Menschen in Hamburg ohne Energieversorgung im Haushalt (III) ­ Entwicklung seit Mai 2011

Nach wie vor gibt es kein Verbot von Energiesperren in Haushalten in Hamburg. Das Grundrecht auf Energieversorgung ist nicht gewährleistet, obwohl es in Artikel 3 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt heißt: „Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht, einschließlich Maßnahmen zur Vermeidung eines Ausschlusses von der Versorgung". Gerät ein/-e Stromkunde/-in in Zahlungsrückstand, darf der Energieversorger nach der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) nach entsprechender Mahnung eine Stromsperre androhen. Zahlt der/die Kunde/-in hierauf nicht, kann unter weiteren Voraussetzungen nach nochmaliger Ankündigung der Strom tatsächlich abgeschaltet werden. Für die Fernwärme ist Ähnliches im § 33 (2) der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) geregelt. Auch für die Gasversorgung gilt grundsätzlich Ähnliches.

Droht Empfängern von Grundsicherung oder Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) oder Empfängern von Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen Stromschulden die Sperrung der Stromversorgung, kann eine mit der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage vorliegen, sodass die entsprechenden Energieschulden darlehensweise übernommen werden können.

Nach den einschlägigen Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit „Fachliche Hinweise zu § 42a SGB II ­ Weisung" ist nicht näher geregelt, wie das entsprechende Ermessen bei der Übernahme von Stromschulden nach dem SGB II ausgeübt werden soll.

Seit dem 19. Mai 2009 hat die Freie und Hansestadt Hamburg mit der HAMBURG ENERGIE GmbH, einem Unternehmen vom staatlichen HAMBURG WASSER, einen kommunalen Energieversorger auf den Gebieten Strom und Gas.

Mit der Drs. 20/557 wurde letztmalig Aufschluss darüber gegeben, wie sich die Verhältnisse in Hamburg auf diesem sozial- und energiepolitisch relevanten Themengebiet darstellen. Zwischenzeitlich hat ein Volksbegehren zum Bereich der Konzessionsverlängerungen bei den Versorgungsnetzen eine Mehrheit für die Übernahme der Netze gebracht, welches auch mit sozialen Belangen argumentierte. Es ist Zeit für die Fortschreibung der Erhebungen, die in der 19. WP begannen und die Praktiken der Versorger auch für die interessierte Öffentlichkeit nachverfolgbar machen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Vattenfall Europe AG (Vattenfall), der E.ON Hanse Wärme GmbH (E.ON Hanse), der Hamburg Netz GmbH sowie von HAMBURG ENERGIE wie folgt:

1. Wie viele Haushaltskunden/-innen im Strom-, Fernwärme- und Gasbereich sind in Hamburg seit Mai 2011 von einer Sperrung der Energieversorgung betroffen gewesen (bitte für die einzelnen Energieträger getrennt aufführen)?

Für den Gasbereich waren in diesem Zeitraum 218 Haushaltskunden betroffen. Für den Strombereich von Januar bis September 2011 5.449. Nach Auskunft von Vattenfall sei eine Aufteilung nach Monaten nicht möglich. Dabei erfolgte die Sperrung gemäß § 24 Absatz 3 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Netzbetreibers im Auftrag des Stromlieferanten. Eine Sperrung werde nur dann durchgeführt, wenn die jeweiligen Vertriebe der Stromlieferanten den Netzbetreiber damit beauftragten.

Gemäß Auskunft von E.ON Hanse waren bei der Fernwärme zwei Haushaltskunden von einer Unterbrechung betroffen. Nach Angaben von Vattenfall waren seit Mai 2011 im Bereich Fernwärme fünf Anlagen von einer Sperrung betroffen, wobei drei dieser Sperrungen ohne Auswirkungen für den Kunden waren und nur wenige Stunden andauerten.

2. Wie viele Fälle von Zahlungsverzug und Mahnverfahren gab es seit 01.01.2009 bis heute bei Strom-, Gas- und Fernwärmerechnungen in Hamburg (bitte für die einzelnen Energieträger und nach Jahren getrennt aufführen)?

Für den Strom- und Gasbereich sind zu dieser Frage nicht die Netzbetreiber auskunftsfähig, die die Energie lediglich transportieren, sondern die Energielieferanten.

Die zuständige Behörde führt keine Statistiken über die in Hamburg aktiven Energieanbieter. Siehe hierzu auch Drs. 20/712. Wie das Verbraucherportal Verivox verdeutlicht, kann der Kunde zwischen einer Vielzahl von Stromanbietern der insgesamt circa 900 Anbieter im Bundesgebiet wählen. Auch wenn auf dem Gasmarkt die Anzahl der Anbieter geringer ist als beim Strom, eröffnet sich auch hier für die Kunden die Möglichkeit der Auswahl zwischen einer Vielzahl von Anbietern (zum Beispiel http://www.verivox.de/power/carriers.aspx für Strom, http://www.verivox.de/gas/carriers.aspx für Gas). Es ist der zuständigen Behörde bei dieser Ausgangslage nicht möglich, hierzu Daten zu liefern.

Gemäß Auskunft der E.

3. Wie hat sich die Zahl der Zahlungsverzüge, Mahnverfahren, Strom- und Gas- sowie Fernwärmesperren in Hamburg in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte für die einzelnen Energieträger und Jahre getrennt aufführen)?

Zum Strom- und Gasbereich siehe Antwort zu 2.

Gemäß Auskunft der E.ON Hanse Wärme GmbH ist für den Fernwärmebereich der Gesellschaft eine Auskunft nicht möglich, weil das Unternehmen die Kunden erst zum 1. Januar 2009 übernommen hat.

Für den Fernwärmebereich von Vattenfall siehe Antwort zu 2.

4. Wie ist die aktuelle Vorgehensweise der jeweiligen stadteigenen Energieversorger in Hamburg gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Energieschulden aufgehäuft haben (bitte für die einzelnen Energieträger getrennt aufführen)? HAMBURG ENERGIE (HE) hat sowohl für Strom als auch für Gas ein identisches Vorgehen. Bei Kunden von HE wird ein zweistufiger Mahnprozess durchgeführt. Nach erfolgloser erster Mahnung wird die zweite Mahnung mit der Kündigungsandrohung ausgesprochen. Verstreicht auch diese Frist für die Bezahlung der offenen Positionen wird der Energieliefervertrag gekündigt, eine Abmeldung beim Netzbetreiber durchgeführt und die Schlussrechnung erstellt. Hat der Kunde zum Abmeldedatum keinen neuen Energielieferanten, fällt er in die sogenannte Grundversorgung beim zuständigen Grundversorger. Ein Sperrprozess wird seitens HE nicht initiiert.

5. In welchem Zeitpunkt werden Forderungen der jeweiligen stadteigenen Energieversorger in Hamburg an Inkassobüros abgetreten (bitte für die einzelnen Energieträger getrennt aufführen)?

Nach Erstellung der Schlussrechnung wird auch diese in den Mahnprozess überführt.

Ist dieser erfolglos, so werden die Forderungen an ein Inkassounternehmen zur Weiterverfolgung weitergereicht.

6. Wie hoch werden die Einnahmeausfälle bei den jeweiligen stadteigenen Energieversorgern in Hamburg durch nicht bezahlte Rechnungen seit dem 01.01.2009 bis heute beziffert beziehungsweise geschätzt (bitte für die einzelnen Energieträger und nach Jahren getrennt aufführen)?

Mit steigender Kundenzahl nehmen auch die im Mahnprozess befindlichen Kunden zu. Die damit verbundenen ausstehenden Forderungen liegen auch bei HE wie im Branchenschnitt im Haushaltskundenbereich bei unterhalb von 1 Prozent des Gesamtumsatzes.

7. Unter welchen Bedingungen werden in Hamburg erfolgte Strom-, Gasund Fernwärmesperren wieder aufgehoben (bitte für die einzelnen Energieträger getrennt aufführen)?

Gemäß § 24 NAV (Strombereich) beziehungsweise § 24 der Niederdruckanschlussverordnung (Gasbereich) hat der Netzbetreiber die Unterbrechung des Netzanschlusses und der Anschlussnutzung unverzüglich aufzuheben, sobald die Gründe für die Unterbrechung entfallen sind und der Anschlussnehmer oder -nutzer oder im Falle des Absatzes 3 der Lieferant oder der Anschlussnutzer die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung des Anschlusses und der Anschlussnutzung ersetzt hat. Die Unterbrechung und Wiederaufnahme bei der Fernwärme ist in § 33 der FernwärmeAVB geregelt. Nach Absatz 3 der Bestimmung hat das Fernwärmeversorgungsunternehmen die Versorgung unverzüglich wieder aufzunehmen, sobald die Gründe für ihre Einstellung entfallen sind und der Kunde die Kosten der Einstellung und Wiederaufnahme der Versorgung ersetzt hat. Gemäß Auskunft der E.ON Hanse Wärme GmbH wird eine bei der Fernwärme durchgeführte Sperre nach vollständigem Ausgleich der offenen Forderung beseitigt; außerdem sind von dem Kunden die Gebühren gemäß der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme zu entrichten.