Zeugen Jehovas

Antrag wurde stattgegeben mit dem Ergebnis, dass die meisten Bundesländer daraufhin dann auch den entsprechenden Anträgen der Jehovas Zeugen stattgegeben haben.

Es wurde sich weiterhin mit der Stellungnahme des Justizministeriums Baden-Württemberg auseinandergesetzt, und zwar im September 2010 im Rahmen des Rechtsausschusses. Hinweisen möchte ich darauf, dass ein Unterschied zwischen den anderen Bundesländern, in denen das Thema bisher behandelt wurde, agiert wurde, und hier ist es Sache des Parlaments, weswegen wir dieses Thema jetzt auch hier behandeln.

In Bremen wurde daher folgender Gang der Beratungen durchgeführt, die am 21. Oktober 2009 begannen: Der Senator für kirchliche Angelegenheiten wurde um Stellungnahme gebeten, es wurde dann weiterhin ein Vertreter der Berliner Senatskanzlei im Rahmen des Rechtsausschusses in nicht öffentlicher Sitzung angehört. Im Rahmen dieser Anhörung stellte sich heraus, dass im Berliner Verfahren auf das Stellen von Beweisanträgen verzichtet wurde, weswegen unter anderem zu dem Thema Bluttransfusionen weder ermittelt noch inhaltlich vorgetragen wurde.

Es wurde sich mit der baden-württembergischen Stellungnahme auseinandergesetzt, deren Ergebnis war, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden muss.

Dies basierte auf Ausführungen oder entsprechenden Erkenntnissen zu den Themen Verfassungstreue und Verletzung der Menschenrechte.

Der Rechtsausschuss beschloss daraufhin, eine ganztägige Anhörung durchzuführen. Wir haben sie in öffentlicher und nicht öffentlicher Sitzung durchgeführt, mit diversen Stellvertretern, Referenten, 16 an der Zahl, inklusive eines Vertreters der Jehovas Zeugen, und zwar am 16. Februar 2011. In der öffentlichen Sitzung waren 16 Vertreter anwesend, zum Beispiel aus den Bereichen Kirche, Medizin, Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales ­ also das entsprechende Ressort ­ und auch aus dem Ressort Bildung und Wissenschaft. Es waren Vertreter von Aussteigerorganisationen vertreten, zuletzt ­ und auch zeitlich zuletzt ­ kam dann der Vertreter der Jehovas Zeugen zu Wort. Im Nachgang zu dieser Anhörung haben wir den Jehovas Zeugen dann Gelegenheit zur Stellungnahme in schriftlicher Form gegeben und aus diesem Anlass das schriftliche Wortprotokoll übersendet. Es wurde dann eine sehr umfangreiche schriftliche Stellungnahme der Jehovas Zeugen abgegeben, und auch diese schriftliche Stellungnahme fand dann Eingang in den jetzt vorgelegten Bericht.

Nach Einleitung des Vertreters aus Baden-Württemberg zu der soeben genannten Stellungnahme wurden im Rahmen der Anhörung diverse Themen erörtert. Es ging hier natürlich um Grundrechtsverletzungen, und die Themen waren Ehe und Familie, Religionsfreiheit in Bezug auf das damals noch eventuelle Festhalten von Mitgliedern, darum wollten wir uns ja kümmern, ob dem so ist. Es ging um die Gefährdung von Leib und Leben, von Erwachsenen und auch Minderjährigen, insbesondere zu dem Thema Bluttransfusion, es ging um das Thema Kindeswohl und dies in Bezug auf die Erziehung von Kindern und den Umgang mit Missbrauch, um Schulbildung und Persönlichkeitsentwicklung. Abschließend kamen die Zeugen Jehovas zur Stellungnahme zu Wort.

(Glocke)

Ich möchte bitten, jetzt von dieser ein bisschen Abstand zu nehmen, denn sonst kann ich keinen umfassenden Bericht abgeben!

Ich denke, die Zeugen Jehovas haben Anspruch darauf, dass wir hier ordnungsgemäß vortragen.

Präsident Weber: Wir haben interfraktionell fünf Minuten für die Berichterstattung und für die Debatte vereinbart.

Abg. Frau Peters-Rehwinkel, Berichterstatterin:

Dann bemühe ich mich, den Rest in gebotener Kürze darzustellen!

Wir kamen im Ergebnis dazu, dass den Jehovas Zeugen das Recht nicht zuerkannt werden kann, da es so ist, dass diverse Grundrechtsverletzungen vorliegen. Zu den soeben genannten Punkten haben wir insbesondere herausgefunden, dass die Bluttransfusion nicht zugestanden wird, wenn sie dafür erforderlich ist, das Leben zu erhalten. Dies, das konnte festgestellt werden, wird auch bei Kindern nicht zugestanden, die noch nicht zu einer eigenen Willensbildung fähig sind. Wir haben auch festgestellt, dass das Recht auf Züchtigung von Kindern befürwortet wird, es wird sich eher weniger dazu geäußert.

Letzten Endes hat es sich so dargestellt, dass der Rechtsausschuss einstimmig empfiehlt, dass die Gesetzesvorlage des Senats abgelehnt werden möge.

Ich möchte noch einmal darstellen, dass es wichtig ist, dass es sich hier nicht um das Verbot der Religionsgemeinschaft handelt, sondern es geht um die Verleihung von privilegierten Rechten. Weiterhin empfiehlt der Rechtsausschuss, dem Antrag der FDP ebenfalls nicht zuzustimmen. Ich möchte allen danken, die an diesem Thema sehr lange, sehr umfangreich und mit viel Arbeit gearbeitet haben. ­ Vielen Dank!

90/Die Grünen und bei der LINKEN) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Abg. Frehe (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Keine Privilegien für Zeugen Jehovas, so titelte die Nordwest-Zeitung am 13. April 2011. Das ist in der Tat das Er gebnis unserer Beratungen im Rechtsausschuss. Wir haben eine umfangreiche Anhörung gemacht. Meine Vorrednerin hat ja auch dargestellt, was Gegenstand dieser Anhörung war. Diese Anhörung war sehr gut vorbereitet und auch sehr ertragreich. Sie hat viele neue Erkenntnisse geliefert und unsere Auffassung über die Zeugen Jehovas fundiert. Vielen Dank für den Bericht und auch für das Protokoll dieser umfangreichen Tagung, insbesondere an Frau Grotheer-Hüneke, die das in ganz kurzer Zeit hervorragend gemacht hat!

(Beifall)

Diese Anhörung hat ergeben, dass es Zweifel an der Rechtstreue der Zeugen Jehovas gibt. Ich will nur zwei Punkte herausgreifen, und zwar die, die für mich am gravierendsten sind, zum einen die Bluttransfusionen. Wir haben von Herrn Prof. Huppertz gehört, dass er Fälle aus seiner Praxis kennt und es vorgekommen ist, dass Zeugen Jehovas Bluttransfusionen bei Kindern verweigert haben und er das gerichtliche Verfahren wählen mussten, sodass den Eltern für diesen Fall das Sorgerecht entzogen wurde und das Gericht dann diese Entscheidung ersetzt hat.

Es wurde uns von Herrn Dr. Hoffmann vom berichtet, dass es Verbindungskomitees gibt, die sich dann einschalten, wenn Erwachsene die Frage der Bluttransfusionen zu entscheiden haben, und dass sie erheblich auf diese Erwachsenen einwirken, sodass von einer freien Willensentscheidung nicht die Rede sein kann, dass man zumindest Zweifel daran haben kann, dass die freie Willensentscheidung gegen Bluttransfusionen auch wirklich gegeben ist.

Ich möchte, um den Vorwurf zu entkräften, der ja immer wieder von den Zeugen Jehovas gemacht worden ist, aus den Urteilen zum Sorgerechtsentzug oder Nicht-Sorgerechtsentzug, die uns die Zeugen Jehovas zugeschickt haben, kurz zitieren! Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zum Beispiel entschieden, allein der elterlichen Sorge entgegenstehen. Ferner gab es eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, ich zitiere aus dem Tenor: Allein aufgrund des Umstands, dass ein Elternteil aktives Mitglied der Zeugen Jehovas ist, kann nicht festgestellt werden, dass die Eltern zur Erziehung ungeeignet sind. Das ist völlig richtig. Das heißt, die Gerichte haben nur festgestellt, dass man auch weitere Elemente betrachten muss, das heißt, dass man das konkrete Erziehungsverhalten der Eltern anschauen muss. Allein die Tatsache, dass sie Zeugen Jehovas sind, rechtfertigt das nicht.

Das ist auch der Unterschied zwischen der Entscheidung, die die Zeugen Jehovas uns unterstellen, nämlich dass wir ein Verbot der Vereinigung wollen oder dass wir die Mitglieder ihrer Kirche diskriminieren.

Nein, die Gerichte entscheiden im Einzelfall, schauen sich die Eltern genau an und entscheiden daraufhin, ob sie einen Sorgerechtsentzug vornehmen müssen oder nicht. Das ist eben die Differenz zwischen dem Recht auf Glaubensfreiheit nach Artikel 4 unserer Landesverfassung und dem Kirchen- und Religionsrecht nach Artikel 61 Landesverfassung.

Ich möchte aus einem Brief der Zeugen Jehovas zitieren. Alle Kolleginnen und Kollegen haben, glaube ich, den Brief von Jehovas Zeugen bekommen. Da dort ein sehr schwerer Vorwurf gemacht wird, möchte ich kurz aus diesem Brief zitieren, um auch dem zu entgehen, dass wir uns nicht mit ihren Argumenten auseinandergesetzt haben. Sie schreiben: Das Vorstehende macht deutlich, dass es bei der Abstimmung am 11. Mai 2011 ­ nun es ist der 12. Mai! ­ nicht mehr allein um die Abstimmung über die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Zeugen Jehovas geht, sondern es aufgrund der oben dargestellten Mängel in dem Verfahren des Rechtsausschusses mittlerweile um die Frage geht, ob im Land Bremen eine religiöse Minderheit noch darauf zählen kann, in staatlicher Neutralität unter Achtung rechtsstaatlicher Grundsätze leben zu können. Sie bezweifeln also, dass man hier als Zeuge Jehovas ohne Beeinträchtigung leben kann. Da verwechseln sie deutlich die Rechte aus der Religionsfreiheit, die hier für jeden Zeugen Jehovas sichergestellt sind, und die besonderen Organisationsrechte, die mit einer Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verbunden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD uns bei der CDU)

Ich möchte noch einmal unsere Landesverfassung

­ die mag den Zeugen Jehovas hier in Bremen nicht sehr präsent sein ­ diesem Haus in Erinnerung rufen! Artikel 59 der Landesverfassung schreibt strikt die Trennung zwischen Staat und Kirche vor. Nach Artikel 60 Absatz 2 Landesverfassung darf niemand zu religiösen Handlungen gezwungen werden. Das heißt also, wenn quasi versucht wird, jemanden bei den Zeugen Jehovas festzuhalten, wird dagegen verstoßen. Der entscheidende Punkt ist: Artikel 61 Landesverfassung sieht die Möglichkeit vor ­ (Glocke) ich komme sofort zum Schluss! ­, die Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu verleihen.

Deswegen entscheiden wir hier überhaupt nicht über die Religion ­ sowieso nicht! ­, auch nicht über Verbote von Religionen und Religionsausübung oder die Einschränkung der Religionsfreiheit. Wir entscheiden ausschließlich darüber, ob der Kirche besondere Rechte verliehen werden dürfen und ob sie dafür die Grundrechte ausreichend achtet. Wir sind nach den Anhörungen zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht der Fall ist. Deswegen ­ und das kommt auch nicht so häufig vor ­ lehnen wir sowohl den Gesetz entwurf des Senats ab als auch den Antrag der FDP, die dieses Verfahren zu einem Verwaltungsverfahren abändern will. ­ Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Abg. Dr. Buhlert (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich habe die Anhörung verfolgt und mit meinen Kollegen aus der Gruppe der FDP besprochen. Wir als FDP in der Bremischen Bürgerschaft sind deutlich der Meinung, dass es nicht zu einer Anerkennung der Zeugen Jehovas als Körperschaft des öffentlichen Rechts kommen soll.

Das war aber auch nicht der Grund, der uns bewegt hat, den anderen Antrag zu stellen, das Ganze in ein Verfahren beim Senat umzuwandeln. Zum Ersten haben wir die Argumente gehört, es gibt viele Argumente, die dafür sprechen, dass diese Privilegien, wie sie andere Religionsgemeinschaften genießen, dieser Religionsgemeinschaft nicht gewährt werden sollten. Deswegen werden wir auch entsprechend das Bestreben, die Zeugen Jehovas hier per Gesetz zur Körperschaft des öffentlichen Rechts zu machen, ablehnen. Wir sind übrigens der Meinung, dass auch in einem Verwaltungsverfahren dasselbe Ergebnis hätte herauskommen müssen, wenn es denn ordnungsgemäß betrieben worden wäre.

Unser Anliegen ist ein anderes: Unser Anliegen ist schlichtweg, dass wir gesagt haben, hier macht die Landesverfassung etwas zu einer Aufgabe des Parlaments, das nicht Aufgabe des Parlaments, sondern der Verwaltung ist, damit auch Religionsgemeinschaften, die Zweifel daran haben, ernsthafte Möglichkeiten haben, dort Klage und Rechtswege zu beschreiten. Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, hier deutlich ein anderes Verfahren, als es die Väter und Mütter unserer Landesverfassung vorgesehen haben, vorzuschlagen. Deswegen halten wir auch daran fest, dass es eigentlich richtiger wäre, wenn diese Aufgabe keine Aufgabe des Parlaments wäre, die natürlich immer die Frage hinterlässt, ob da aus politischen Motiven oder formal entschieden wird.

Deswegen sind wir der Meinung, es sollte eine Aufgabe des Senats werden. Der ist nicht unpolitisch, aber er hat durchaus ­ weil die Rechtsmittel, die dann möglich sind, andere sind ­ eine andere Rolle und andere Möglichkeiten und nimmt eben diesen Funken des Gedanken weg. Nehmen Sie deswegen bitte mit: Wir bleiben weiter bei der Auffassung, dass es dafür ein anderes Verfahren geben sollte, sind gleichzeitig aber der Auffassung, dass die Jehovas Zeugen nicht Körperschaft des öffentlichen Rechts werden sollten. ­ Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP) Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Abg. Frau Winther (CDU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich zunächst bei der Ausschussassistenz für eine fachlich hochkompetente Unterstützung der Arbeit sehr herzlich bedanken, aber genauso auch für den riesigen Einsatz, um den Bericht und die Anhörung und alles Weitere zu organisieren und so gut, wie es gelungen ist, auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Den Bericht und die juristische Auswertung der Anhörung trägt die CDU-Faktion in vollem Umfang mit.

Auch wir sind im Laufe der umfassenden Beratungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Zeugen Jehovas, so wie es auch im Bericht dargestellt worden ist, in vielen Fragen nicht verfassungstreu sind.

Dies war keine schnell gefasste Meinung der CDU, sondern das Resultat einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Thema und auch mit den eigenen Recherchen.

Wir haben uns die Entscheidung, den Zeugen Jehovas in Bremen die Rechte der Körperschaft nicht zu verleihen, nicht leicht gemacht. Ich sage das deswegen so deutlich, da uns die Berliner Zeugen Jehovas in vielen Briefen etwas anderes nachweisen wollen, vor allen Dingen aber auch Verfahrensfehler.

Alle, auch die Zeugen Jehovas, hatten ausreichende und gleiche Gelegenheiten, sich im Verfahren zu Wort zu melden. Ich würde jetzt gern vieles unterstützen und auch nicht wiederholen, was Herr Frehe insbesondere zum Thema Bluttransfusionen gesagt hat.

Auch Ihre juristischen Ausführungen tragen wir mit.

Vielleicht darf ich jetzt ergänzend nur noch einen Teil aufgreifen, nämlich den Umgang mit Abtrünnigen. Dazu möchte ich mich nur noch kurz äußern, weil es jetzt in der Zeit ein wenig schwierig ist, das alles irgendwie zusammenzufassen. Wir waren von einer Aussage des Vertreters der Zeugen Jehovas einigermaßen beeindruckt. Er brachte folgenden Vergleich: Ebenso wie ein Dieb, der bei Becks einen Kollegen bestohlen hatte, gemieden werde, ebenso würden auch Aussteiger gemieden. Das heißt, es gibt das Eingeständnis, dass Aussteiger isoliert werden, das leugnen selbst die Zeugen Jehovas nicht. Aber nicht nur das. Ich halte diesen Vergleich für ziemlich unsäglich, denn immerhin werden durch diese Ächtung Familien auseinandergerissen und Ehen gefährdet, ohne dass eine kriminelle Handlung die Basis ist.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)