Nachhaltigkeit

Religionsunterricht an Hamburger Schulen

Der Religionsunterricht ist ein wesentliches Schulfach für junge Menschen, sich mit Sinnfragen zu beschäftigen und dadurch eigene Wertvorstellungen zu finden. Angesichts der Klagen über Wertewandel und Werteverlust kommt dem Religionsunterricht große Bedeutung zu.

Nach Artikel 7 Grundgesetz und § 7 Hamburgisches Schulgesetz ist der Religionsunterricht ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.

Seit Jahrzehnten leben in Hamburg Menschen der unterschiedlichsten Religionszugehörigkeiten. In Hamburgs Schulen werden neben Schülerinnen und Schülern aus christlichen Elternhäusern auch Kinder islamischen Glaubens und anderer Religionen unterrichtet. Die Bemühungen Hamburger Lehrer, dieser Vielfalt in ihren Klassen gerecht zu werden, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass zunehmend Eltern islamischen Glaubens islamischen Religionsunterricht für ihre Kinder in den Schulen fordern.

Die Frage, wie und in welcher Form im Religionsunterricht den Schülerinnen und Schülern sowohl Kenntnisse und Wertvorstellungen der jeweils eigenen Religion als auch die notwendige Liberalität und Toleranz gegenüber anderen Religionen vermittelt werden, muss angesichts der gesellschaftspolitischen Entwicklungen stets reflektiert und entsprechend angepasst werden.

Rechtliche Grundlage des Religionsunterrichts in Hamburg ist Artikel 7 Absätze 2 und 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Die Bestimmungen der beiden Absätze sind in § 7 des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) aufgenommen. Weitere Grundlage ist die „Gemeinsame Erklärung der Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchen auf Hamburger Staatsgebiet zur Ordnung des Religionsunterrichts" aus dem Jahre 1964, die seit 1977 sinngemäß auf die nordelbische Kirche angewandt wird. Die Erklärung sieht unter anderem vor, dass die Gemischte Kommission Schule/Kirche bei der Durchführung und Gestaltung des Religionsunterrichts an den Hamburger Schulen die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Evangelisch-Lutherischen Kirche gemäß Artikel 7 Absatz 3 GG überwacht. Maßgeblich für den Unterricht sind die jeweils geltenden, in der Gemischten Kommission abgestimmten Lehrpläne und Stundentafeln. Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in Hamburg wird nicht nach Konfessionen getrennt erteilt, sondern richtet sich als evangelischer Unterricht an alle Schülerinnen und Schüler.

Ein Rechtsanspruch anderer Religionsgemeinschaften auf Einrichtung eines eigenen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach ist unter den Voraussetzungen gegeben, dass diese Gemeinschaften nach ihrer Größe, Nachhaltigkeit und Postulationsfähigkeit einen verfassungskonformen und schulaufsichtlich organisierbaren Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen erwarten lassen (vgl. Artikel 7 Absatz 3 GG). Jüdische Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, alternativ zum Fach Religion am Religionsunterricht in der jüdischen Gemeinde teilzunehmen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Auf welcher Grundlage aus welchem Jahr findet der Religionsunterricht in Hamburg in den verschiedenen Schulformen und Schulstufen statt und welche Ziele und Inhalte werden verfolgt?

Zurzeit gelten für den Religionsunterricht der Lehrplan Religion, Richtlinien und Lehrpläne, Band 1, Grundschule (Klasse 1­4), 1973, die Lehrpläne Religion (Schule für Blinde, Schule für Gehörlose, Schule für Sprachbehinderte, Schule für Sehbehinderte, Schule für Schwerhörige, Schule für Körperbehinderte, Schule für Verhaltensgestörte), Religionslehre (Schule für Lernbehinderte) und Religiöse Erziehung (Schule für Geistigbehinderte), Richtlinien und Lehrpläne Sonderschulen, 1975, Lehrplan Religion für die Sekundarstufe I (Klassen 5­10) Orientierungsstufe, Haupt- und Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, 1986, Lehrplan Religion für die gymnasiale Oberstufe, Lehrplanrevision Sekundarstufe II, 1990.

Alle Lehrpläne definieren als Aufgabe des Religionsunterrichts die Beschäftigung mit grundsätzlichen Lebensfragen (Frage nach dem Sinn des Lebens, nach Wahrheit, nach Gerechtigkeit, nach Werten und Normen für verantwortliches Handeln) in einer dem Erfahrungs- und Verstehenshorizont der Schülerinnen und Schüler angemessenen Form. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen dient dem Ziel, die Selbstfindung und die Handlungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern.

2. Worin unterscheidet sich nach Ansicht des Senats der Religionsunterricht in Hamburg von dem LER-Unterricht in Brandenburg?

Entsprechend §11 Absatz 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 12. April 1996 wird das Fach Lebensgestaltung ­ Ethik ­ Religionskunde in Brandenburg bekenntnisfrei und weltanschaulich neutral unterrichtet. In Hamburg ist der Religionsunterricht gemäß § 7 Absatz 1 HmbSG ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.

3. In welchen Schulen und Klassen wird alternativ zum Fach Religion das Fach Ethik angeboten? Welche anderen Alternativen werden an welchen Schulen und Klassen angeboten und wie stellen sich diese dar?

II. Status quo

4. Wie viele Wochenstunden Religionsunterricht sind zurzeit an Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen in Hamburg in den Lehrplänen vorgesehen und wie viele werden davon tatsächlich erteilt?

5. Wie hoch ist der Unterrichtsausfall im Fach Religion im Vergleich zu anderen Unterrichtsfächern?

6. An welchen Schulen und aus welchen Gründen wurde die Stundentafel im Fach Religion im Schuljahr 1998 nicht eingehalten?

Die Verordnung über die Stundentafeln für die Grundschule (STVO-GrundSch) vom 13. Juli 1999 sieht für das Fach Religion in den Klassen 3 und 4 je zwei Stunden vor. Unterrichtsinhalte des Religionsunterrichts werden in Klasse 1 im Rahmen des Gesamtunterrichts, in Klasse 2 in den dafür geeigneten Fächern und in den Unterrichtszeiten für die „Freie Gestaltung" berücksichtigt.

Die Regelstundentafel für die Beobachtungsstufe der Haupt- und Realschule und der Beobachtungsstufe des Gymnasiums sowie für die Klassen 5 und 6 der Gesamtschule sieht nach der Verordnung über die Stundentafeln für die Sekundarstufe I (STVO-SekI) vom 20. Oktober 1998 je zwei Stunden Religion vor.

In der Grundschule und in den Klassen 5 und 6 gibt es kein Alternativfach zu Religion. Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu entscheiden.

Die Regelstundentafel sieht nach der STVO-SekI Religion als Wahlpflichtfach mit der Alternative Ethik in Klasse 9 der Hauptschule sowie in den Klassen 9 und 10 der Realschule und des Gymnasiums im Umfang von jeweils zwei Wochenstunden vor.

Die Flexibilisierungstafel der Gesamtschule sieht in der STVO-SekI für die Klassen 5 bis 10 insgesamt sechs bis zehn Wochenstunden, in den Klassen 5, 6 und 9 der Hauptschule fünf bis acht Stunden, in den Klassen 5, 6, 9 und 10 der Realschule und des Gymnasiums sieben bis neun Stunden vor. Die Gesamtstundenzahl für den Wahlpflichtbereich Religion/Ethik in den Klassen 9 und 10 des siebenstufigen Gymnasiums und im Aufbaugymnasium beträgt vier bis sechs Stunden.

Im Bereich der gymnasialen Oberstufe wird das Fach Religion alternativ zum Fach Philosophie angeboten. Die Schülerinnen und Schüler müssen eines der Fächer zweistündig in der Vorstufe und eines der Fächer für mindestens zwei Semester in der Studienstufe belegen. Die Kurse in der Studienstufe sind zwei- bis dreistündig. Religion und Philosophie sind auch als Leistungskursfächer wählbar.

Die Zahl der tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden wird von der zuständigen Behörde nicht erfasst.

Angaben zum Unterrichtsausfall werden nicht fächerspezifisch erhoben.

7. Wie viele ausgebildete Religionslehrer werden zurzeit in den einzelnen Schulformen eingesetzt und wie lauten die Vergleichszahlen für 1990 und 1980?

8. In wie vielen Schulen befanden sich im Schuljahr 1998/99 keine Lehrkräfte mit Religionsfakultas? (Bitte differenziert nach Schulformen angeben.)

Zu den letzten beiden Haupteinstellungsterminen August 1998 und August 1999 wurden 127 Lehrerinnen und Lehrer mit der Fakultas für das Fach Religion eingestellt. Davon entfielen im August 1998 und 1999 auf Grund-, Haupt- und Realschulen 37 bzw. 56, Gymnasien acht bzw. 14 und Gesamtschule vier bzw. acht. Entsprechende Zahlen für 1980 und 1990 liegen nicht vor. Der Einsatz der Religionslehrkräfte wird von der zuständigen Behörde statistisch nicht erfasst.

II. 9. Wie viele Fortbildungsveranstaltungen, die den Themenbereich „Ethik/Religion" betreffen, wurden 1998 mit welchem Teilnehmererfolg (nach einzelnen Schulformen) im Institut für Lehrerfortbildung und im Pädagogisch-Theologischen Institut angeboten?

1998 fanden folgende Jahresseminare in Kooperation des Pädagogisch-Theologischen Instituts (PTI) mit dem Institut für Lehrerfortbildung (IfL) mit Anrechnung auf das Hauptamt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (TN) statt:

An den vorstehenden 104 Fortbildungsveranstaltungen haben nach Zählung des PTI insgesamt 1345

Personen teilgenommen. Eine nach Schulformen differenzierte Erhebung wird vom PTI nicht durchgeführt.

An 14 der 104 Seminare haben nach Zählung des IfL insgesamt 259 Lehrkräfte teilgenommen, davon 43 Prozent aus Grund-, Haupt- und Realschulen und Sonderschulen, 31 Prozent aus Gesamtschulen, 5 Prozent aus Gymnasien und 21 Prozent aus beruflichen Schulen.

10. An welchen Schulen in Hamburg gibt es derzeit gemeinsame Projekte im Religionsunterricht mit außerschulischen Trägern und welche Träger sind dies?

11. Wie wird in der Praxis der Religionsunterricht in Klassen, in denen ein hoher Anteil an Schülern nicht christlichen Glaubens vertreten ist, gestaltet?

12. Wie hoch war der Anteil der Erstklässler islamischen Glaubens im Schuljahr 1998/99?

Wie hoch war er in den vergangenen fünf Jahren?

13. Wie hoch war der Anteil der Erstklässler christlichen Glaubens im Schuljahr 1998/99 und wie hoch war er in den vergangenen fünf Jahren?

14. Wie viele Schüler christlichen Glaubens nehmen an dem Religionsunterricht in den verschiedenen Klassenstufen teil?

15. Wie viele Eltern machen in Hamburg von dem Recht Gebrauch, ihre Kinder vom Religionsunterricht zu befreien? (Bitte aufgeschlüsselt nach Religionszugehörigkeit und Klassenstufen aufführen.)

Welche Kenntnisse hat der Senat über den Anteil muslimischer Schulkinder, die am Unterricht in so genannten Koranschulen teilnehmen?

Dies wird von der zuständigen Behörde nicht erhoben. Abmeldungen vom Religionsunterricht in den Klassen 3 bis 6 werden von der zuständigen Behörde als selten eingeschätzt.

III. Bildungspläne

Welche Vorgaben bezüglich der Ziele des Religionsunterrichts sind für die neuen Bildungspläne für die Grundschule, für die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II im Amt für Schule gemacht worden?

18. Wann wird es endlich einen Bildungsplan für den Religionsunterricht in Hamburg geben und wie wird er für welche Klassenstufen inhaltlich gestaltet sein?

19. Gibt es bei der Erarbeitung der Bildungspläne für das Fach Religion Gespräche mit Vertretern anderer Religionsgemeinschaften? Wenn ja: Welche Forderungen sind von diesen gestellt worden? Wenn nein: Weshalb nicht?

Bildungspläne werden nicht für einzelne Fächer, sondern für Schulformen und Schulstufen erstellt. Als Bestandteil der Bildungspläne werden zurzeit Rahmenpläne für Religion in der Grundschule und der Sekundarstufe I erstellt. Die Arbeit am Bildungsplan für die gymnasiale Oberstufe soll im Sommer dieses Jahres aufgenommen werden.

Die Vorgaben für die Rahmenpläne gehen aus dem HmbSG hervor. Für das Fach Religion ist daneben insbesondere der Beschluss der Bürgerschaft vom 20./21. August 1997 (Drucksache 15/7809) zu berücksichtigen, „die curriculare Entwicklung des Fachs Religion in die insbesondere mit dem Entwurf des Grundschullehrplans eingeschlagene Richtung des interreligiösen Dialogs weiterzuverfolgen". Offizielle Gesprächspartner der zuständigen Behörde im Rahmen der Erstellung von Rahmenplänen für das Fach Religion sind die kirchlichen Vertreterinnen und Vertreter in der Gemischten Kommission Schule/Kirche. Unabhängig davon wird die Erstellung der Rahmenpläne Religion von Mitgliedern unterschiedlicher Religionsgemeinschaften auf Arbeitsebene beratend begleitet.