Studienverzögerung wegen überdurchschnittlichen Engagements

Nach den Erfahrungen des Studentenwerks sind in der Regel diese ausländischen Studierenden mit mindestens vierjährigem Aufenthalt in Hamburg ebenso wie deutsche Studierende sehr gut in der Lage, preiswerten Wohnraum in der Stadt zu finden.

Dennoch können besondere Gründe (z. B. Studienverzögerung wegen überdurchschnittlichen Engagements in der studentischen Selbstverwaltung, Krankheit, Examen) für eine Verlängerung der Wohndauer im Studentenwohnheim sprechen. Die Aufnahme- und Verlängerungsrichtlinien des Studentenwerks bieten für diese Fälle eine Verlängerungsmöglichkeit von bis zu zwei Semestern über die Höchstwohndauer aufgrund einer Einzelfallentscheidung.

Nach den Erfahrungswerten des Studentenwerks werden Anträge auf Verlängerung der Höchstwohndauer nicht überproportional oft von ausländischen Studierenden gestellt. Dies deutet darauf hin, dass keine gruppenspezifischen Gründe für eine generelle Verlängerung der Höchstwohndauer bei ausländischen gegenüber deutschen Wohnheimbewohnern sprechen.

Besondere Situation von wohnungssuchenden ausländischen Studierenden

Die Beschränkung der Höchstwohndauer für ausländische Studierende in den Studentenwohnheimen hat zur Folge, dass sie über den freien Wohnungsmarkt eine neue Unterkunft für die letzten Studiensemester suchen müssen. Aus vielen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte ist bekannt, dass Ausländer im Allgemeinen oft mit Benachteiligungen bei der Wohnungssuche konfrontiert sind.

Der Hamburger Ausländerbeauftragte7) berichtet aus der Beratungspraxis über Benachteiligungen ausländischer Wohnungssuchender auf dem privaten Wohnungsmarkt der Stadt aufgrund von

­ Ängsten der Vermieter über Wertminderungen ihrer Wohnungen,

­ Zuschreibung der schlechten Bausubstanz in den Altbauten den dort wohnenden ausländischen Mietern,

­ Annahme überhöhter Bauerhaltungskosten aufgrund von dichterer Wohnungsbelegung,

­ Vorurteilsbestimmte Bevorzugung deutscher bzw. bestimmter europäischer Mieter durch manche Wohnungsanbieter.

Diese Verhältnisse sind auch im Falle wohnungssuchender ausländischer Studierender wirksam; trotzdem ist aus den Ergebnissen der 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zu entnehmen, dass die Wohnungssuche nicht zu den vordringlichsten Problemen ausländischer Studierender in der Bundesrepublik Deutschland gehört.

Sowohl Studierende aus Industrie- wie die aus Entwicklungsländern bezeichnen das Problemfeld Wohnungssuche/Unterkunft als ein Problem mittlerer Schwierigkeit (zwischen 2,5 und 3 auf einer 5-Punkte-Skala). 8) Ein Vergleich der Wohnwünsche mit der tatsächlichen Wohnform ergibt ein hohes Maß an Übereinstimmung, wie die nachfolgende Tabelle verdeutlicht.9)

Insbesondere ist hervorzuheben, dass Studierenden aus Entwicklungsländern, von denen anzunehmen ist, dass sie am stärksten mit Diskriminierung konfrontiert werden, offenbar zum größten Teil in der Lage sind, ihren Wunsch nach einer eigenen Wohnung zu verwirklichen. „39 % wünschen, für die Dauer ihres Studiums in Deutschland eine Wohnung zu mieten. Realisieren konnten dies fast ebenso viel (37 %). Das bedeutet gegenüber den vor drei Jahren ermittelten Werten eine Verbesserung in der Bilanz von Wunsch und Wirklichkeit. Damals wohnten 31 % der ausländischen Studierenden aus Entwicklungsländern in einer Mietwohnung. Gegenwärtig decken sich die Wohnwünsche und die Wohnsituation der ausländischen Studierenden weit besser als das noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist."10) Ausländische Studierende, insbesondere diejenigen aus Entwicklungsländern, zahlen geringere durchschnittliche Mieten als deutsche Studierende. Im Vergleich der Studierenden aus Entwicklungsländern mit denen aus Industrieländern wohnen erstere im Durchschnitt günstiger und äußern sich zufriedener über ihre Unterkünfte ­ u. a. bzgl. Größe, Angemessenheit der Miete und baulichen Zustand ­ als letztere.

7) Senator a. D. Günter Apel, Ausländerbeauftragter des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg: Erster Bericht an den Senat. Die Arbeit des Ausländerbeauftragten und Vorschläge zur Verbesserung der Integration und Gleichstellung der nichtdeutschen Bevölkerung Hamburgs, Hamburg 1992, S. 30 f.

11) ebenda, S. 52 f. und 61 f. Sollte es im Einzelfall diesbezügliche Schwierigkeitkeit geben, können sie im Zusammenhang mit einem Antrag auf Verlängerung der Höchstwohndauer im Studentenwohnheim Berücksichtigung finden.

3. Berücksichtigung der besonderen Situation behinderter Studierender in den Hamburger Wohnanlagen Behinderungen und gesundheitliche Einschränkungen, die die Wohnungssuche erschweren, werden ausdrücklich zu den Kriterien gerechnet, die eine besondere Härte begründen und infolgedessen eine bevorzugte Aufnahme in den Wohnanlagen des Studentenwerks herbeiführen (§ 1 Absatz 5 Aufnahme- und Verlängerungsrichtlinien).

Im Gegensatz zum Normfall, der auch die ausländischen Studierenden betrifft, sind Verlängerungen der Wohndauer bei behinderten Studierenden nicht auf maximal zwei Semester (bis zu einer Gesamtwohndauer von 10 Semestern) begrenzt, sondern können nach Einzelfallprüfung auch über diesen Zeitraum hinaus gewährt werden, wenn dadurch der Studienabschluss erreicht werden kann (§ 2 Absatz 4 Aufnahme- und Verlängungsrichtlinien).

Angebot an behindertengerechten Wohnheimplätzen

In fünf Wohnanlagen hat das Studentenwerk Hamburg zur Zeit 26 Plätze für behinderte Studierende eingerichtet, die auf besondere technische Einrichtungen oder bauliche Besonderheiten angewiesen sind:

­ Wohnhaus Grindelallee (Grindelallee 76, 20146 Hamburg): 3 behindertenfreundliche Einzelzimmer (Rollstuhlfahrer) mit eigenem Sanitärbereich und Gemeinschaftsküche.

­ Europa- und Georgi-Haus (Kaemmererufer 13-16, 22303 Hamburg): 6 behindertengerechte Plätze (Rollstuhlfahrer) und 4 behindertenfreundliche Plätze jeweils in Zweier-Appartements.

­ Wohnanlage Lokstedt (Emil-Andresen-Str. 34 b und c, 22529 Hamburg): 1 Fünfer-Appartement gehörlosengerecht ausgestattet. Das Verzeichnis des Deutschen Studentenwerks in Bonn12) hebt dieses Hamburger Angebot als bundesweite Besonderheit hervor.

­ Wohnhäuser Harburg (Moorstr. 15, 21073 Hamburg): 6 behindertengerechte Einzelzimmer (Rollstuhlfahrer) mit eigenem Sanitärbereich und Gemeinschaftsküche in zwei Dreier-Appartements.

­ Wohnanlage Allermöhe (Stellbrinkweg 18-30, Hamburg-Neu-Allermöhe): 2 behindertengerechte Einzelzimmer (Rollstuhlfahrer) mit eigenem Sanitärbereich jeweils in einem Vierer-Appartment.

Zur Zeit sind diese besonders ausgestatteten Plätze wegen geringer Nachfrage nicht in vollem Umfang von behinderten Studierenden belegt. Um Leerstand zu vermeiden, werden solche Plätze, die nicht von den eigentlichen Adressaten beansprucht werden, an nichtbehinderte Studierende vermietet, allerdings mit der Verpflichtung, auf einen anderen Wohnplatz umzuziehen für den Fall, dass dieser Platz von einem behinderten Studierenden benötigt wird.

Sollten die angebotenen Plätze in Zukunft nicht ausreichen, wird das Studentenwerk Hamburg im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel erforderliche Um- und Ausbaumaßnahmen vornehmen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch in Hamburger Wohnheimen anderer Träger behindertengerechte Ausstattungen angeboten werden:

­ Das Studentenwohnheim Bugenhagen-Konvikt (Kalckreuthweg 89, 22607 Hamburg) verfügt über 5 Plätze, die für Allergiker geeignet sind.

­ Die Salzburger Häuser (Am Centrumshaus 2, 21073 Hamburg) haben ein behindertengerechtes Appartement im Angebot.

Berücksichtigung der besonderen Lage der behinderten Studierenden mit langer Wohndauer in den Hamburger Studentenwohnheimen

Nach eingehender Erörterung des Für und Wider haben sich die zuständigen Gremien des Studentenwerks für eine begrenzte Wohnzeit auch für behinderte Studierende entschieden und die Verlängerung einer Einzelentscheidung vorbehalten. Einer der Gründe ist, auch behinderte Studierende dahingehend zu motivieren, im fortgeschrittenen Studium alternative, altersgemäßere Wohnformen zu suchen. Behinderte Studierende können allerdings ohne besondere Gründe 10 Semester, also fünf Jahre, in den Studentenwohnheimen wohnen. Ihre Verlängerungsanträge werden großzügig behandelt und in persönlichen Gesprächen individuell besprochen.

Falls die Studierenden es wünschen, werden sie vielfältig bei der Wohnungssuche und dem Wechsel in eine neue Wohnform begleitet. Härtefälle entstehen nicht.

4. Erfahrungen mit Härtefällen im Zusammenhang mit der Höchstwohndauer

Die Problematik im Zusammenhang mit der Höchstwohndauer betrifft nur eine kleine Minderheit der insg.

3224 Bewohner der vom Studentenwerk Hamburg betriebenen Studentenwohnanlagen. In den beiden größten Studentenwohnheimen, die jeweils ca. 500 Studierende beherbergen, erreichten zum Ende des Sommersemesters 1998 nur insgesamt 17 ausländische Studierende die 8-Semester-Grenze. Von ihnen haben 11 keinen Verlängerungsantrag gestellt. Von den 6 Verlängerungsanträgen wurden 2 negativ beschieden, während 2 eine Verlängerung um 3 Monate zur Wohnungssuche und 2 eine einsemestrige Verlängerung erhielten. Zum Ende des Wintersemesters 1998/99 erreichten aus den gleichen Wohnheimen 19 ausländische Studierende die Höchstwohndauer.

Von diesen zogen 11 Studierende fristgemäß ohne Verlängerungsantrag aus, während 8 Personen Verlängerungen beantragten und erhielten. Nach den Erfahrungen des Studentenwerks werden Verlängerungsanträge von ausländischen Studierenden ungefähr proportional zu ihrem Anteil an der Mieterschaft im Studentenwohnheim gestellt.

12) Deutsches Studentenwerk (Hrsg.): Studium und Behinderung. Praktische Tips und Informationen des DSW für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Bonn, 5. Aufl. 1998, S. 34.

In der Gruppe der behinderten Studierenden ist nur ein einschlägiger Fall in letzter Zeit vom Zentralen Aufnahmeausschuss des Studentenwerks zu bearbeiten gewesen.

Die betroffene Person zog nach 14 Semestern Wohnzeit zum 31. März 1999 aus, obwohl der Aufnahmeausschuss in diesem Fall eine Option für weitere drei Semester im Studentenwohnheim eingeräumt hatte.

Aus diesen Daten ist zugleich ersichtlich, dass die anfallenden Anträge aus den Gruppen der ausländischen und behinderten Studierenden eine individuelle Behandlung solcher Fälle möglich machen, die eine optimale Abwägung der Interessen der bereits lange in den Wohnheimen lebenden Studierenden gegenüber den Interessen der nachrückenden Personen auf den Wartelisten ermöglicht.

Die Daten verdeutlichen auch die differenzierte Umgehensweise mit den vorliegenden Fällen, die das Entstehen unzumutbarer Härten vermeidet. Zusätzlich ist auf die Unterstützung des Studentenwerks bei der Suche nach privaten Wohnraum hinzuweisen.

5. Stellungnahme zur Wohnraum-Vergabepraxis des Studentenwerks

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Anwendung des Rotationsprinzips, das die Höchstwohndauer in den Studentenwohnheimen begrenzt, wichtig gerade auch im Interesse der neu nach Hamburg kommenden Studierenden ist. Die Studierenden, die bereits jahrelang in Hamburg wohnen, sind besser in der Lage, eine andere preiswerte Unterkunft zu finden. Gegen eine Änderung der bisherigen Vergabepraxis für die Gruppen der ausländischen und behinderten Studierenden sprechen folgende Tatsachen:

a) Die Zahl der von ausländischen Studierenden gestellten Verlängerungsanträge ist nicht überproportional zu ihrer Vertretung im Studentenwohnheim. Es gibt keinen erkennbaren allgemeinen Bedarf nach einer längeren Höchstwohndauer, weil bis auf wenige Ausnahmefälle ­ die wie bisher individuell bearbeitet werden können ­ die ausländischen Studierenden außerhalb der Wohnheime andere Unterkünfte innerhalb dieser Frist finden.

b) Das bisher praktizierte Verfahren wurde in der Vergangenheit in den Gremien des Studentenwerks immer wieder überprüft und für sozial gerechtfertigt erachtet.

In den Gremien sind sowohl Hochschullehrer als auch Studierende und Vertreter der Allgemeinen Studierendenausschüsse beteiligt. Auch von Seiten der Hochschulen sind keine Beschwerden über das bisherige Verfahren an das Studentenwerk Hamburg herangetragen worden.

c) Auch der bundesweite Vergleich ergibt keine Anzeichen für einen Änderungsbedarf in dieser Hinsicht. Die 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks stellte für ausländische Studierende bundesweit ein hohes Maß an Zufriedenheit mit der Laufzeit des Mietverhältnisses fest.

d) Der Zentrale Aufnahmeausschuss des Studentenwerks Hamburg steht in engem Kontakt mit den Behindertenbeauftragten der Hochschulen und der Behindertenbeaufragten des Studentenwerks. Der Grundgedanke, dass auch behinderte Studierende nach einer längeren Wohnzeit und einem höheren Lebensalter den Wohnverhältnissen in einer Studentenwohnanlage entwachsen, wird breit getragen. Dass auf den Einzelfall abgestimmte Ausnahmeregelungen mit einer weit überdurchschnittlichen Wohndauer ohne Änderung der jetzigen Verfahrensregelung möglich sind, lässt sich anhand des Fallbeispiels in Abschnitt 4 belegen.

Nach Prüfung der Angebote des Studentenwerks für ausländische und behinderte Studierende ist der Senat zu dem Schluss gelangt, dass die Bereitstellung von Wohnraum für diese Personengruppen in den Wohnheimen des Studentenwerks Hamburg den besonderen Bedürfnissen dieser Gruppen gerecht wird. Die Problematik der Überschreitung der Höchstwohndauer betrifft nur eine relativ kleine Zahl von ausländischen und behinderten Studierenden jedes Semester. Durch die vom Studentenwerk Hamburg angewendete Praxis der Einzelfallentscheidung über Verlängerungsanträge werden nach Überzeugeung des Senats Härtefälle vermieden.

Der Senat vermag keinen Handlungsbedarf bezüglich einer Änderung der Vergabe- und Verlängerungs-Richtlinien für Wohnhäuser und Wohnanlagen des Studentenwerks Hamburg festzustellen. Die bisherige Vergabepraxis des Studentenwerks Hamburg hat sich als angemessen zur Bewirtschaftung der knappen verfügbaren Wohnplätze im Interesse der größtmöglichen sozialen Gerechtigkeit erwiesen.

6. Petitum:

Der Senat beantragt, die Bürgerschaft wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

13) Klaus Schnitzer, a.a.O., S. 61, Bild 11.4. Auf einer 5-PunkteSkala (1= trifft völlig zu, 5 = trifft gar nicht zu) wurde eine durchschnittliche Übereinstimmung von ca. 1,8 (Studierende aus Industrieländern) bzw. 2 (Studierende aus Entwicklungsländern) zur Aussage „Die Laufzeit des Mietverhältnisses ist ausreichend." festgestellt. Somit erntete diese Aussage die meiste Zustimmung von allen 10 Urteilsfragen der Untersuchung über das Wohnverhältnis. Diese Statistik bezieht alle erhobenen Wohnformen ein; in beiden Gruppen ist der Anteil der Studierenden, die im Studentenwohnheim wohnen, am höchsten (bei Studierenden aus Industrieländern: 35 % der Befragten, bei Studierenden aus Entwicklungsländern: 57 %).