Anerkennung der Berufsausbildung als Krankenschwester von Aussiedlerinnen und Aussiedlern sowie Kontingentflüchtlingen

Bis vor kurzem konnten deutsche Aussiedler und Aussiedlerinnen, die in Osteuropa als Krankenschwester bzw. -pfleger gearbeitet hatten und gut deutsch sprechen, nach einem sechsmonatigen Praktikum an einem Hamburger Krankenhaus die Berufserlaubnis erhalten. Dabei wurde nun festgestellt, dass diese Ausbildung in osteuropäischen Staaten kein vergleichbares Niveau hat. Bereits seit 1995 wird gefordert, die Praktika in eine strukturelle Weiterbildung umzuwandeln sowie den Ausbildungsstätten die Leistungen zu vergüten. Mittlerweile verweigern viele Krankenhäuser in Hamburg die Aufnahme deutscher Aussiedlerinnen und Aussiedler als Praktikantinnen, da eine Regelung noch immer aussteht. In Niedersachsen wurde bereits eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Die Krankenpflegeverbände in Hamburg fordern eine Regelung in dieser Sache und verweisen auf den niedersächsischen Erlaß.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat.

Nach § 2 des Krankenpflegegesetzes von 1985 (KrPflG) ist die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Krankenschwester" zu führen, „... auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller

1. die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat,

2. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt,

3. nicht wegen eines körperlichen Gebrechens, wegen Schwäche seiner geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht zur Ausübung des Berufs unfähig oder ungeeignet ist." Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Ausbildung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossen haben, ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn die „Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes" gegeben ist. Der Begriff der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes wurde in Hamburg bis Ende 1999 so definiert, dass nicht allein formale Kriterien ausschlaggebend waren, sondern auch Tätigkeitszeiten im Ausland und dort erworbene Kenntnisse und Erfahrungen berücksichtigt wurden. Das bedeutete, dass die Mehrheit der Antragstellenden über ein ca. sechsmonatiges (unentgeltliches) Anpassungspraktikum in einem Krankenhaus die Möglichkeit erhielt, die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Pflegedienstleitungen der Krankenhäuser bescheinigten, dass die Antragstellenden den Anforderungen des Krankenpflegegesetzes entsprachen und über einen gleichwertigen Ausbildungsstand verfügten, bzw. begründeten, warum eine Erlaubniserteilung nicht befürwortet werden konnte.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. a) Inwieweit weichen die Qualitätsanforderungen an Krankenpflegepersonal mit einer Ausbildung in osteuropäischen Staaten von denen in Deutschland ab?

Da die Strukturen des Gesundheitswesens und des Bildungswesens der ehemaligen Sowjetunion wie auch der übrigen Ostblockstaaten zum Teil erheblich von den in Deutschland vorhandenen Strukturen abweichen, sind Unterschiede sowohl in der Dauer und im Umfang der Ausbildungen als auch in der Zielsetzung und in den Feldern der Berufsausübung festzustellen. Insbesondere die Anteile der pflegespezifischen Ausbildungsinhalte sind in der Regel deutlich geringer, während medizinische/ärztliche Ausbildungsinhalte überwiegen.

Infolgedessen erreichen beispielsweise die in der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Abschlüsse in der Regel nur ein zwischen der deutschen Krankenpflegehilfe und der Krankenpflege anzusiedelndes Niveau.

1. b) Wie ist diese Abweichung aus Sicht des Senats zu beurteilen?

Hamburg ist gehalten, sich an den für das hiesige Gesundheitssystem entwickelten Gesetzen und Vorschriften zu orientieren. Unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes werden die Qualitätsanforderungen an Krankenpflegepersonal, das nach dem geltenden Krankenpflegegesetz ausgebildet wird, für angemessen gehalten. Diese Anforderungen sind deshalb auch an im Ausland ausgebildetes Pflegepersonal zu stellen.

2. Ist dem Senat bekannt, dass Hamburger Krankenhäuser keine Praktikumsplätze mehr für die genannten Aussiedlerinnen und Aussiedler anbieten? Wenn ja: Seit wann und aus welchen Gründen im einzelnen?

Es ist bekannt, dass mehrere Krankenhäuser in Hamburg von einer Aufnahme von Praktikantinnen und Praktikanten absehen. Dieses ist allerdings nicht in der ausstehenden Regelung der Praktika begründet, sondern darauf zurückzuführen, dass es seit ca. 1996 mehrfach arbeitsgerichtliche Verfahren gab, bei denen die Krankenhäuser zur nachträglichen Zahlung von Arbeitslohn und Sozialabgaben verurteilt wurden.

3. Wie stellt sich aus Sicht des Senats die derzeitige rechtliche Situation in dieser Angelegenheit dar?

Die derzeitige Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichtes hat zwischenzeitlich zu einer neuen Situation geführt. Danach ist nicht mehr der individuelle (subjektive) Ausbildungsstand Maßstab der Bewertung, sondern es ist allein ein objektiver Maßstab anzulegen. Dies bedeutet, dass die ausländische Ausbildung anhand der ausländischen Ausbildungsgesetze, der Nachweise über Mindestdauer und Inhalte der Ausbildung sowie der Art der Leistungskontrolle/Prüfung mit der deutschen Ausbildung zu vergleichen ist. Die Ableistung von Anpassungspraktika ist danach als Beurteilungskriterium ebensowenig rechtmäßig wie die Durchführung einer „strukturellen Weiterbildung". Folgerichtig werden deshalb in Hamburg gegenwärtig nur noch laufende Verfahren unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes in der bis Ende 1999 praktizierten Weise abgeschlossen. Anträge neuer Antragsteller/innen werden ausschließlich nach den o.g. objektiven Kriterien geprüft und beschieden.

4. Hat sich der Senat mit den Forderungen der Berufsverbände für Krankenschwestern und Krankenpfleger befaßt? Wenn ja: Wie beurteilt der Senat diese vor dem Hintergrund einer möglichst schnellen Integration auch in das Berufsleben, und wann wird der Senat eine Entscheidung treffen? Wenn nein: Warum nicht?

Die Forderung, die Praktika in eine strukturelle Weiterbildung umzuwandeln, geht auf das bis 1993 bestehende Angebot eines Qualifizierungslehrgangs für Pflegepersonal aus Osteuropa zurück, der von der Norddeutschen Pflegeakademie des Deutschen Berufsverbandes für Krankenpflege (DBfK; heute: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe) durchgeführt wurde. Diese Maßnahme wurde bis 1993 vom Arbeitsamt gefördert. Versuche, die Förderung wieder aufzunehmen, sind mit Hinweis auf die gekürzten Haushaltsmittel der Arbeitsverwaltung in Hamburg bisher gescheitert.

Die Frage der Anerkennung insbesondere osteuropäischer Pflegeausbildungen ist im vergangenen Jahr auch auf Initiative Hamburgs in den entsprechenden Bundesgremien problematisiert worden. Um zu möglichst bundeseinheitlichen Verfahrensweisen zu kommen, hat sich eine Länderarbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Saarlandes gebildet, um bis Mitte 2000 einen Vorschlag zu erarbeiten. Angesichts des gegenwärtigen Rechtszustandes, der den Anerkennungsbehörden keinen Ermessensspielraum läßt, ist vorrangig der Bundesgesetzgeber aufgerufen, im Interesse der Rechtssicherheit möglichst umgehend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu reagieren und das Krankenpflegegesetz entsprechend zu ändern. Hamburg befürwortet eine rechtlich einwandfreie und länderübergreifend abgestimmte Verfahrensweise und arbeitet deshalb in der Länderarbeitsgruppe mit.