Neue Mitte Altona ­ Planungsgewinne für die Stadt abschöpfen, statt zusätzliche Gelder an die Investoren/-innen zu zahlen

Im Dezember 2007 hat der Senat vorbereitende Untersuchungen zur „Mitte Altona" für das aufgegebene beziehungsweise aufzugebende Bahngelände in Altona eingeleitet. Grundlage für die vorbereitenden Untersuchungen sind §§ 165 folgende Baugesetzbuch (BauGB). Auf der Homepage der BSU ist zu lesen: „... Ziel der Vorbereitenden Untersuchungen ist dabei die Prüfung, ob die rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen gegeben sind, um eine sog. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme zu beschließen. Die Festlegung einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dient der zügigen und koordinierten Entwicklung und Umsetzung bei großen Stadtentwicklungsvorhaben.

Gleichzeitig sind Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen das „schärfste Schwert" des Planungsrechts, weil sie der Stadt weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in Eigentumsrechte ermöglicht, um die zügige und koordinierte Umsetzung großer Projekte zu gewährleisten." Nach dem Gesetzestext in § 165, Absatz 3, Nummer 2 BauGB ist eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme unter anderem dann möglich, „... wenn das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordert, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarf- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen."

In den Bürgerforen, -dialogen und Workshops zur „Mitte Altona" gab es von den Behörden-/Senatsvertretern/-innen Aussagen, die darauf schließen lassen, dass die Stadt das Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nicht für die Möglichkeit nutzen will, den Planungsgewinn und die Bodenwertsteigerungen in vollem Umfang abzuschöpfen. So entstand zum Beispiel der Eindruck, dass die Freie und Hansestadt Hamburg den aktuellen Bodenwert höher ansetzt, als er real ist. Dadurch würde die Steigerung des Bodenwerts geringer gerechnet. Nach dem Bürgerforum am 15.09.2011 fragten die Medien, ob die Investoren/-innen 181 Millionen Euro Gewinn machen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Vorbereitende Untersuchungen nach § 165 Absatz 4 Baugesetzbuch (BauGB) dienen dazu, Beurteilungsgrundlagen über die Festlegung einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zu gewinnen, somit der Analyse der Ausgangslage sowie dem Ausblick auf mögliche Entwicklungsperspektiven von Konversionsflächen. Konversionsflächen sind Flächen, auf denen die bisherige Nutzung aufgegeben wird. Dabei ist nach § 165 Absatz 3 Nummer 3 BauGB zunächst zu prüfen, ob die mit der angestrebten Entwicklungsmaßnahme angestrebten Ziele und Zwecke durch städtebauliche Verträge (sogenannte Abwendungsvereinbarungen) erreicht werden können.

Das in der Vorbemerkung der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 20/1618 wiedergegebene Zitat ist unvollständig. Das vollständige Zitat (http://www.hamburg.de/vorbereitende-untersuchungen/2338424/vorbereitende-untersuchungen.html) lautet: „Ziel der Vorbereitenden Untersuchungen ist dabei die Prüfung, ob die rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen gegeben sind, um eine sog. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme zu beschließen. Die Festlegung einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dient der zügigen und koordinierten Entwicklung und Umsetzung bei großen Stadtentwicklungsvorhaben. Gleichzeitig sind Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen das „schärfste Schwert" des Planungsrechts, weil sie der Stadt weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in Eigentumsrechte ermöglicht, um die zügige und koordinierte Umsetzung großer Projekte zu gewährleisten. Jedoch sind mit der Festlegung Städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen auch sehr hohe Finanzierungs- und Umsetzungsrisiken für die öffentliche Hand verbunden. Insofern sollen die Vorbereitenden Untersuchungen für die „Mitte Altona" unter anderem feststellen, ob entsprechende Planungen nur mit den Instrumenten der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme umgesetzt werden können, oder ob eine Umsetzung nicht auch durch eine Kooperation mit den Grundeigentümern und den „gängigen" Planungsinstrumenten wie Bebauungsplänen, städtebaulichen Verträge usw. möglich ist."

Auch nach einer möglichen Festlegung eines Gebiets als Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach Abschluss der Vorbereitenden Untersuchungen nach § 165 Absatz 4 BauGB ist die Gemeinde nach dem BauGB gehalten, möglichst städtebauliche Verträge mit den Eigentümern zu schließen (§ 166 Absatz 3 Nummer 2 BauGB).

Insofern gibt das BauGB einer Verhandlungslösung und Umsetzung der städtischen Ziele durch die Eigentümer den Vorrang.

Die Stadt kann im Rahmen der Vorbereitenden Untersuchungen nach § 165 Absatz 4 BauGB (und auch anderer Planverfahren) keine Gewinnabschöpfung betreiben, die bei der Entwicklung, der Errichtung oder dem Verkauf von Immobilien entstehen. Für die Kostenbeteiligung der Grundeigentümer ist die Stadt im Rahmen der Vorbereitenden Untersuchungen nach § 165 Absatz 4 BauGB an eine Differenzbetrachtung gebunden. In einer bestimmten Fallkonstellation würde ein Ausgleichsbeitrag nach § 169 BauGB fällig werden. Dies wäre der Fall, wenn der Senat nach der Durchführung der Vorbereitenden Untersuchungen nach § 165 Absatz 4 BauGB eine förmliche Festlegung als Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beschließen würde. Der Ausgleichsbetrag, der von den Grundeigentümern dann zu zahlen wäre, dient zur Finanzierung der Kosten, die der Stadt für die Herrichtung und Entwicklung der Flächen für die neue Nutzung entsteht. Dieser Ausgleichsbetrag ermittelt sich aus dem Anfangswert (das heißt Wert der Grundstücke, wenn eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme weder durchgeführt würde noch zu erwarten wäre) und dem Endwert (Wert der Grundstücke aufgrund der Auswirkungen der Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme, hier insbesondere unter Berücksichtigung der Konkretisierung der Planung und der Beschleunigung und größeren Sicherheit der Realisierung), jeweils bezogen auf denselben Stichtag der Ermittlung.

Bodenrichtwerte sind keine Grundstückswerte. Bodenrichtwerte geben den Bodenwert eines unbebauten Grundstücks in einer bestimmten Lage mit einer nach Art und Maß definierten Nutzung an, aber sie berücksichtigen nicht:

- abweichende rechtliche Festsetzungen zu Art und Maß der Nutzung,

- das Risiko und die Wartezeit, ob und wann die Nutzung realisiert werden kann (Grad der Bauerwartung),

- ausstehende oder zu erwartende Erschließungs- und Sielbaubeiträge sowie Kostenerstattungsbeträge und Infrastrukturkostenbeiträge,

- Altlasten, besondere Gründungserschwernisse, Überflutungsgefahr et cetera,

- Gebäude, sonstige bauliche Anlagen und Aufwuchs,

- sonstige öffentlich-rechtliche Belastungen wie Baulasten, Denkmalschutz,

- privatrechtliche Bindungen und Belastungen.

Diese Grundstücksmerkmale werden erst im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte berücksichtigt. Der Gutachterausschuss ist ein selbständiges und unabhängiges Kollegialgremium. Der Vorsitzende und die weiteren ehrenamtlichen Gutachter werden durch den Senat bestellt. Sie verfügen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit über besondere Sachkunde und Erfahrung auf dem Gebiet der Grundstückswertermittlung.

Daher wurden Wertgutachten über die Grundstücke südlich der Stresemannstraße (Bauabschnitte I und II) in Auftrag gegeben. Grundlage für die Entscheidungsfindung sind die Gutachten des Gutachterausschusses. Der durch einen Bürger im Rahmen der Bürgerbeteiligung „Mitte Altona" genannte Betrag von 181 Millionen Euro als Gewinn von Investoren konnte weder rechnerisch noch inhaltlich nachvollzogen werden.

Im Übrigen ist die Höhe des Gewinns nach Investitionen offen. Es gibt für das Gebiet weder einen Bebauungsplan noch einen Masterplan.

Nach der Annahme des Bürgers würden in dem Gebiet nur Eigentumswohnungen gebaut werden. Ziel des Senats ist es jedoch, den geförderten Mietwohnungsbau mit Mietpreis- und Belegungsbindungen für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen zu stärken. Gemäß den Festlegungen im Arbeitsprogramm des Senats und dem Vertrag für Hamburg ­ Wohnungsbau soll deshalb auch in dem Gebiet des Masterplans ein Anteil geförderter Mietwohnungsbau beziehungsweise Wohnungen für Baugemeinschaften errichtet werden. Angestrebt werden soll eine Verteilung von jeweils einem Drittel Wohneinheiten im geförderten, im bezahlbaren und frei finanzierten Wohnungsbau (das Arbeitsprogramm und der Vertrag für Hamburg stehen unter www.hamburg.de, Registerkarte Stadt und Staat, als Downloads zur Verfügung).

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Weshalb verfolgt der Senat nicht das Ziel, für das Areal „Mitte Altona" eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach § 165 folgende BauGB durchzuführen?

Siehe Vorbemerkung. Erst wenn Ziele und Zwecke durch städtebauliche Verträge mit den Eigentümern nicht realisiert werden können, liegen die rechtlichen Voraussetzungen für eine förmliche Festlegung als Entwicklungsbereich vor.

2. Wird es in den sogenannten Abwendungsverträgen (OD Walter am 15.09.2011 auf dem Bürgerforum Altona) Vereinbarungen geben, die die Grundstückseigentümer/-innen verpflichten,

a. Flächen für geförderten Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen?

Falls ja, in welcher Größenordnung, falls nein: weshalb nicht?

b. preisgünstige Flächen für die heute schon auf dem Areal vorhandenen kleinen Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe zur Verfügung zu stellen?

Falls ja, in welcher Größenordnung, falls nein: weshalb nicht?

c. die Folgekosten für notwendige Infrastrukturmaßnahmen ganz oder teilweise zu tragen?

Falls ja: in welcher Größenordnung, falls nein: weshalb nicht?

Es werden aktuell Verhandlungen mit einem Teil der Eigentümer der Flächen südlich der Stresemannstraße geführt. Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

3. Welche anderen Vereinbarungen sollen in den „Abwendungsverträgen" getroffen werden

a. zulasten der Freien und Hansestadt Hamburg

b. zulasten der Grundeigentümer/-innen, die von den Bodenwertsteigerungen profitieren?

Folgende Themen werden im Rahmen der Verhandlungen über Abwendungsvereinbarungen besprochen werden: