Rahmenvereinbarung über Qualitätsstandards in der ambulanten Sucht- und Drogenarbeit in Hamburg

Betreff: „Rahmenvereinbarung über Qualitätsstandards in der ambulanten Sucht- und Drogenarbeit in Hamburg" ­ praxisnah und umsetzungsorientiert oder nur symbolisch und unverbindlich?

Am 19. November 1999 haben ­ laut Mitteilung der BAGS bzw. der Staatlichen Pressestelle ­ „22 ambulante Suchthilfeträger" der o.a.Vereinbarungzugestimmt,womitelfhamburgweiteinheitliche und verbindliche Qualitätsstandards... gelten" und „alle wieder an einem Strang ziehen" würden. Andererseits erklären mitunterzeichnende Träger sowie Betriebsräte unter anderem, dass „die Unterzeichnung aus fachlichen Gründen falsch ist, jedoch aus politischen Erwägungen als opportun erscheint". Sie bezweifeln insbesondere, angesichts der Ausschreibungspraxis der BAGS, die Verbindlichkeit der Vereinbarung und sehen beides im Widerspruch zueinander.

Ich frage deshalb den Senat:

1. a) Worin unterscheidet sich die jetzt unterzeichnete Rahmenvereinbarung inhaltlich, substantiell und konkret von der vom März 1996?

Der Entwurf der neuen Rahmenvereinbarung wurde als Ergebnis des Workshops vom 7. Mai 1999 zum Thema „Qualitätssicherung in der ambulanten Suchtkrankenhilfe" erarbeitet. Die hierfür gebildete Arbeitsgruppe hat sich weitgehend an der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Rahmenvereinbarung orientiert und diese in einzelnen Bereichen korrigiert und präzisiert.

Ergänzt wurde die bisherige Rahmenvereinbarung insbesondere um Aussagen zur Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte sowie hinsichtlich der Zielsetzung, eine Arbeitsgemeinschaft gemäß §95 Bundessozialhilfegesetz zu bilden. Besonders hervorzuheben ist, dass die neue Rahmenvereinbarung erstmalig auch von den Trägern der ambulanten Hilfen für Alkoholabhängige unterzeichnet wurde.

1. b) Haben sich die damals vom Senat mit der ­ von ihm als „Meilenstein im Prozeß der Modernisierung der Drogenhilfe" bezeichneten ­ Rahmenvereinbarung verbundenen Erwartungen ­ ggf. wie konkret ­ erfüllt?

Die Erwartungen haben sich insbesondere im Hinblick auf die Kooperation mit den Unterzeichnern erfüllt. Auf Grundlage der damaligen Rahmenvereinbarung konnten erstmalig wesentliche Elemente der Modernisierung des Hilfesystems realisiert werden, wie z. B. die projekt- und haushaltsjahrübergreifende Finanzierung und Steuerung von Hilfeangeboten im Rahmen von Zuwendungsverträgen.

1. c) Für wie viele ­ der gemäß Drucksache 16/2687 etwa 75 ambulanten ­ Einrichtungen hat die o. a. Vereinbarung zur Zeit Gültigkeit?

Für 22 Träger der ambulanten Suchtkrankenhilfe, die insgesamt 49 Projekte betreiben, hat die Rahmenvereinbarung Gültigkeit. Ausgenommen sind die Angebote der Selbsthilfe.

2. a) Wie erklärt und begründet der Senat, dass eine Vereinbarung über Qualitätsstandards im Hamburger Drogenhilfebereich nur von der BAGS und ihren Zuwendungsempfänger/innen, nicht jedoch von den anderen Senatsbereichen und freien Träger/innen mitgetragen wird, die ebenfalls Träger/innen entsprechender ambulanter Einrichtungen sind?

Die zuständige Behörde hält aufgrund der unterschiedlichen Zielgruppen und der unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Vereinbarung mit den von ihr finanzierten Zuwendungsempfängern für sinnvoll.

2. b) Inwiefern handelt es sich bei dem mitunterzeichnenden sogenannten Verbund der staatlichen Suchtberatungsstellen um einen eigenständigen „Träger", und welche Rechtsform hat dieser ggf., bzw. trifft es zu, dass es sich dabei um Dienststellen der ebenfalls mitunterzeichnenden BAGS handelt und dass die ambulanten Einrichtungen der BSJB und der BWF diesem „Verbund" ­ ggf. warum ­ nicht angehören?

Beim „Verbund staatlicher Suchtberatungsstellen" handelt es sich um Dienststellen der BAGS, die in gleicher Weise wie die Angebote freier Träger Teil des ambulanten Hilfesystems für Suchtkranke in Hamburg sind; die Vereinbarung hat somit für diese Beratungsstellen Gültigkeit. Im übrigen siehe Antwort zu 2. a).

3. a) Gilt die vom Senat hervorgehobene Verbindlichkeit der o.a. Rahmenvereinbarung auch hinsichtlich dessen, dass die beschriebenen Leistungen „nur in dem Umfang erbracht werden können, wie sie gegenfinanziert sind", und dass „Qualitätssicherungsprozesse Planungssicherheit auf Trägerseite voraussetzen"? Wenn nein, in welcher Hinsicht und warum konkret nicht?

Ja.

3. b) Warum taucht die Einschränkung, dass Leistungen „unter Berücksichtigung zur Verfügung stehender Kapazitäten" erbracht werden, nur hinsichtlich der Evaluation auf, oder gilt dies grundsätzlich auch bezüglich der anderen vereinbarten Standards?

Für alle beschriebenen Leistungen gelten die in der Präambel der Rahmenvereinbarung formulierten Grundannahmen.

4. a) Wie definiert die mitunterzeichnende BAGS die angeführte „bedarfsgerechte Versorgungsstruktur", wer formuliert diese, und wo ist sie für die Hamburger Drogen- und Suchthilfe zur Zeit konkret dargelegt und beschrieben?

Zu Fragen der bedarfsgerechten Versorgungsstruktur wurde zuletzt ausführlich in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Drucksache 16/2240 Stellung genommen. Hierauf wird verwiesen.

4. b) Warum tauchen Aussagen zur Bedarfsermittlung und Versorgungsplanung bei dem in der Rahmenvereinbarung angeführten sogenannten Fachrat nicht mit auf, bzw. warum gehören sie ggf. nicht mit zu seinen Aufgaben?

Zu den Aufgaben des Fachrates gehört auch die „Beratung der Fachbehörde in Grundsatzfragen zur Fortentwicklung der Sucht- und Drogenhilfe". Dieses schließt Aussagen zur Bedarfsermittlung und Versorgungsplanung ein.

5. a) Wie definiert die mitunterzeichnende BAGS die angeführten „stabilen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten", die zur Qualität der Arbeit gehören würden?

Eine allgemeingültige Definition dieses Begriffes besteht nicht. Die Arbeitsbedingungen sind im Zusammenhang mit der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Projekte zu beurteilen.

5. b) Trifft die Aussage der „Ständigen Betriebsrätekonferenz der freien Träger in der Hamburger Drogenhilfe" zu, dass „die Absicherung gemeinsamer tariflicher Standards nicht statt(findet)" und dass „Träger und Gewerkschaften bisher keinen Tarifvertrag vereinbart (haben)"? Wenn nein, in welcher Hinsicht und warum konkret nicht?

c) Finden Verhandlungen zur tariflichen Absicherung der Arbeitsverhältnisse in der Hamburger Drogenhilfe statt? Wenn ja, seit wann zwischen wem mit welchen bisherigen Ergebnissen bzw. ab voraussichtlich wann? Wenn nein, warum konkret nicht?

Es wird davon abgesehen, zu Fragen, die das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis freier Träger oder Vereinbarungen zwischen freien Trägern und Gewerkschaften betreffen, Stellung zu nehmen.

6. a) Warum wurde der insbesondere seitens der Betriebsräte geforderten Aufnahme der Einhaltung von Bestimmungen über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz als Qualitätsstandard nicht entsprochen?

Die Vereinbarungspartner hielten es nicht für sinnvoll, bestehende gesetzliche Regelungen zum Gegenstand der Vereinbarung zu machen.

6. b) Sieht der Senat die diesbezüglichen Standards in allen Hamburger Drogenhilfeeinrichtungen als gegeben an, und hat er die Voraussetzungen hierfür auch im Rahmen seiner Zuwendungsfinanzierung sichergestellt? Wenn nein, in welcher Hinsicht bzw. warum konkret nicht?

Ja.

7. a) Wer bzw. welche Organisation oder Institution nimmt ­ gemäß Rahmenvereinbarung ­ die „Interpretation der (im Rahmen der Dokumentation) erhobenen Daten" vor?

Derzeit wird diese Aufgabe von BADO e.V. in Kooperation mit einem durch BADOe.V. beauftragten Institut wahrgenommen.

7. b) Was bedeutet es konkret, dass diese Stelle „im Interesse der Verstärkung von Partizipation die Träger aktiv (an der Interpretation) beteiligt"?

Dies bedeutet, dass die Fachbehörde davon absieht, die alleinige Interpretationshoheit über diese Daten zu beanspruchen.

7. c) Gibt es eine für alle Beteiligten verbindliche, veröffentlichte Dateninterpretation, und wer entscheidet ggf. hierüber, bzw. in welcher Hinsicht steht jedem Träger eine eigenständige Dateninterpretation zu?

Die Trägerautonomie wird von der Rahmenvereinbarung nicht in Frage gestellt.

8. Trifft es zu, dass die Dokumentation von Leistung und Qualität der Drogenhilfe auch bisher schon seitens der Träger ­ in sachlichen und finanziellen Verwendungsnachweisen gegenüber der BAGS sowie auch gegenüber der Öffentlichkeit ­ stattfand und weiter stattfindet und nicht erst durch die Rahmenvereinbarung „jetzt möglich (ist)", wie dies seitens der BAGS im „Hamburger Abendblatt" am 20. November 1999 erklärt wurde?

Auf Grundlage der Rahmenvereinbarung ist es leichter, einheitliche Standards zur Dokumentation zu erreichen und somit auch vergleichbarere Ergebnisse hinsichtlich Leistung und Qualität zu erhalten.

9. Gehört die im sogenannten Suchtbericht des Senats imMärz 1999 formulierte „zentrale Aufgabenstellung und Funktion des Fachrates", „die aktuelle Situation im Drogen- und Suchtbereich kritisch zu beobachten und den sich jeweils verändernden Problemstellungen angemessene Handlungsschritte zu entwickeln und umzusetzen", auch nach Verabschiedung der „Rahmenvereinbarung" dazu? Wenn nein, in welcher Hinsicht und warum nicht mehr? Wenn ja, warum wurden diese Aufgaben und Funktionen nicht mit aufgenommen?

Ja. Die Aufgabe und Funktion des Fachrates beinhaltet auch diese Aufgabenstellung, ohne dass sie ausdrücklich in der Vereinbarung genannt wird.

10. a) Bedeuten die Aussagen, dass der sogenannte Fachrat regelmäßig „vom Drogenbeauftragten eingeladen (wird) und dass er der Beratung der Fachbehörde dient", sowie die

­ zumindest bisherige ­ Regelung, dass er nur in Anwesenheit des Drogenbeauftragten beschlußfähig ist, dass der Fachrat diesem zugeordnet ist? Wenn nein, in welcher Hinsicht nicht?

b) Ist der Senat der Auffassung, dass es gemäß der früheren Geschäftsordnung des Fachrates auch zukünftig eine Sperrminorität von „mehr als 10 Prozent der ordentlichen Mitglieder" des Fachrates gegen zu fassende Beschlüsse geben sollte?

c) Wenn ja, mit welcher Begründung?

Festlegungen hierzu sind in der gemeinsam von den Mitgliedern des Fachrates noch zu erarbeitenden und zu verabschiedenden Geschäftsordnung zu treffen.

11. a) Mit welcher Begründung sind 20 Prozent der Trägervertreter im Fachrat für den staatlichen Bereich vorgesehen, obwohl dieser nicht einmal 5 Prozent der Träger und nur etwa 7 Prozent der Einrichtungen ausmacht?

Dieses ergibt sich aus der konsensualen Grundannahme, dass im Fachrat die ambulanten Angebote der Hilfen für Abhängige von legalen und illegalen Drogen paritätisch vertreten sein sollen.

11. b) Beinhalten die „zehn Trägervertreter", die dem „Fachrat" angehören, auch den einladenden „Drogenbeauftragten" als Vertreter des Trägers BAGS? Wenn nein, warum nicht?

Nein. Der „Drogenbeauftragte" ist kein Trägervertreter, er vertritt die Planungs- und Fachbehörde. Vertreter des „Trägers" BAGS sind die Vertreter des „Verbundes staatlicher Suchtberatungsstellen". 12. a) Wann voraussichtlich wird sich der neue „Fachrat" konstituieren, und welche Regelhaftigkeit des Tagens ist geplant?

Die konstituierende Sitzung, in der auch über die künftige Sitzungsfrequenz beraten wird, fand am 17. Januar 2000 statt. 12. b) Wann hat der alte Fachrat in den dreieinhalb Jahren seit seiner Konstituierung die ­ gemäß seiner bisherigen, wenn auch nicht mehr gültigen Geschäftsordnung vorgesehenen ­ Berichte über seine Arbeit wem vorgelegt?

Siehe hierzu Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 16/2687.

13. a) Gibt es neben dem „Fachrat" ein Gremium aller Unterzeichner/innen der Rahmenvereinbarung, bzw. ist dessen Bildung beabsichtigt? Wenn ja, ggf. seit bzw. zu wann und in welcher Form konkret?

b) Gibt es ein Gremium, in dem alle von dieser Rahmenvereinbarung betroffenen Einrichtungen direkt(!) vertreten sind, bzw. ist dessen Bildung beabsichtigt? Wenn ja, ggf. seit bzw. zu wann und in welcher Form konkret?

Nein.

14. a) Wann rechnet der Senat mit der ­ gemäß Rahmenvereinbarung ­ angestrebten „Bildung einer Arbeitsgemeinschaft nach §95 BSHG", und wer soll ihr nach den bisherigen Überlegungen bzw. Planungen angehören?

b) Wie sind die Aufgaben des „Fachrates" gegenüber einer solchen AG abgegrenzt?

Hierzu sind noch keine Aussagen möglich. Dieses ist zunächst Gegenstand der Erörterung im Fachrat.

14. c) In welchen Bereichen gibt es in Hamburg zur Zeit ­ jeweils seit wann, unter wessen Vorsitz, Geschäftsführung o.ä. und mit welcher Zusammensetzung ­ Arbeitsgemeinschaften nach § 95 BSHG, und wie beurteilt der Senat ihre Arbeit?

Siehe hierzu Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drucksache 16/3639.

15. a) Gibt es in Hamburg auch für den Bereich der stationären und teilstationären Drogenund Suchtarbeit vergleichbare Qualitätsstandards und eine vergleichbare Rahmenvereinbarung? Wenn ja, seit wann, in welcher Form, wo fixiert, und wer trägt diese mit?

Wenn nein, warum nicht und strebt der Senat Vergleichbares ­ ggf. zu wann und in welcher Form ­ an?

b) Bei welcher Stelle liegt bzw. läge die Zuständigkeit für die Initiierung, Planung, Koordinierung usw. der Formulierung und Vereinbarung diesbezüglicher Standards?

In diesem Sinne vergleichbare Rahmenvereinbarungen existieren nicht. Die Zuständigkeiten für die Qualitätssicherung sind verankert in den gesetzlichen Regelungen SGBV und SGBIX sowie unter anderem im Berufsrecht und in den Leitlinien von wissenschaftlichen Fachgesellschaften.