Welches Ziel und welche Hintergründe hat die Strafverfolgung des renommierten Rechtsanwalts Andreas Beuth durch die Staatsanwaltschaft Hamburg?
Betreff: Welches Ziel und welche Hintergründe hat die Strafverfolgung des renommierten Rechtsanwalts Andreas Beuth durch die Staatsanwaltschaft Hamburg?
Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt ein Strafverfahren gegen den in politischen Strafsachen renommierten Rechtsanwalt Andreas Beuth. Rechtsanwalt Beuth hatte in einem gegen seinen Mandanten geführten Strafverfahren einen Signalgeberhalter, wie er im Segel- und Bergsport verwendet wird, ohne Abschusshalterung und ohne Leuchtkugeln als Verteidigungsmittel vor Gericht präsentiert. Den Signalgeberhalter hatte der Rechtsanwalt in seinem verschlossenen Aktenkoffer in das Gericht gebracht und bereits am ersten Verhandlungstag im Gerichtssaal präsentiert, um Zeugen der Polizei zu dem orangenen Plastikgerät zu befragen. Das Mitführen und die Präsentation des Signalgeberhalters als Verteidigungsmittel wurde an diesem Tag weder vom Gericht noch von Staatsanwalt Todt moniert beziehungsweise strafrechtlich verfolgt. Am zweiten Verhandlungstag hingegen ließ Staatsanwalt Todt gegen Ende der Verhandlung, nachdem er Rechtsanwalt Beuth gefragt hatte, ob dieser einen Kleinen Waffenschein besitze, demonstrativ den Signalgeberhalter beschlagnahmen und leitete ein Strafverfahren gegen den Rechtsanwalt ein.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
1. Ist es richtig, dass weder das Gericht noch der Staatsanwalt das Mitführen des Signalgeberhalters in einem verschlossenen Aktenkoffer und die Präsentation des Signalgeberhalters als Verteidigungsmittel im Gerichtssaal durch Rechtsanwalt Beuth während des ersten Verhandlungstages moniert beziehungsweise strafrechtlich verfolgt hat?
Wenn ja, wie bewertet die Justizsenatorin diesen Sachverhalt?
Das Ermittlungsverfahren wurde erst am 18. Oktober 2010, dem zweiten Verhandlungstag, eingeleitet. Die Tatsachen, die für die Annahme eines strafrechtlichen Anfangsverdachts sprachen, bedurften zunächst einer sorgfältigen Prüfung.
Die Senatorin für Justiz und Gleichstellung hat keine Veranlassung, dieses Vorgehen zu beanstanden.
2. Ist es richtig, dass Staatsanwalt Todt während des zweiten Verhandlungstages Rechtsanwalt Beuth gefragt hatte, ob er im Besitz eines Kleinen Waffenschein sei, und nachdem Rechtsanwalt Beuth mitteilte, dass er keinen Kleinen Waffenschein besitze, Staatsanwalt Todt in der Verhandlung ankündigte, ein Strafverfahren gegen den Rechtsanwalt einzuleiten?
Wenn ja, wie bewertet die Justizsenatorin diesen Sachverhalt?
Ob die Frage Gegenstand der Hauptverhandlung war, lässt sich derzeit nicht sicher klären. Weder das Hauptverhandlungsprotokoll noch der Vermerk des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft enthält dazu Aussagen, von dem zuständigen Richter ist urlaubsbedingt keine Auskunft zu erlangen, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hat keine entsprechende Erinnerung.
3. Seit wann und aufgrund welchen Straftatvorwurfs führt welche Abteilung der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Rechtsanwalt Beuth? Soll Rechtsanwalt Beuth vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben? Wann hat Staatsanwalt Todt ein Rechtsgutachten zu Signalgeberhaltern beziehungsweise Signalgeräten bei wem in Auftrag gegeben, und wann lag dieses Rechtsgutachten der Staatsanwaltschaft vor? Welchen Inhalt hat das Rechtsgutachten, welche Kosten sind dafür entstanden und wo wurde es veröffentlicht?
Das Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung des Sitzungsvertreters vom 18. Juni 2010 eingeleitet und im Folgenden in der Allgemeinen Abteilung wegen des Verdachts des fahrlässigen Verstoßes gegen § 52 WaffG bearbeitet.
Nicht der damalige Sitzungsvertreter, sondern der zuständige Sachdezernent ordnete mit Verfügung vom 30. Juni 2010 die Erstellung eines Gutachtens an. Bei dem vom Landeskriminalamt Hamburg erstellten Gutachten vom 7. Juli 2010 handelt es sich um ein kriminaltechnisches Gutachten zum Signalgeber, dem allgemeine Hinweise zum Waffenrecht beigefügt wurden. Aus diesen Hinweisen ergibt sich, dass der untersuchte Signalgeber dem Waffenrecht unterliegt und zum Führen des den Schusswaffen gleichstehenden Gegenstands ein sogenannter Kleiner Waffenschein erforderlich ist.
Von der Polizei gesondert ausgewiesene Kosten sind für das Behördengutachten nicht angefallen. Dieses Gutachten ist Teil der Verfahrensakte.
4. Wie viele und welche Staatsanwälte aus welchen Abteilungen und wie viele Vorgesetzte des Staatsanwalts Todt waren mit dem Verfahren gegen Rechtsanwalt Beuth zu welchen Zeitpunkten befasst?
Das Verfahren wurde vom damaligen Sitzungsvertreter eingeleitet. Danach waren dieser oder sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter für diesen Vorgang nicht mehr zuständig.
Im Rahmen des sich anschließenden Ermittlungsverfahrens waren zu unterschiedlichen Zeiten und im Rahmen der in einem Ermittlungsverfahren üblichen Verfahrensabläufe drei Sachdezernenten, der zuständige Abteilungsleiter, der Hauptabteilungsleiter, dessen Urlaubsvertreterin sowie die Leiter der Staatsanwaltschaften in dem Verfahren tätig. Nach der Gerichtshängigkeit des Vorgangs waren vier Sachdezernenten sowie der zuständige Hauptabteilungsleiter und die Leiter der Staatsanwaltschaften mit dem Verfahren befasst.
5. Ist es richtig, dass das zuständige LKA für Waffendelikte in seinem Schlussvermerk die Auffassung vertritt, dass die „Waffe" von Rechtsanwalt Beuth nicht „geführt" wurde, weil sie im verschlossenen Aktenkoffer zum Zwecke der Verteidigung in das Gericht gebracht wurde?
Ja. Durch die Staatsanwaltschaft und den zuständigen Strafrichter des Amtsgerichts Hamburg, der den Strafbefehl erlassen hat, wurde jedoch eine abweichende rechtliche Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Führens" einer Schusswaffe vorgenommen.
6. Wann wurde gegen Rechtsanwalt Beuth ein Strafbefehl in welcher Höhe in Euro erlassen?
Das Amtsgericht Hamburg hat den beantragten Strafbefehl am 18. Oktober 2010 in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 80 Euro erlassen.
7. Ist es richtig, dass die Verteidigung von Rechtsanwalt Beuth eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153 StPO erreichen wollte?
Wenn ja, warum und aufgrund welcher Weisungen hat die Staatsanwaltschaft der Einstellung des Verfahrens nicht zugestimmt?
Ja. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine folgenlose Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 StPO ab, da der Gesetzesverstoß nicht als geringfügig eingestuft wurde und unter Berücksichtigung der Stellung des Beschuldigten als Organ der Rechtspflege sowie dem Ort des Geschehens (Gerichtssaal) ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht wurde. Hierfür war unter anderem die Bewertung maßgeblich, dass der Beschuldigte, der als Rechtsanwalt anders als alle anderen Besucher des Strafjustizgebäudes bei der Einlasskontrolle nicht durchsucht wird, trotz des besonderen Sicherheitsbedürfnisses im Strafjustizgebäude eine Waffe in einen Gerichtssaal mitgebracht hatte. Dabei bestand für die Mitnahme des Signalgebers zum Zwecke des Vorhalts an die Zeugen aus Sicht der Staatsanwaltschaft keine Veranlassung, da der Rechtsanwalt die Beiziehung des in der Verwahrstelle asservierten Tatobjekts jederzeit hätte beantragen können. Weisungen wurden nicht erteilt.
8. In wie vielen Strafverfahren der Abteilung 71 der Staatsanwaltschaft Hamburg (Staatsschutzabteilung) hat Rechtsanwalt Beuth beziehungsweise das Rechtsanwaltsbüro Beuth seit 2001 Mandantinnen und Mandanten vertreten? Bitte detailliert darlegen.
Die zur Beantwortung der Frage benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich, weil hierfür sämtlich in der Abteilung 71 anhängige Verfahrensakten (mehr als 2.000 im Jahr) händisch ausgewertet werden müssten.
Es wurde jedoch eine Auswertung des Vorgangsbearbeitungs- und Vorgangsverwaltungssystems der Staatsanwaltschaft MESTA vorgenommen, dem sich allerdings keine gültigen und zuverlässigen Daten entnehmen lassen, weil es nicht als Statistikprogramm konzipiert ist. Aufgrund der Löschfristen war diese Auswertung nur für die Aktenzeichenjahrgänge ab dem Jahr 2007 möglich.
Danach trat Rechtsanwalt Beuth beziehungsweise traten zwei weitere Rechtsanwälte, die laut dem Internetauftritt www.anwaltsbuero-beuth.de in diesem Anwaltsbüro tätig sind, in folgender Anzahl von Verfahren, die in der Abteilung 71 geführt werden, als Rechtsanwalt auf:
9. Seit wann hat die Generalstaatsanwaltschaft beziehungsweise der Generalstaatsanwalt Kenntnis von dem Strafverfahren gegen Rechtsanwalt Beuth? Welche Auffassung vertritt die Generalstaatsanwaltschaft beziehungsweise der Generalstaatsanwalt in beziehungsweise zu dem Verfahren gegen Rechtsanwalt Beuth? Wie viele und welche Schreiben hat die Staatsanwaltschaft Hamburg von welchen Berufsverbänden, Organisationen beziehungsweise Vereinigungen in der obigen Angelegenheit wann erhalten? Welche Antworten hat die Generalstaatsanwaltschaft beziehungsweise der Generalstaatsanwalt hierzu gegenüber welchen Berufsverbänden, Organisationen beziehungsweise Vereinigungen wann verfasst? Bitte die wesentlichen inhaltlichen Gesichtspunkte der Schreiben benennen.
Gemäß der Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen hat die Staatsanwaltschaft Hamburg am 7. Oktober 2010 der Generalstaatsanwaltschaft einen Bericht über das Verfahren übersandt. Der Generalstaatsanwalt sah und sieht den Verfahrensabschluss durch Beantragung eines Strafbefehls für vertretbar an.
In der Abteilung 71 werden unter anderem Strafsachen mit politischem Einschlag, Pressestrafsachen und Strafsachen im Zusammenhang mit gewaltverherrlichenden, pornografischen und anderen jugendgefährdenden Schriften geführt.