Privatisierung der Flächen rund um den Hauptbahnhof

Der City-Ausschuss des Bezirksamts Mitte hat auf Vorlage von Bezirksamtschef Schreiber einer Vorlage zugestimmt, nach der der Deutschen Bahn (DB) für Flächen rund um den Hauptbahnhof und für den Tunnel Mönckebergstraße eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden soll. Zweck dieser Sondernutzung soll es sein, die Durchsetzung des Hausrechts der Bahn auf öffentlichen Flächen zu ermöglichen. Damit wird eine rechtliche Handhabe gegen Personen geschaffen, die von den privaten Sicherheitsdiensten der DB als „störend" klassifiziert werden. Das Bezirksamt Mitte begründet diese Maßnahme unter anderem mit positiven Wirkungen auf „das Bild, das sich zahlreichen Touristen dieser Stadt präsentiert".

Ich frage den Senat:

Der Senat legt eingangs Wert auf die Feststellung, dass es sich bei den in Rede stehenden Überlegungen nicht um eine „Privatisierung der Flächen rund um den Hauptbahnhof" handelt, sondern darum, eine öffentliche Fläche gegebenenfalls per Sondernutzung im Sinne des § 19 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) zur Nutzung zu überlassen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Für welche konkreten Flächen soll der DB ein Sondernutzungsrecht eingeräumt werden?

Es handelt sich um die überdachten Flächen am Hachmannplatz und den Fußgängertunnel zur Mönckebergstraße, siehe Drs. 20/1753.

2. Sind hiermit für die Stadt regelmäßige oder einmalige Kosten beziehungsweise Einnahmen verbunden?

Die Erhebung einer Sondernutzungsgebühr ist nicht geplant, weil ein öffentliches Interesse besteht. Etwaige Kosten sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht bezifferbar. Im Übrigen siehe Drs. 20/1753.

3. Warum soll diese Maßnahme drei Monate erprobt werden und was sind die messbaren Kriterien für einen Erfolg beziehungsweise Misserfolg der Maßnahme?

Die Maßnahme soll nach angemessener Zeit evaluiert werden (siehe Drs. 20/1753).

Die Überlegungen zu den Kriterien sind noch nicht abgeschlossen.

4. Werden zusätzliche Sozialarbeiter/-innen rund um den Hauptbahnhof eingesetzt?

Wenn ja,

a. in welchen Umfang

b. bei welchem Träger sollen diese Stellen angesiedelt werden

c. in welcher Höhe und von wem werden zusätzliche Mittel dafür bereitgestellt?

Die entsprechenden Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.

5. Nach Presseberichten sind neben dem Bezirksamt Mitte die DB, Hochbahn, Polizei, Bundespolizei, Innenbehörde, Sozialbehörde und Gesundheitsbehörde an der Vorbereitung der Übertragung des Sondernutzungsrechtes an die DB beteiligt. Warum sind keine Institutionen an der Vorbereitung beteiligt, die direkte soziale Hilfen am Hauptbahnhof leisten?

An der Vorbereitung hat unter anderem das Fachamt Sozialraummanagement des Bezirksamts Hamburg-Mitte mitgewirkt, das die Sichtweise der Träger vertritt. Ein Gespräch mit den sozialen Einrichtungen, den Fachbehörden und dem Fachamt Sozialraummanagement des Bezirksamts Hamburg-Mitte ist in Vorbereitung.

6. Welche öffentlichen Flächen in der Innenstadt sind nach Auffassung des Senats besser geeignet für den Aufenthalt von Obdachlosen, die vom Hauptbahnhof weggewiesen werden?

Der Senat hat sich mit dieser Frage bisher nicht befasst. Im Übrigen sollen Obdachlose nicht „weggewiesen", sondern an die sozialen Hilfsangebote verwiesen werden.

7. Aufgrund welcher konkreten Rechtsgrundlage kann die mit einem Sondernutzungsrecht ausgestattete DB zukünftig Menschen von den öffentlichen Flächen am Hauptbahnhof verweisen, die keine Ordnungswidrigkeiten begangen haben?

Die Erteilung einer Erlaubnis zur Sondernutzung öffentlicher Wege gemäß § 19 Absatz 1 Hamburgisches Wegegesetz berechtigt die Adressaten der Erlaubnis, die öffentlichen Wege im Rahmen des Genehmigungszwecks zu nutzen. Hierzu kann auch der Ausschluss anderer vom Gemeingebrauch an öffentlichen Wegen gehören. Die Sondernutzungserlaubnis umfasst regelmäßig auch die Befugnis ihres Inhabers, Störungen oder Beeinträchtigungen ihres Sondernutzungsrechts abzuwehren. Im Übrigen siehe Drs. 20/1753.

8. Dürfen nach Auffassung des Senats die privaten Sicherheitsdienste der DB das zukünftig geltende Hausrecht der DB auf diesen Flächen auch physisch durchsetzen?

Wenn nein, welche anderen Sicherheitskräfte sind nach Auffassung des Senats dann dazu befugt und gibt es hierzu schon konkrete Absprachen?

Durch die Sondernutzungserlaubnis für öffentliche Wege wird kein „Hausrecht" begründet (siehe Drs. 20/1753). Eine physische Durchsetzung der Berechtigung aufgrund der Sondernutzungserlaubnis seitens der Erlaubnisinhaber ist auf Fälle beschränkt, die sich als gegenwärtiger rechtswidriger Angriff insbesondere gegen Personen oder Sachen darstellen. Im Übrigen obliegt die Durchsetzung von Rechten, die nach Maßgabe einer Sondernutzungserlaubnis an öffentlich gewidmeten Wegen eingeräumt werden, der Wegeaufsichtsbehörde und ihren Dienstkräften. Subsidiär ist auch die Polizei zur Anwendung von Zwang befugt.

9. Hat der Senat im Zuge der rechtlichen Vorbereitung dieser Maßnahme das sogenannte Fraport-Urteil (Urteil des Ersten Senats ­ 1 BvR 699/06) des Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2011 geprüft und zu welchem Ergebnis hat diese Prüfung geführt?

Ja, die Prüfung ist durch die zuständige Behörde erfolgt. Die sogenannte FraportEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2011 (1 BvR 699/06) betrifft die Frage, ob ein generelles Verbot von Versammlungen im öffentlich zugänglichen Bereich von Einrichtungen, die von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen betrieben werden (in dem Fall: Flughafengebäude), mit den Grundrechten vereinbar ist.

Die geplante Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für bestimmte öffentliche Wegeflächen im Vorfeld des Hauptbahnhofs führt nicht zu einem generellen Verbot, Grundrechte auf diesen Flächen wahrzunehmen. Vielmehr soll sie dazu dienen, dass alle Nutzer des Hauptbahnhofs von ihren Grundrechten (hier insbesondere von ihrer Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz) Gebrauch machen können, indem die Zugänglichkeit des Hauptbahnhofs für alle Nutzer und Passanten gewahrt bleibt.