Erhöhte Sturmflutgefahr aufgrund der Elbvertiefung

Nach Berichten im „Hamburger Abendblatt" und Aussagen des Ozeanographen Müller-Navarra vom Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) hätte die Sturmflut vom 4. Dezember 1999 weniger glimpflich für Hamburg ablaufen können, wenn das Zentrum des Sturms über der Stadt gelegen hätte. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Anteil die Elbvertiefung am Sturmflutgeschehen hat.

Die Fragen befassen sich mit einer Sturmflut, die am 3. Dezember 1999 um 23.15 Uhr ihren höchsten Wasserstand erreichte.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Wie sind nach Auffassung des Senats die unterschiedlichen Wasserstandsvorhersagen des BSH (5 m) und des Hafenstabs (5,6 m) bezüglich der Sturmflut vom 4. Dezember 1999 zu erklären?

Die Vorhersagen des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie (BSH) beziehen sich auf die gesamte deutsche Nordseeküste (einschließlich der Ästuare), die des Hamburger Sturmflutwarndienstes WADI sind speziell auf Hamburg ausgerichtet. Aus dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung können sich während des Ablaufs einer Sturmflut vorübergehend auch unterschiedliche Prognosen ergeben.

2. Mit welchen Computermodellen wurden die Prognosen

a) des BSH sowie

Bei dem verwendeten Prognosenverfahren handelt es sich um eine Eigenentwicklung des BSH.

2. b) des Hafenstabs für die Pegelstände der Elbe während der Sturmflut am 4. Dezember 1999 berechnet?

In gleicher Weise wird vom Hamburger Sturmflutwarndienst ein eigens dafür entwickeltes Verfahren verwendet.

2. c) Mit welchen Computermodellen wurden die Prognosen zu den ausbaubedingten Änderungen der Tidedynamik bei Sturmfluten in den Gutachten zur Elbvertiefung berechnet?

Für die Untersuchung der Auswirkungen der 1999 durchgeführten Fahrrinnenanpassung auf die Sturmfluten wurde von der damit beauftragten Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) ein hochauflösendes mathematisches Ästuarmodell verwendet.

2. d) Wie bewertet der Senat die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der unter a) bis c) genannten Modelle hinsichtlich ihrer

­ räumlichen Auflösung,

­ zeitlichen Auflösung

­ und vor allem ihrer Aussageschärfe und Zuverlässigkeit bei der Prognose von Sturmflutwasserständen?

Das unter c) genannte Modell dient der Untersuchung der hydraulischen Vorgänge in der Elbe. Es ist nicht für Vorhersagen von Sturmfluten konzipiert, die innerhalb eines kurzen Zeitraums eine Verknüpfung von meteorologischen Ereignissen mit dem Tidegeschehen in der Nordsee erfordern. Im übrigen vgl. Antwort zu 1.

3. Wie ist zu erklären, dass der vom BSH prognostizierte höchste Sturmflutwasserstand vom 4. Dezember 1999 um 86 cm und die Prognose des Hafenstabs um 26 cm vom tatsächlich eingetretenen Wasserstand abwich?

Siehe Antwort zu 1.

4. Wurde ein Sturmflutszenario für den Fall berechnet, dass der Orkan vom 4. Dezember 1999 mit seinem Zentrum 150 km weiter südlich und somit über Hamburg gelegen hätte?

Ja.

Wenn ja:

4. a) Von wem und auf wessen Veranlassung wurde das Szenario berechnet?

b) Mit welchem Modell wurde die Berechnung durchgeführt?

Vom BSH auf eigene Veranlassung und mit dem eigenen Prognoseverfahren.

4. c) Welche Ergebnisse brachte die Modellrechnung bezüglich des höchsten Sturmflutwasserstandes?

Die für diesen Fall prognostizierten Extremwasserstände liegen unterhalb der für die Bemessung der Hamburger Hochwasserschutzanlagen verwendeten Werte.

5. Wie bewertet der Senat die Aussage des Wissenschaftlers Müller-Navarra in einem Artikel im „Hamburger Abendblatt" vom 6. Dezember 1999, dass bei einer Zugbahn des Orkans, die Hamburg berührt hätte, der Höchstwasserstand 2 m höher ausgefallen wäre?

Der Senat nimmt zu Äußerungen Dritter keine Stellung und beantwortet auch keine hypothetischen Fragen.

6. Nach Aussage des Meteorologen Mojib Latif vom Max-Planck-Institut im „Hamburger Abendblatt" vom 15. Februar 2000 ist in den nächsten Jahrzehnten mit häufigeren und schwereren Stürmen zu rechnen. Wie bewertet der Senat das Sturmflutrisiko für Hamburg und die bisher ergriffenen Sturmflutschutzmaßnahmen vor dem Hintergrund dieser Aussage in Verbindung mit der in Frage 5 zitierten Aussage?

Die laufenden Maßnahmen zur Verstärkung und Erhöhung der Hamburger Hochwasserschutzanlagen berücksichtigen die vorhandenen Erkenntnisse über meteorologische Extremereignisse und deren mögliche künftige Veränderungen.

7. Wie lang war die Vorwarnzeit bei der Sturmflut des 4. Dezember 1999, und nach welchem Modell wurde dies berechnet?

Die erste Sturmflutwarnung erfolgte am 3. Dezember um 8.30 Uhr, also knapp 15 Stunden vor Eintritt des Sturmflutscheitels um 23.15 Uhr.

8. a) WelcheVorwarnzeit(PrognoseeinerSturmflut/schweren Sturmflut für Hamburg bis zum Eintreten der Sturmflut) wird der Erfahrung nach benötigt, um rechtzeitige und ausreichende Sturmflutschutzmaßnahmen gewährleisten zu können?

Die benötigte Vorwarnzeit hängt von der Höhe der prognostizierten Sturmflut und den jeweils dazu einzuleitenden Maßnahmen ab. Sollte der vorhergesagte Wasserstand Räumungen oder Evakuierungen erforderlich machen, wird eine Vorwarnzeit von ca. acht bis neun Stunden bis zum astronomischen Hochwasser benötigt. Bei der Festlegung dieses Zeitbedarfs wurde sowohl ein früherer Eintritt des Scheitelwasserstandes als auch eine Zeitreserve von einer Stunde berücksichtigt.

8. b) Wann erfolgte die erste Prognose der schweren Sturmflut am 4. Dezember 1999?

c) Wann trat der höchste Wasserstand der Sturmflut am Pegel St.Pauli auf?

Siehe Antwort zu 7.

9. Liegen dem Senat Erkenntnisse über eine Veränderung der Fortschrittsgeschwindigkeit des Sturmflutscheitels zwischen Elbmündung und Hamburg im Zusammenhang mit der jüngsten Elbvertiefung vor? Wenn ja, welche?

Nein.