Ermittlungen ist die Jugendgerichtshilfe

Für die Durchführung dieser Ermittlungen ist die Jugendgerichtshilfe zuständig. Soweit möglich, sollen auch der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende gehört werden (§ 43 Abs. 1 Satz 2 JGG). Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung durch einen Sachverständigen zu veranlassen (§ 43 Abs. 2 JGG).

Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll vor Anklageerhebung auch der Beschuldigte vernommen werden (§ 44 JGG).

Das Vorverfahren endet mit der Einstellung des Verfahrens oder der Erhebung der Anklage.

Das Hauptverfahren Zwischen dem Vorverfahren und der Eröffnung des Hauptverfahrens prüft der Jugendrichter, ob der Angeklagte der Tat hinreichend verdächtig ist (§ 203 StP0) und die Prozessvoraussetzung gegeben sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, lehnt der Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Im JGG gibt es im Gegensatz zur StP0 die besondere Möglichkeit, dass der Richter unter den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 JGG das Verfahren nach Einreichung der Anklage das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen kann, wenn eine solche formlose Erledigung unter erzieherischen Gesichtspunkten ausreicht nach einer erzieherischen Maßnahme im Sinne von § 45 Abs. 2 JGG, einer richterlichen Maßnahme im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 1 (Ermahnung, Weisung oder Auflage) oder dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Geschädigten zu erreichen.

Für die Hauptverhandlung gelten zwar grundsätzlich die Vorschriften für das Verfahren gegen Erwachsene (§§ 226 bis 275 StP0), dabei sind jedoch die besonderen Aufgaben des Jugendstrafverfahrens zu berücksichtigen.

Folgende Besonderheiten gelten im Jugendgerichtsverfahren, um erzieherische Nachteile für den Jugendlichen soweit wie möglich zu vermeiden:

- Die Hauptverhandlung gegen Jugendliche ist grundsätzlich nicht öffentlich (§ 48 JGG).

- Für Gruppenverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gilt allerdings wiederum der Öffentlichkeitsgrundsatz mit der Möglichkeit des Ausschlusses aus erzieherischen Gründen.

- Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten nur stattfinden, wenn neben den Voraussetzungen der §§ 232 und 233 StP0 zusätzlich besondere Gründe vorliegen (§ 50

JGG), weil der persönliche Eindruck im Verfahren gegen Jugendliche besonders wichtig ist.

Andererseits kann der Angeklagte ausnahmsweise zeitweise von der Erörterung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden, wenn Nachteile für die Erziehung entstehen können (§ 51 JGG).

- Eltern und andere Erziehungsberechtigte, der gesetzliche Vertreter und der Vertreter der Jugendgerichtshilfe haben als Verfahrensbeteiligte besondere Rechte auf Anhörung und Beteiligung (§§ 67, 38 Abs. 3, 50 Abs. 3, 78 Abs. 3 Satz 2 JGG).

Der Jugendliche hat ein Recht auf Verteidigung. Dies ist in den §§ 140 ff. StP0 geregelt; § 68 JGG ergänzt diese Vorschriften. In der Praxis hat das Gericht oft schwierige Ermessensentscheidungen zu treffen, ob ein Pflichtverteidiger „wegen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder... weil der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann" zu bestellen ist.

Für die Begründung des Urteils gilt neben § 267 StP0 ergänzend § 54 JGG, der den Besonderheiten des materiellen Jugendstrafrechts Rechnung tragen soll: „Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an den Familien- oder Vormundschaftsrichter oder für das Absehen von Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren, Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden." Die sorgfältige Persönlichkeitsbeurteilung soll nicht nur der Nachprüfbarkeit des Urteils dienen, sondern auch der erzieherischen Durchführung der angeordneten Sanktionen.

Rechtsmittelverfahren

Im allgemeinen Strafverfahren ist regelmäßig (mit wichtigen Ausnahmen) ein zweistufiges Rechtsmittelverfahren möglich (Berufung und Revision). Um die Verzögerungen, die sich daraus ergeben können, im Hinblick auf die besondere Bedeutung einer schnellen Reaktion auf die Taten von Jugendlichen zu begrenzen, gelten im Jugendstrafverfahren folgende Besonderheiten:

- Jeder Anfechtungsberechtigte kann gegen Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts nur ein Rechtsmittel einlegen, entweder Berufung oder Revision (§ 55 Abs. 2 Satz 1 JGG).

- Entscheidungen, in denen lediglich erzieherische Weisungen, Erziehungsbeistandschaft oder Zuchtmittel angeordnet werden, können nur hinsichtlich der Schuldfrage angefochten werden, nicht aber wegen des Umfangs der Maßnahmen und auch nicht deshalb, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen (§ 55 Abs. 1 JGG).

Besondere Verfahrensarten Folgende besondere Verfahrensarten des Allgemeinen Strafprozessrechts sind gegen Jugendliche ausgeschlossen:

- Privatklage (§ 80 Abs. 1 JGG)

- Nebenklage (§ 80 Abs. 3 JGG)

- Strafbefehlsverfahren (§ 79 Abs. 1 JGG)

- Beschleunigtes Verfahren (§ 79 Abs. 2 JGG). Privatklage und Nebenklage sind nicht zulässig, um die Gefahr zu vermeiden, dass die erzieherischen Gesichtspunkte des Jugendstrafverfahrens gegenüber der Durchsetzung der Interessen des Verletzten in den Hintergrund treten. Der Verletzte soll zur Durchsetzung seiner Interessen auf den Zivilprozess beschränkt sein.

Das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff. StPO) und das beschleunigte Verfahren (§§ 417 ff. StPO) sind nicht zulässig, weil sie die im Jugendgerichtsverfahren angestrebte umfassende Würdigung der Persönlichkeit des Jugendlichen nicht ermöglichen.

Zur vereinfachten und beschleunigten Entscheidung über leichte Straftaten gibt es im Jugendstrafverfahren das „vereinfachte Jugendverfahren" (§§ 76 bis 78 JGG):

Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter schriftlich oder mündlich beantragen, im vereinfachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendrichter ausschließlich Weisungen erteilt, Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsbestandschaft anordnen, Zuchtmittel verhängen, auf ein Fahrverbot erkennen, die Fahrerlaubnis entziehen und eine Sperre von nicht mehr als zwei Jahren festsetzen oder den Verfall oder die Einziehung aussprechen wird. Der Antrag der Staatsanwaltschaft steht der Anklage gleich (§ 76 JGG). Der Richter kann die Entscheidung im vereinfachten Verfahren durch unanfechtbaren Beschluss ablehnen, wenn sich die Sache hierzu nicht eignet, insbesondere, wenn die Verhängung von Jugendstrafe wahrscheinlich oder eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, so muss der Staatsanwalt eine Anklageschrift einreichen (§ 77 JGG). Der Richter entscheidet dann im normalen Verfahren.

Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren nicht ab, braucht der Staatsanwalt an der Verhandlung nicht teilzunehmen. Nimmt er nicht teil, so bedarf es seiner Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens in der Verhandlung nicht (§ 78 Abs. 2 JGG).

Die Ausgestaltung der Verhandlung liegt weitgehend im pädagogischen Ermessen des Richters.

Zur Vereinfachung, Beschleunigung und jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von Verfahrensvorschriften abgewichen werden, soweit dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht beeinträchtigt wird. Die Vorschriften über die Anwesenheit des Angeklagten, die Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters und die Mitteilung von Entscheidungen müssen beachtet werden (§ 78 Abs. 3 JGG). Nicht zwingend sind die Vorschriften über die Ladungsfristen (§ 217 StP0), so dass es möglich ist, die Vorführung eines auf frischer Tat ergriffenen Jugendlichen mündlich anzuberaumen.

Der Jugendrichter entscheidet auch im vereinfachten Jugendverfahren aufgrund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil (§ 78 Abs. 1 JGG). Das Urteil ist mit den gleichen Rechtsmitteln anfechtbar wie das Urteil im normalen Jugendverfahren.

U-Haft bzw. ihre Vermeidung:

Die allgemeinen Haftgrundsätze ergeben sich aus den §§ 112 ff. StP0. Die Untersuchungshaft dient der Verfahrenssicherung gegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr, deren Gründe der Richter darlegen muss. Bei Tötungsdelikten gilt gemäß § 112 Abs. 3 StP0 eine Erweiterung, deren Reichweite vom Bundesverfassungsgericht allerdings eingeschränkt worden ist. Im übrigen gibt es bei bestimmten Deliktsgruppen den Haftgrund der Wiederholungsgefahr, sofern dieser exakt begründet werden kann (§ 112 a StP0).

Diese allgemeine Rechtslage wird für Jugendliche unter 16 Jahren ganz erheblich eingeschränkt auf praktizierte Flucht oder deren Vorbereitung sowie den Fall, dass der Jugendliche keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Auch im übrigen enthält § 72 JGG besondere Einschränkungen gegenüber dem allgemeinen Haftrecht. Das JGG versucht aus kriminologischen und pädagogischen Gründen zu vermeiden, dass Jugendliche in Untersuchungshaft kommen.

Unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Haftbefehl erlassen werden kann, kann auch die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Abs. 2) angeordnet werden. In diesem Fall kann der Richter den Unterbringungsbefehl nachträglich durch einen Haftbefehl ersetzen, wenn sich dies als notwendig erweist.