Spezialprüfer Fachprüfer für Auslandsbeziehungen und ITFachprüfer werden bereits seit 2009 in der Hamburger Steuerverwaltung

1. Anlass

Mit der Drucksache 20/742 „Stärkung der steuerlichen Betriebsprüfung" hat die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten und der Bürgerschaft bis zum 31. Dezember 2011 zuzuleiten,

1. welches konkrete Maßnahmen zu einem gegebenenfalls noch effizienteren Einsatz der Betriebsprüfer und zur Verbesserung der Effektivität der Betriebsprüfung umfasst und dabei insbesondere auf Maßnahmen zur Entlastung der Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer von Spezialaufgaben und den Einsatz von Spezialisten für beispielsweise Unternehmensbewertungen und ITPrüfungen eingeht,

2. welches eine Verpflichtung von Betrieben zur Abgabe elektronischer Steuerbilanzen bewertet und über die Möglichkeiten der Einrichtung eines Risikomanagementsystems zur Verbesserung der Fallauswahl und Prüfung berichtet,

3. welches den Mittelbedarf für die Realisierung der einzelnen Maßnahmen konkretisiert,

4. welches Maßnahmen umfasst, wie Betriebsprüfungen zeitnäher und für kürzere Prüfungsperioden gestaltet werden können.

2. Antwort des Senats zum Bürgerschaftlichen Ersuchen

Zu Ziffer 1.: welches konkrete Maßnahmen zu einem gegebenenfalls noch effizienteren Einsatz der Betriebsprüfer und zur Verbesserung der Effektivität der Betriebsprüfung umfasst und dabei insbesondere auf Maßnahmen zur Entlastung der Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer von Spezialaufgaben und den Einsatz von Spezialisten für beispielsweise Unternehmensbewertungen und IT-Prüfungen eingeht

Durch das immer komplexer und internationaler werdende Steuerrecht sowie die technischen Herausforderungen bei der Anwendung digitaler Prüfmethoden sind die Anforderungen an die Betriebsprüfer stark gewachsen. Vor diesem Hintergrund ist es unabdingbar, die vorhandenen Personalressourcen effektiv und effizient einzusetzen. Effizienzgewinne können durch den gezielten Einsatz von Spezialprüfern, durch kontinuierliche Fortbildungsmaßnahmen und durch eine bessere Sachmittelausstattung erreicht werden.

Spezialprüfer Fachprüfer für Auslandsbeziehungen und IT-Fachprüfer werden bereits seit 2009 in der Hamburger Steuerverwaltung eingesetzt.

Zurzeit sind beim Finanzamt für Großunternehmen sechs Auslandsfachprüfer tätig, die ihre Kolleginnen und Kollegen ­ auch in den Regionalfinanzämtern ­ bei anspruchsvollen Fällen mit Auslandsbezug unterstützen.

Für den Bereich der IT wurde in jedem Finanzamt eine Fachprüferstelle eingerichtet. Deren Aufgabe ist es, die Betriebsprüfer bei der Planung des Datenzugriffs, der Anforderung der Daten und anschließend bei der Analyse und Aufbereitung der Firmendaten zu unterstützen.

Für den Einsatz von Bewertungsfachprüfern liegt ein Konzept vor (siehe Anlage 1). Die Bewertungsfachprüfer sollen die Betriebsprüfer bei schwierigen Fragen der Unternehmensbewertung mit betriebswirtschaftlichem Know-how unterstützen.

Technische Ausstattung/Fortbildung

Zur Anpassung der technischen Ausstattung der Betriebsprüfer an aktuelle IT-Standards ist vorgesehen, die Finanzämter zeitnah mit einer angemessenen Zahl an USB-Speichermedien, USB-Card-Readern und speziellen Workstations auszurüsten.

Weiterhin ist der Aufbau einer Inhouse-Lösung für SAPSchulungen für Betriebsprüfer geplant, um der Bedeutung von SAP als wichtigstes Buchhaltungs- und Warenwirtschaftssystem im Konzernbereich gerecht zu werden. Es ist beabsichtigt, mit den ersten Schulungen in 2012 zu beginnen. Die Schulungen müssten von Betriebsprüfern durchgeführt werden, die jedoch in dieser Zeit ihre originäre Tätigkeit nicht ausüben könnten. Die bereits bestehenden umfangreichen Belastungen der Betriebsprüfung durch die Wahrnehmung von Fortbildungsaufgaben als nebenamtliche Lehrkräfte würden hierdurch nicht unerheblich aufwachsen. Um diese Belastungen für die Prüfer zu verringern und gleichwohl dem steigenden Fortbildungsbedarf gerecht zu werden, wird geprüft, ob eine zusätzliche hauptamtliche Lehrkraft für die Norddeutsche Akademie für Finanzen und Steuerrecht Hamburg eingesetzt werden kann.

Zu Ziffer 2.: welches eine Verpflichtung von Betrieben zur Abgabe elektronischer Steuerbilanzen bewertet und über die Möglichkeiten der Einrichtung eines Risikomanagementsystems zur Verbesserung der Fallauswahl und Prüfung berichtet Elektronische Steuerbilanzen

Nach § 5b Einkommensteuergesetz (EStG) besteht für Unternehmen bereits die Verpflichtung, die Inhalte der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln.

Die Einführung dieser sog. E-Bilanz soll im Besteuerungsverfahren die bisherige Papierbilanz ersetzen. Der Anwendungszeitpunkt zur verpflichtenden elektronischen Übermittlung der E-Bilanz wurde auf Drängen der Verbände durch Rechtsverordnung um ein Jahr verschoben und ist damit erstmalig für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen. Die zeitliche Verschiebung des Einführungszeitpunkts wurde dazu genutzt, die Anwendung der Vorschrift im Rahmen einer Pilotphase zu testen und die Gliederung der Taxonomie (Datenschema für Jahresabschlussdaten) zu optimieren. Ein entsprechendes Anwendungsschreiben zur Veröffentlichung der Taxonomie mit Regelungen zum persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 5b EStG, zur inhaltlichen Ausgestaltung der Taxonomie sowie einer Nichtbeanstandungsregelung für 2012 ist im Bundessteuerblatt Teil I bekanntgegeben. Vorgesehen ist, die E-Bilanz in Hamburg plangemäß ab Veranlagungszeitraum 2012 einzuführen. Es wird allerdings nicht beanstandet, wenn auch noch für das Wirtschaftsjahr 2012 die Bilanz in Papierform und ohne Taxonomiegliederung abgegeben wird. Länderspezifische Konzepte zur E-Bilanz sind nicht geplant und im Interesse einer bundeseinheitlichen Anwendung auch nicht anzustreben.

Risikomanagement

Im Rahmen des Länderübergreifenden Programmierverbundes KONSENS wird zurzeit die Einführung eines automationsunterstützten Risikomanagementsystems für die Betriebsprüfung erprobt (Pilotländer BY und NW). Die Qualität der Fallauswahl und Prüfung, gerade bei nicht anschlussgeprüften Großbetrieben, soll dadurch verbessert werden. Ein wichtiger Baustein für ein funktionierendes Risikomanagementsystem ist die Verpflichtung zur Abgabe elektronischer Steuerbilanzen (E-Bilanz) mit hinreichender Gliederungstiefe der Taxonomie. Bis zur bundesweit lauffähigen Umsetzung soll in Hamburg durch veränderte Arbeitsabläufe bei der Fallsichtung (z.B. durch Ansprechpartnerschaften und IT-Unterstützung) die Fallauswahl für Betriebsprüfungen verbessert werden. Außerdem werden bestimmte Branchen großflächiger und intensiver geprüft.

Zu Ziffer 3.: welches den Mittelbedarf für die Realisierung der einzelnen Maßnahmen konkretisiert

Der jährliche Mittelbedarf für fünf Bewertungsfachprüfer (Tarifbeschäftigte der Vergütungsgruppen E10/E11) beträgt 300 bis 350 Tsd. Euro, für die zusätzliche Dozentenstelle (A13/A14) rund 80 Tsd. Euro.

Für eine verbesserte Sachmittelausstattung der Betriebsprüfung werden ca. 30 Tsd. Euro benötigt.

Zu Ziffer 4.: welches Maßnahmen umfasst, wie Betriebsprüfungen zeitnäher und für kürzere Prüfungsperioden gestaltet werden können

Seit dem 20. Juli 2011 ist die zeitnahe Betriebsprüfung in einem neuen § 4a in der Betriebsprüfungsordnung geregelt.

Hamburg hat bereits in 2010 die zeitnahe Betriebsprüfung als ein Modell eingeführt, um Großunternehmen, die ihren Willen zur verstärkten Kooperation (Compliance) mit der Steuerverwaltung in der Vergangenheit gezeigt haben, schneller und gegenwartsnaher prüfen zu können. Die Grundsätze des Modells sind in einem Flyer (siehe Anlage

2) zusammengefasst worden, um interessierte Unternehmen zu informieren. Die bisher gemachten Erfahrungen sind durchaus positiv, zeigen allerdings deutlich auf, dass der Erfolg des Modells nicht nur von der Verwaltung, sondern ganz entscheidend von der Mitwirkung des jeweiligen Unternehmens abhängig ist.

3. Petitum:

Die Bürgerschaft wird gebeten, von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen.

I. Ausgangslage

Die Unternehmensbewertung bildet in einer Vielzahl von Fällen (z.B. Betriebsübergänge, Konzernumstrukturierungen, Unternehmens- und Anteilsverkäufe sowie Teilwertabschreibungen auf Unternehmensbeteiligungen) einen wichtigen und fiskalisch besonders bedeutsamen Prüfungsschwerpunkt. Die ungeprüfte Übernahme zu hoher oder zu niedriger Unternehmenswerte kann je nach Sachverhalt zu endgültigen Steuerausfällen in beträchtlicher Höhe führen. Auch die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter (Marken, Rechte und Lizenzen) kann von erheblicher steuerlicher Bedeutung sein. Abgesehen von dem vereinfachten Ertragswertverfahren erfordern die darüber hinaus anwendbaren, unterschiedlichsten Bewertungsmethoden in hohem Maße einschlägige Fachkenntnisse und betriebswirtschaftliches Know-how, über das allein steuerlich ausgebildete Betriebsprüfer nicht oder nur mit hohem Einarbeitungsaufwand verfügen. Auf Seiten der Unternehmen und der hochspezialisierten Beraterschaft agieren häufig Diplomkaufleute mit dem Berufsexamen des Wirtschaftsprüfers, deren vielfältigen Argumenten die Betriebsprüfer in Verhandlungen mangels der einschlägigen Kenntnisse oft nicht wirksam entgegentreten können.

II. Einstellung von Diplom-Kaufleuten als Bewertungsfachprüfer

In der überwiegenden Zahl der Länder gibt es bereits Erfahrungen mit dem Einsatz von Bewertungsfachprüfern. In anderen Ländern ist der Einsatz von Bewertungsfachprüfern geplant. Eingesetzt werden in der Regel Steuerbeamte, die sich zusätzliche Kenntnisse teils selbst angeeignet, teils durch Fortbildungsangebote (z.B. Bundesfinanzakademie) erworben haben. Wegen der Komplexität der Materie ist durch diese Maßnahmen ein adäquater Kenntnisstand für „Fachfremde" aber nur schwer zu erreichen.

Es wird daher vorgeschlagen, in Hamburg Betriebswirte (Diplom-Kaufleute/Diplom-Betriebswirte mit Bachelor-Abschluss) als Bewertungsfachprüfer einzustellen. Das Studium der Betriebswirtschaft beinhaltet die verschiedenen Methoden der Unternehmensbewertung, die auch für die steuerlichen Bewertungsanlässe gelten.

III. Einsatzbereiche

Eine (nicht abschließende) Übersicht über die wichtigsten Bewertungsanlässe in ertragsteuerlicher Hinsicht, in ertragsteuerlicher Hinsicht mit Auslandsbezug sowie in erbschaftund schenkungsteuerlicher Hinsicht ist als Anlage beigefügt.

IV. Tätigkeits-/Arbeitsplatzbeschreibung

Die Tätigkeit der Bewertungsfachprüfer soll im Wesentlichen umfassen:

­ Selbständige und eigenverantwortliche Beurteilung und Überprüfung von (betriebswirtschaftlichen) Unternehmensbewertungsgutachten,

­ Tätigkeit als Ansprechpartner für die Betriebsprüfer und die Zentralbearbeiter Bewertung (ZABs) in Fragen der Unternehmensbewertung und der Bewertung immaterieller Vermögenswerte sowie der dafür gezahlten Nutzungsentgelte und Dienstleistungsgebühren,

­ Unterstützung der Betriebsprüfer sowie der ZABs im Einzelfall vor Ort,

­ Unterstützung der Rechtsbehelfsstellen bei Einspruchsverfahren, Klage- und Revisionsverfahren,

­ Weitergabe des Spezialwissens zur Unternehmensbewertung z. B. im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen.

V. Stellenwertigkeit/Mittelbedarf

Weil die Bewerber voraussichtlich nicht die Voraussetzungen des Steuerbeamtenausbildungsgesetzes (Laufbahnprüfung) erfüllen, sind sie im Angestelltenverhältnis einzustellen.

Vorbehaltlich einer genauen tariflichen Bewertung ist davon auszugehen, dass die Wertigkeit im Bereich E 10/E 11 anzusiedeln ist. Der jährliche Mittelbedarf für einen Bewertungsfachprüfer kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Büroarbeitsplatz Budgetwert pauschale Gesamtkosten E 10 55.900 Euro 8.570 Euro 64.470 Euro E 11 60.100 Euro 8.570 Euro 68.670 Euro VI. Quantifizierung des Bedarfs

Auf Grund einer ersten überschlägigen Bedarfsermittlung werden 5 Stellen vorgeschlagen.

Hinweise auf den Umfang an Bewertungsanlässen liefert die Arbeitsbelastung der aktuell in den Finanzämtern eingesetzten Zentralbearbeiter Bewertung (ZABs). Hierbei handelt es sich um Steuerbeamte des gehobenen Dienstes, die im Innendienst der Regionalfinanzämter neben der „normalen" Veranlagungstätigkeit zuständig sind für die Bewertung des Betriebsund Anteilsvermögens, wenn dies für erbschaft- oder schenkungsteuerliche Zwecke von Bedeutung ist. Die ZABs sind in 2010 in 1.050 Fällen aufgefordert worden, eine solche Bewertung durchzuführen. Für 2011 wird mit ca. 1.500 angeforderten Bewertungen gerechnet. In einer aufwachsenden Anzahl von Fällen sind hierbei komplexe betriebswirtschaftliche Gutachten steuerlich zu würdigen.

Die Anzahl der Unternehmensbewertungen für ertragsteuerliche Zwecke (Gutachtenfälle) kann auf Grund einer Umfrage unter den Hauptsachgebietsleitern für Betriebsprüfung mit mindestens 50 umfangreichen Fällen jährlich eingeschätzt werden (Protokoll der Fachbesprechung mit den Hauptsachgebietsleitern für Betriebsprüfung am 31. Januar 2011, TOP 4). VII. Organisatorische Einbindung

Es ist denkbar, Bewertungsfachprüfer beim Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg (2), beim Finanzamt Hamburg-Mitte (1) und zwei weiteren Regional-Finanzämtern (2) einzusetzen.