Rechnungshof

Tarifvertragliche Regelungen und ihre Anwendung

Grundlage für die Beschäftigung der Musiker ist der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK). Die Höhe der Vergütung der Musiker bemißt sich u.a. nach der Eingruppierung des Orchesters als solchem. Das Philharmonische Staatsorchester ist der höchsten Gruppe „A" zugeordnet.

Zur Diensterfüllung sieht der Tarifvertrag vor, dass die Musiker innerhalb eines „Ausgleichszeitraumes" von jeweils acht Wochen wöchentlich durchschnittlich acht Dienste leisten. Hierfür ergeben sich aus dem Tarifvertrag Jahresgehälter von typischerweise ca. 102.000 (Tuttist) bis rund 118.000 DM (Stimmführer). Hinzu kommen tarifvertraglich geregelte Aufwandsentschädigungen (Rohr-, Blatt- und Saitengeld, Kleidergeld) und „besondere Vergütungen" (vgl. Tz. 389) für besondere Leistungen der Musiker von jährlich rund 300.000 bis 400.000 DM für das Orchester. Außerdem zahlt das Orchester jedem Musiker eine außertarifliche Medienzulage (vgl. Tz. 393) von jährlich rund 11.700 DM.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass das Orchester einzelne tarifvertragliche Regelungen sehr großzügig handhabt. Dies betrifft insbesondere die dienstliche Inanspruchnahme, die Einstufung der Musiker in die Dienstaltersstufen und die Bemessung von „besonderen Vergütungen". Zurück Dienstliche Inanspruchnahme

Die Stellenausstattung ist darauf ausgerichtet, alle Opernaufführungen und Konzerte einschließlich der erforderlichen Proben zu besetzen. Trotzdem hat das Philharmonische Staatsorchester in den beiden Spielzeiten 1996/97 und 1997/98 mehr als 1,0 bzw. mehr als 1,2 Mio DM für die aushilfsweise Besetzung freier Stellen und der Stellen erkrankter Musiker ausgegeben.

Die Verpflichtung der Musiker, wöchentlich im Durchschnitt acht Dienste zu leisten, verringert sich auf sieben Dienste, wenn im Ausgleichszeitraum zahlenmäßig überwiegend Aufführungen von Werken enthalten sind, die nach der Partitur als schwierig zu beurteilen sind. Für die Bewertung als „schwierige Partitur" gibt es allerdings weder im TVK noch an anderer Stelle konkrete Anhaltspunkte. Es sind weder Grundsätze oder Kriterien für eine derartige Bewertung genannt, noch hat das Orchester selbst den Begriff für eine praktikable Handhabung der Regelung präzisiert.

Das Philharmonische Staatsorchester legt vielmehr die auf wöchentlich durchschnittlich sieben Dienste reduzierte Verpflichtung generell für die gesamte Spielzeit zugrunde, ohne nach Schwierigkeit der Partituren und deren Häufigkeit zu differenzieren.

Dies bedeutet, dass das Orchester pauschal auf wöchentlich einen Dienst je Musiker, d.h. auf mehr als 12 % der grundsätzlich vertraglich geschuldeten Leistung, verzichtet, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür geprüft zu haben.

Dieses Verfahren wird weder der Eingruppierung des Orchesters als Spitzenorchester noch der daraus folgenden Bezahlung der Musiker gerecht. Um den Einsatz von Aushilfen durch verbesserte Auslastung der eigenen Musiker zu verringern, hält es der Rechnungshof für erforderlich, die tarifvertragliche Regelung, ob und ggf. welche Werke für ein Spitzenorchester als schwierig anzusehen sind, zu konkretisieren.

Durch die gegenwärtigen Ausgleichsregelungen des TVK lässt sich selbst das auf durchschnittlich sieben Dienste reduzierte DienstSoll auch bei sehr gleichmäßigem Einsatz und günstiger Disposition des Orchesters kaum erreichen. Nicht in Anspruch genommene Dienste lassen sich nur sehr eingeschränkt im achtwöchigen Ausgleichszeitraum nachholen. Ein längerfristiger Ausgleich ist derzeit nach dem TVK nicht möglich. Außerdem wird bei Konzertreisen gegenwärtig die Erfüllung wesentlicher Teile der Wochendienste bereits durch die Reisezeiten tariflich ermöglicht.

Der Rechnungshof hat vorgeschlagen, die Möglichkeiten für die Verrechnung von Über- und Minderdiensten flexibler zu gestalten und die Anrechnung von Diensten im Zusammenhang mit Reisen und Proben neu zu regeln.

Zurück Einstufung nach Dienstalter

Das Orchester ordnet neu eingestellte Musiker nicht in die tatsächlich erreichte niedrigere, sondern in die nach TVK höchste zulässige Dienstaltersstufe ein. Zur Begründung wird angeführt, daß diese Möglichkeit im TVK ausdrücklich vorgesehen sei und bei anderen Orchestern, z. B. in Berlin, ebenso verfahren werde.

Der Rechnungshof hält die allgemeine Einstufung in die höchst zulässige Stufe nicht für vertretbar und auch die Begründung mit den Verhältnissen in Berlin nicht für stichhaltig. Besondere tarifliche Maßnahmen sind im seinerzeitigen Berlin (West) ermöglicht worden, um die Konkurrenzsituation angesichts der damals isolierten Lage der Stadt zu verbessern. Diese Besonderheit trifft auf das Philharmonische Staatsorchester nicht zu. Der Rechnungshof hat deshalb gefordert, neu einzustellende Musiker bei nächster sich bietender Gelegenheit in die zutreffende Stufe einzugruppieren.

Zurück Besondere Vergütungen

Die Musiker sind verpflichtet, im Rahmen ihres Leistungsvermögens sowohl andere als die im Arbeitsvertrag genannten als auch ungewöhnliche Instrumente gegen besondere Vergütung zu spielen. Die Kulturbehörde hat mit der Deutschen Orchestervereinigung als gewerkschaftlicher Organisation der Musiker eine Vergütungsregelung getroffen, in der diese Sonderhonorare als prozentuale Anteile der Grundvergütung festgelegt wurden. Dabei wurden zum Teil feste Anteile, zum Teil Honorarrahmen mit variablen Anteilen „je nach Umfang und Schwierigkeit der Leistung" vereinbart.

Bei der Bemessung der Entgelte hat das Orchester bisher regelhaft die vorgesehenen Rahmen nicht in Anspruch genommen, sondern generell den jeweiligen Höchstsatz zugrunde gelegt.

Der Rechnungshof hat dies beanstandet und gefordert, die entsprechenden Leistungen zu typisieren und Kriterien für eine Pauschalierung auch unterhalb des Höchstsatzes zu entwickeln.

Ziel muss es sein, nachvollziehbare Kriterien für eine angemessene und sachlich gerechtfertigte Sonderhonorierung zu entwickeln. Dabei gilt es, Fehlentwicklungen zu verhindern, wie z.B. die Zahlung einer besonderen Vergütung für das Spielen eines „ungewöhnlichen Instruments" an einen 1. Solisten, weil dieser in einem Konzert mit seinem Instrument ausnahmsweise die

2. Stimme spielen muß. Zurück Stellungnahme der Kulturbehörde

Die Kulturbehörde hat betont, sie teile die Kritik des Rechnungshofs insbesondere im tarifvertraglichen Bereich. Allerdings habe weder sie noch die Leitung des Philharmonischen Staatsorchesters die Möglichkeit, Änderungen allein vorzunehmen. Häufig könnten die Anregungen und Vorschläge nur an die Tarifvertragsparteien weitergeleitet werden.

Die Auslastung des Orchesters sei in der Spielzeit 1998/99 verbessert worden.