Steuerberater

Verwendungszwang der Einnahmen aus der Erhebung von Totalisatorsteuern

Die Freie und Hansestadt Hamburg ist gehalten, Steuereinnahmen zu generieren, mit denen die verschiedensten Aufgaben der Metropole bewältigt werden können. Doch unabhängig von Fehlinvestitionen, mangelndem Steuervollzug oder gar Steuerhinterziehung beziehungsweise Steuerflucht gibt es einige Bereiche, in denen die Steuern nicht dem Staat zufließen, sondern privaten beziehungsweise privatwirtschaftlich organisierten Zusammenschlüssen. Dazu zählt die sogenannte Rennwett- oder Totalisatorsteuer, die qua „vorkonstitutionellem Recht" an die Pferderennvereine abgeführt beziehungsweise von diesen einbehalten wird.

Herrschende Praxis ist zurzeit, dass die Steuereinnahmen aus den vereinnahmten Totalisatorsteuern nach Abzug einer Verwaltungsgebühr vollständig an die Pferderennvereine ausgeschüttet werden. Rechtsgrundlage ist dafür das Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) vom 8. April 1922, zuletzt geändert am 31. Oktober 2006. Diesem wiederum liegt das Reichssteuergesetz (Börsensteuergesetz) vom 3. Juni 1906 zugrunde, ergänzt durch ein Gesetz im Anhang, betreffend die Wetten bei öffentlich veranstalteten Pferderennen (Totalisatorgesetz) vom 4. Juli 1905 nebst Ausführungsbestimmungen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Das Aufkommen aus der Totalisatorsteuer dient nach dem Wortlaut des Rennwettund Lotteriegesetzes vom 8. April 1922 der Finanzierung der öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde. Leistungsprüfungen für Pferde sind ein wesentlicher Bestandteil der Pferdezucht. Die Totalisatorsteuer wird in dem Bundesland erhoben, in dem der Verein, der den Totalisator betreibt, den Ort seiner Leitung hat.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Stellen die oben angegebenen Gesetze die rechtlichen Grundlagen für die gegenwärtige Praxis bei der Totalisatorsteuer in Hamburg dar?

Wenn nein, was fehlt?

Die rechtliche Grundlage für die Totalisatorsteuer ist das Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) vom 8. April 1922, zuletzt geändert am 31. Oktober 2006. Es geht im Wesentlichen auf das Reichsstempelgesetz von 1913 (Tarifnummer 5) und auf das Gesetz betreffend die Wetten bei öffentlich veranstalteten Pferderennen vom 4. Juli 1905 (Totalisatorgesetz) zurück und gilt über die Artikel 123 und 125 Grundgesetz als Bundesrecht weiter. Die Erstattung an die Rennvereine, die einen Totalisator betreiben, erfolgt über § 16 RennwLottG.

2. Wie hoch waren die Totalisatoreinnahmen, die seit 2005 erzielt worden sind? Bitte nach den einzelnen Jahren aufführen.

3. Wie hoch waren die Einnahmen, die daraus die Freie und Hansestadt Hamburg für sich reklamieren konnte? Die Rennvereine haben die erhaltenen Beträge dann zu Zwecken der öffentlichen Leistungsprüfung für Pferde zu verwenden.

Totalisatoreinnahmen (Wetteinsätze) werden gemäß § 10 RennwLottG mit einem Steuersatz von 16 2/3 Prozent belegt. Eine Aussage über die Höhe der Totalisatoreinnahmen ist demnach vonseiten des Senats nur durch eine Hochrechnung des Totalisatorsteueraufkommens möglich. Bitte nach Jahren und Vereinen, Verbänden et cetera aufführen.

In den letzten fünf Jahren haben der Hamburger Renn-Club e.V. und der Hamburger Trab-Zentrum e.V. sowie seit 2007 der Win Race Rennverein e.V. Totalisatorsteuern erhalten.

5. § 1 RennwLottG regelt, dass die Erlaubnis zur Unterhaltung eines Totalisators „nur solchen Vereinen erteilt werden (darf), welche die Sicherheit bieten, dass sie die Einnahmen ausschließlich zum Besten der Landespferdezucht verwenden." Ist bei den Vereinen, die in den Genuss von Einnahmen aus dem Totalisator kommen, in jedem Einzelfall garantiert, dass diese „ausschließlich zum Besten der Landespferdezucht" Verwendung finden, also ja wohl für die Pferdezucht eingesetzt werden?

Wenn ja, welche dieser Vereine betreiben Pferdezucht in welcher Dimension?

Wenn nein, warum nicht?

In Hamburg betreibt keiner der Vereine eine Pferdezucht. Die in Hamburg zugelassenen Rennvereine führen jedoch Leistungsprüfungen für Pferde nach dem Tierzuchtgesetz durch (dazu siehe Vorbemerkung). Die Verwendung von Einnahmen aus dem Totalisator zum Besten der Landespferdezucht ist der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) nachzuweisen. Im Übrigen siehe Antwort zu 7.

6. Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Pferdezucht in Hamburg heutzutage?

Die wirtschaftliche Bedeutung der Pferdezucht für Hamburg ergibt sich insbesondere aus der Durchführung von Leistungsprüfungen wie dem Deutschen Derby (Galopp, Springen und Dressur) sowie dem Großen Preis von Deutschland. Sie genießen ein hohes Ansehen und wirken sich wie andere große Veranstaltungen positiv für den Wirtschaftsstandort Hamburg aus. Die Durchführung der Leistungsprüfungen in Hamburg dient der Stärkung der Deutschen Pferdezucht insgesamt und ist somit von überregionaler Bedeutung.

7. Wird die Zweckbindung und die Verwendung der TotalisatorsteuerRückflüsse an die Vereine überwacht und kontrolliert?

Wenn ja, durch wen, in welchem Rhythmus und mit welchen Ergebnissen in den letzten fünf Jahren?

Wenn nein, warum nicht?

In Hamburg werden Totalisatorerlaubnisse jährlich befristet erteilt. Voraussetzung für die Neuerteilung ist die Vorlage eines Geschäftsberichts, der eine genaue Übersicht über die Verwendung der Einnahmen für die Rennpreise und für sonstige der Pferdezucht unmittelbar dienende Zwecke enthalten muss. Darüber hinaus muss sich aus dem Geschäftsbericht ergeben, dass die Einnahmen ausschließlich zum Besten der Landespferdezucht tatsächlich verwendet worden sind (§ 2 Absatz 2 RennwLottGABest). Der Jahresabschluss muss einen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und des Jahresabschlusses bestätigenden Vermerk eines Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters enthalten (Auflage). Darüber hinaus werden die Abschlüsse und Voranschläge durch den Betriebswirtschaftlichen Prüf- und Beratungsdienst der BWVI vor Erteilung der Totalisatorerlaubnis geprüft. Es haben sich in den letzten fünf Jahren keine Beanstandungen hinsichtlich der Verwendung ergeben.

8. Für welche anderen Bereiche als die Pferdezucht werden die Einnahmen aus der Totalisatorsteuer (abgesehen von den geringen Verwaltungsabzügen) heutzutage gegebenenfalls eingesetzt?

Wenn ja, wofür und auf welcher Rechtsgrundlage?

Keine. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Antworten zu 2. und 3. sowie zu 5.

9. Grundsätzlich steht die Rennwett- und Lotteriesteuer den Bundesländern zu. Ist die (nahezu) vollständige Auskehr der Totalisatorsteuer an die Rennvereine in den vergangenen Jahrzehnten hinterfragt worden?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht, lässt der Gesetzestext doch Handlungsspielräume zugunsten von Steuereinnahmen für die Bundesländer zu?

§ 16 RennwLottG sieht vor, dass die Rennvereine, die einen Totalisator betreiben, bis zu 96 Prozent des Aufkommens aus der Totalisatorsteuer erhalten. Diese Formulierung spiegelt einen Ermessensspielraum der Länder wieder, den Hamburg durch einen Beschluss der Bürgerschaft zum Haushaltsplan-Entwurf für die Haushaltsjahre 2009 und 2010 und den Finanzplan 2008 bis 2012 auf die maximale Höhe von 96 Prozent festgelegt hat.

10. Bei einer Ausschussdebatte wurde darauf verwiesen, dass es sich bei der Totalisatorsteuer um „vorkonstitutionelles Recht" handele. Tatsächlich geht das Rennwett- und Lotteriegesetz auf die Weimarer Republik, das Reichssteuergesetz mit dem oben angegebenen Anhang sogar auf die Zeiten der kaiserlichen Monarchie zurück. Bekanntlich spielte damals, vor allem unter dem ehernen Zepter von Kaiser Wilhelm II., das Pferd (zum Beispiel an der Front) noch eine bedeutende Rolle, was heute sicher nicht mehr der Fall ist. Warum also ergreift der Hamburger Senat keine Initiative (zum Beispiel auf Bundesratsebene oder über eine angeschobene politische Diskussion), die Einnahmen aus den Totalisatoren komplett für die Stadt zu vereinnahmen?

Der Senat hat sich hiermit nicht befasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 9.

11. Welche sich auf die Steuererhebung und den Haushalt auswirkenden „vorkonstitutionellen Rechte" gibt es gegenwärtig in der Freien und Hansestadt Hamburg noch?

Hinsichtlich der Steuer-Ertragshoheit der FHH für Landes-, Gemeinde- und Gemeinschaftssteuern gibt es über das Rennwett- und Lotteriegesetz hinaus keine vorkonstitutionellen Rechte, die sich auf die Steuererhebung der FHH auswirken.

12. Teilt der Senat meine Auffassung, dass „vorkonstitutionelles Recht" unter den Bedingungen des seit 1949 gültigen Grundgesetzes und der Hamburgischen Landesverfassung jederzeit ersetzt beziehungsweise novelliert werden kann?

Wenn nein, warum nicht?

Grundsätzlich kann vorkonstitutionelles Recht jederzeit ersetzt beziehungsweise novelliert werden.