Gewaltprävention an Schulen im Land Bremen

Die Bürgerschaft (Landtag) hat im Mai 2000 die Große Anfrage Ungestörter Ablauf von Schulunterricht debattiert und die Antwort des Senats zur Kenntnis genommen. Gewalt an Schulen ist immer noch ein wichtiges Thema und deren Bekämpfung weiterhin eine wichtige Herausforderung für Schule, Polizei, Sozialverwaltung und Politik. Deshalb eine erste Nachfrage.

Wir fragen den Senat:

1. Wie viele Schülerinnen und Schüler in welchen Schulformen und -stufen sind im Schuljahr 1999/2000 gegen Mitschülerinnen und -schüler, Lehrerinnen und Lehrer, nichtunterrichtendes Personal oder andere in der Schule gewalttätig geworden, und wie sind diese Zahlen im Vergleich zu den vorherigen fünf Schuljahren zu bewerten?

2. Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat seit dem Schuljahresbeginn 2000/2001 unternommen, um Gewalt an Schulen zu begegnen?

3. Sind die Streitschlichterprogramme, die an verschiedenen Schulen erfolgreich gestartet waren, ausgeweitet worden und wenn nein, warum nicht?

4. Wann und in welcher Form sollen die positiven Erfahrungen aus dem Bereich Bremer Westen aus der Zusammenarbeit zwischen Schule, Polizei, Sozial- und Jugendverwaltung auf andere Bezirke in Bremen übertragen werden, und welche Formen der Umsetzung plant der Senat?

5. Welche Kontakte hat der Senat bei der Bekämpfung von Gewalt an Schulen zu anderen Städten aufgenommen, und welchen Erfahrungsaustausch hat es hierbei gegeben?

6. In welcher Form hat der Senat die Arbeit des Schulpsychologischen Dienstes unterstützt, und wie bewertet der Senat die derzeitige personelle Situation des schulpsychologischen Dienstes?

7. Ist in Bremen ein vergleichbares Projekt wie das Haus der Jugend in Bad Cannstatt geplant und wenn nein, warum nicht?

Die o. a. Anfrage beantwortet der Senat wie folgt:

Zu Frage 1.: Wie viele Schülerinnen und Schüler in welchen Schulformen und -stufen sind im Schuljahr 1999/2000 gegen Mitschülerinnen und -schüler, Lehrerinnen und Lehrer, nichtunterrichtendes Personal oder andere in der Schule gewalttätig geworden, und wie sind diese Zahlen im Vergleich zu den vorherigen fünf Schuljahren zu bewerten?

Eine Statistik über Gewalttätigkeiten in der Schule liegt nicht vor.

Straftaten im Zusammenhang mit Gewalt an Schulen, bei denen es sich in der Regel um Körperverletzungs- und Raubdelikte handelt, werden von der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht gesondert erfasst, so dass ein Rückschluss von den Fallzahlen der Polizei auf den Tatort Schule nicht möglich ist. Nach Aussagen der Schulen und der Kontaktbereichsbeamten der Polizei spielen sich Gewalttätigkeiten im Bereich Schule eher auf dem Schulweg ab. In der Schule selber greift die soziale Kontrolle hinlänglich. Die mit der Anfrage erbetenen Zahlangaben können somit nicht gemacht werden.

Ordnungsmaßnahmen wegen gewalttätiger Handlungen werden von den Schulen gemäß der Verordnung über das Verfahren beim Erlass von Ordnungsmaßnahmen (Inkrafttreten 12. Mai 1998) verhängt und in diesem Zusammenhang erfasst.

Hier fanden im Schuljahr 1998/1999 19 Überweisungen an eine andere Schule statt. Die genauen Gründe hierfür lassen sich allerdings im Nachhinein nicht mehr differenzieren. Im Schuljahr 1999/2000 fanden 31 Ausschusssitzungen wegen schwerer Ordnungsmaßnahmen in Bremen statt. 19 (= 61 %) dieser Sitzungen fanden statt, weil die Schülerinnen und Schüler gewalttätig geworden waren.

Zu Frage 2.: Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat seit dem Schuljahresbeginn 2000/2001 unternommen, um Gewalt an Schulen zu begegnen?

Die in der Senatsvorlage zur Beantwortung der Großen Anfrage Ungestörter Ablauf von Schulunterricht vom 16. Februar 2000 genannten Maßnahmen zur Vermeidung von Gewalt an Schulen sind im letzten Schuljahr in den wesentlichen Punkten umgesetzt worden. Im Einzelnen handelt es sich um

- die Einrichtung einer ressortübergreifende Arbeitsgruppe

Mit Beginn des Schuljahres 2000/2001 ist unter Federführung des Senators für Bildung und Wissenschaft die Lenkungsgruppe Schule/Polizei eingerichtet worden, in der der Senator für Inneres, die Polizei Bremen und Schulvertreter vertreten sind.

Die Lenkungsgruppe hat eine Reihe von Projekten und Arbeitsvorhaben initiiert und begleitet. In konkreten Fällen von gewalttätigem Verhalten in Schule und ihrem Umfeld hat die Lenkungsgruppe die notwendigen Kooperationsbeziehungen zwischen den Ressorts hergestellt. Außerdem hat sie begonnen, Verfahrensschritte und Strukturen zu entwickeln, wie ressortübergreifend mit gewalttätigem Verhalten in Schule und ihrem Umfeld qualifiziert und professionell umgegangen werden kann.

Auf folgende Arbeitsvorhaben ist besonders hinzuweisen:

- Umsetzung des Rahmenkonzeptes Kooperation zwischen Schule und Polizei

Die Lenkungsgruppe hat die Entwicklung und Umsetzung des Rahmenkonzeptes Kooperation zwischen Schule und Polizei im Bremer Westen begleitet.

Dieses Konzept ist im vergangenen Jahr von Schul- und Polizeivertreterinnen und -vertretern gemeinsam entwickelt worden und wurde von den Deputationen für Bildung und für Inneres zustimmend zur Kenntnis genommen. Ziel dieser Vereinbarung ist es, die bisher eher punktuellen Kooperationsbeziehungen zwischen Schule und Polizei auszubauen und in eine umfassende ressortübergreifende Vernetzungsperspektive einzuordnen, die zunehmend auch die Bereiche Soziales, Kultur, Gesundheit und Justiz einbezieht.

Durch eine intensive vernetzte und kontinuierliche Arbeit aller am Erziehungsprozess beteiligten Institutionen und Personen soll die Wirksamkeit des Handelns unter Wahrung der jeweiligen Rolle deutlich erhöht werden. Wichtiger Grundgedanke des Rahmenkonzeptes ist es, dass innerhalb eines gemeinsamen Rahmens Form und Inhalte der Zusammenarbeit vor Ort von den Beteiligten festgelegt und verantwortet werden. Denn nur ein in diesem Sinn offenes System kann sich auf die unterschiedlichen Anforderungen und Problemlagen in den Schulen und Regionen einstellen und ermöglicht flexible Reaktionsmöglichkeiten und spezifische Lösungswege im unterschiedlichen regionalen oder sozialen Kontext. Deshalb wurde dieses Konzept auch zunächst im Bremer Westen im Hinblick auf seine Praxistauglichkeit und Wirksamkeit erprobt und weiterentwikkelt. Die Übertragbarkeit dieses Konzeptes - möglicher Weise in einer modifizierten Form - wird in einem weiteren Arbeitsschritt geprüft. (vgl. Frage 4).

- Einheitliches Verfahren zur vernetzten Begleitung und Kontrolle von Schülern mit richterlicher Weisung Ausgelöst durch gewalttätiges Verhalten von straffälligen Schülern gegenüber Lehrkräften an einer Schule initiierte die Lenkungsgruppe die Einrichtung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe, in der Vertreterinnen und Vertreter der Allgemeinen Berufsschule, der Erwachsenenschule, der Bewährungshilfe, des Amtes für Soziale Dienste, einschließlich der Jugendgerichtshilfe, des Jugendgerichts und der Polizei Bremen unter Federführung des Senators für Bildung ein einheitliches Verfahren erarbeitet haben, wie Jugendliche, deren Schulbesuch mit einer richterlichen Weisung erfolgt, vernetzt begleitet, kontrolliert und gefördert werden können.

Damit wird der Praxis der Jugendgerichte Rechnung getragen, die zunehmend den Schulbesuch für Jugendliche im Rahmen eines Strafverfahrens zur Auflage machen. Die beabsichtigte erzieherische Wirkung können richterliche Weisungen jedoch nur erzielen, wenn ihre Einhaltung kontrolliert und begleitet wird. Ein regelmäßiger Schulbesuch und eine engagierte Mitarbeit in der Schule sind in der Regel nur durch kontinuierliches gemeinsames Handeln von Schule, Familie/Betreuer und anderen beteiligten Institutionen (Soziales, Polizei) zu erreichen.

Das Verfahren soll zunächst pilothaft ein Jahr in der Allgemeinen Berufsschule und der Erwachsenenschule erprobt werden. Der Senator für Bildung hat Lehrerstunden für die Förderung, Begleitung und Integration dieser Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Kontinuierliche sozialpädagogische Arbeit wird von den Schulen bezogen auf diesen Schüler/-innenkreis für zwingend notwendig gehalten, konnte jedoch bisher nicht zur Verfügung gestellt werden.

- Verträge mit Jugendlichen bei gewalttätigem Verhalten

Die Vertreter/-innen der beteiligten Ressorts sind sich einig in der Einschätzung, dass rasches, zeitnahes und zielorientiertes Reagieren auf Normverstöße von Jugendlichen eine wichtige Voraussetzung ist, um Verhaltensänderungen möglich zu machen. Es muss ein unmittelbarer Bezug zwischen Normverstoß und der Sanktion erkennbar sein, Handlungsalternativen müssen praktisch deutlich werden. In diesem Zusammenhang werden Runde Tische und Verträge mit Jugendlichen bzw. ihren Eltern als geeignetes Mittel angesehen, um schnell und ganzheitlich zu reagieren. Aus aktuellem Anlass konnten inzwischen kurzfristig Runde Tische einberufen werden, an denen Vertreter der Schule, des Senators für Bildung und Wissenschaft, der Polizei und des Amtes für Soziale Dienste teilgenommen haben, um eine gemeinsame Handlungsstrategie vertreten.

In Verträgen mit den Jugendlichen und ggf. mit ihren Eltern wurden Verhaltensnormen fixiert, deren Umsetzung von den beteiligten Institutionen kontinuierlich begleitet und kontrolliert wurde. Dieses Verfahren wird positiv bewertet, weil es den Jugendlichen konkret verdeutlicht, welche Verhaltensmodifikation erwartet wird und gleichzeitig eine Fortsetzung