Grenze zwischen tatsächlicher Weigerung und mehr oder weniger widerwilligem Sich-Fügen in eine Zuweisung fließend. Sie hätten es häufig mit zunächst sehr kritischen und demotivierten Personen zutun, die jedoch nicht selten rasch kooperative Züge entwickelten, wenn sie merkten, dass sie die trägerseitige Betreuung und die ihnen gebotenen Tätigkeiten entgegen ihrer ursprünglichen Skepsis persönlich weiter bringen könne. Die eigentlichen Verweigerer, bzw. jene, die im Grunde gegen ihren Willen bei IAB/ISG ­ Evaluation von Beschäftigung schaffenden Maßnahmen nach § 16d und 16e SGB II in Hamburg

Träger erschienen sind, seien jene, die in den ersten 30 Tagen die Arbeitsgelegenheit abbrächen.

Die oben geschilderte hohe Verlustrate wird nicht von allen Trägern bestätigt. Ein auf U25 spezialisierter Bildungsträger schätzt den Verlust beim Eintritt auf nur auf rund 10-20 %, wobei jedoch berücksichtigt werden müsse, dass dieser bei Nichterscheinen am vereinbarten Maßnahmebeginn eine intensive aufsuchende Beratung praktiziere und immer einige Tage abwarte, bevor der Nichtantritt ans AGH-Center gemeldet würde. Er wolle damit vermeiden, dass die Jugendlichen wegen des versäumten Starttermins Leistungskürzungen oder sonstige Probleme mit dem Jobcenter bekämen, da das SGB II den Jobcentern bei Jugendlichen eine besonders strikte und rasche Sanktionierung vorgäbe.

Vor- und Nachteile der zentralen Zuweisung aus Sicht der Akteure Heterogenität der Auffassungen

Hinsichtlich der Frage, inwieweit das AGH-Center hilfreich sei, finden sich in den Jobcentern fast diametral gegenüber stehende Auffassungen. Die eine würde eine Auflösung des AGHCenters begrüßen und glaubt, dass 70 % der Integrationsfachkräfte dies ebenso sähen und es sich bei den verbleibenden 30 % an Befürwortern des AGH-Centers um die neuen und noch nicht gut qualifizierten Kollegen/innen handele, die gerne auf die Möglichkeit zurückgriffen, das gesamte Prozedere mit den Arbeitsgelegenheiten dem AGH-Center zu überlassen.

Die alteingesessenen und erfahrenen Integrationsfachkräfte würden die AGH-Vermittlung hingegen lieber selber in die Hand nehmen, weil sie davon überzeugt seien, eine qualitativ bessere Arbeit leisten zu können als die Kollegen/innen im AGH-Center.

Die andere Auffassung geht davon aus, dass rund 80 % der Integrationsfachkräfte in den Jobcentern gut auf das AGH-Center und die dort arbeitenden Kollegen/innen zu sprechen seien, in kooperativen Arbeitsbeziehungen mit ihnen stünden und keine Ambitionen Richtung Abschaffung des AGH-Centers hegten. Dazwischen finden sich weniger entschiedene Positionen, für die sich das AGH-Center einerseits im Hinblick auf marktnähere Kunden als sinnvoll erwiesen habe und eine tatsächliche Entlastung der Jobcenter darstelle, aber es andererseits im AGH-Center bezüglich der besonders schwierigen Situation von FallmanagementKunden/innen nach wie vor an Verständnis mangele und die dort vorhandenen Kompetenzen im Umgang mit solchen Kunden/innen eingeschränkt seien.

Ähnlich lautendende Äußerungen aus den Jobcentern lassen sich dahingehend zusammenfassen und als eine versöhnliche Sichtweise bezeichnen, dass das AGH-Center nach vielfältigen Schwierigkeiten seine Aufgabe ­ insbesondere mit Blick auf weniger marktferne Kunden ­ nun gut erfülle, die Schnittstelle AGH-Center funktioniere und Verlässlichkeit und Verwaltungsvereinfachung für die Jobcenter und die dort arbeitenden Integrationsfachkräfte gewährleiste, sodass jetzt eine Auflösung des AGH-Centers nicht (mehr) erforderlich oder wünschenswert sei. Aber es würde auch kein größeres Problem darstellen, falls es wieder aufgelöst würde und die dadurch frei werdenden Personalressourcen anteilig auf die Jobcenter verteilt würden.