Forschung

Organozinnverbindungen in Textilien und Nahrungsmitteln

Nach Presseberichterstattungen wurden von unabhängigen Forschungslaboren giftige Organozinnverbindungen (Tributylzinn [TBT], Dibutylzinn, Monobutylzinn) in Textilien und Fischkonserven verschiedener Hersteller gefunden. Jüngstes Negativbeispiel eines TBT-Fundes sind, laut eines „HA"-Artikels vom 13. Mai, Babywindeln.

Organozinnverbindungen werden über die Haut oder Nahrungsmittel aufgenommen und sollen Auswirkungen auf den Organismus haben, die sich in Hormon- und Immunsystemstörungen äußern. Strittig ist dabei, welche Dosis zu welchen Wirkungen führen kann. Bei der Wasserschnecke sind jedoch schon bei einem milliardstel Gramm TBT Mißbildungen zu beobachten gewesen.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Ist dem Senat bekannt, dass Organozinnverbindungen in Textilien, Babywindeln und Fischkonserven festgestellt wurden? Wenn ja:

a) Seit wann und in welchen Produkten bzw. Nahrungsmitteln?

Der Verdacht, dass Tributylzinn (TBT) in verschiedenen Produkten wie Bekleidungstextilien, Babywindeln sowie Fischen und anderen Meerestieren enthalten sein kann, ist bekannt. Verschiedene Meldungen zu der Problematik haben die zuständige Behörde seit dem zweiten Halbjahr 1999 erreicht.

1. b) Hat der Senat eigene Untersuchungen durchführen lassen mit ggf. welchem Ergebnis?

c) Welche Sofortmaßnahmen hat der Senat ergriffen, und welche gedenkt er noch zu ergreifen?

Orientierende Untersuchungen von Fischen auf TBT wurden im Rahmen der Erhebung der Umweltbelastung in Elbe, Hafen und innerstädtischen Gewässern bereits 1995/1996 durchgeführt (vgl. Hamburger Umweltberichte Nummer 55/98).

Die zuständige Behörde wird im Laufe des Jahres im Rahmen der Norddeutschen Kooperation (NOKO) verstärkt Produkte durch das Lebensmittel- undVeterinäruntersuchungsamt des Landes Schleswig-Holstein Außenstelle Kiel untersuchen lassen.

Bisher gibt es für die TBT-Belastung keine Grenzwerte. Hamburg wird sich in diesem Jahr an den erforderlichen bundesweiten Untersuchungen zur Festlegung von Höchstwerten beteiligen. Für das Jahr 2001 ist darüber hinaus eine Mitwirkung Hamburgs im Rahmen des bundesweiten Monitoring an Untersuchungen von Fischen auf TBT geplant.

1. d) Sind ggf. welche Hamburger Unternehmen betroffen gewesen?

Nach Kenntnis der zuständigen Behörde sind Hamburger Unternehmen nicht betroffen.

2. Existieren bisher Verwendungsverbote der o.g. Organozinnverbindungen? Wenn ja, für welche Produkte der Textilindustrie und Babywindelhersteller?

Verwendungsverbote für Organozinnverbindungen existieren nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Gemäß Anhang IV Nummer 5 der GefStoffV dürfen Antifoulingfarben, die zinnorganische Verbindungen enthalten, nicht für Bootskörper mit einer Gesamtlänge unter 25 m verwendet werden.Künftig soll dieses Anwendungsverbot auf Schiffe jeder Länge, die überwiegend auf Binnenwasserstraßen und Seen eingesetzt werden, ausgeweitet werden. Darüber hinaus ist ein weltweites Verbot zinnorganischer Verbindungen in Antifoulinganstrichen für Schiffe mit einer Länge über 25 m in den nächsten Jahren ­ voraussichtlich ab 2003 ­ geplant.

Außerdem wird in Anhang IV Nummer 8 der GefStoffV geregelt, dass Gefahrstoffe, die zinnorganische Verbindungen enthalten, nicht zur Aufbereitung von Wasser im industriellen, gewerblichen und kommunalen Bereich, unabhängig von seiner Verwendung, verwendet werden dürfen.

Verwendungsverbote für zinnorganische Verbindungen zur Herstellung von Produkten der Textilindustrie und zur Herstellung von Babywindeln bestehen zur Zeit nicht.

Zinnorganische Verbindungen können als antimikrobiell wirksame Mittel in Textilprodukten und als Stabilisator für Polyvenylchloride (PVC) sowie als Katalysator für bestimmte Polymere, wie z. B. Fluor- und Silikonpolymere und Polyurethan, eingesetzt werden. In Deutschland werden zinnorganische Verbindungen nicht zur antimikrobiellen Ausrüstung von Bekleidungstextilien eingesetzt, sondern nur als Materialschutz bei Schwertextilien, wie Abdeckplanen und Zelten.

Zur antimikrobiellen Ausrüstung sind Gehalte von ca. 0,1 Prozent (= 1000 mg/kg) im Textil erforderlich, die Gehalte, die als Stabilisator oder Katalysator für Kunststoffanteile in Windeln eingesetzt werden, liegen wesentlich niedriger (TBT-Gehalte in Windeln nach Angaben von Greenpeace: 2 bis 8 µg/kg).

3. Existieren Grenzwerte für Organozinnverbindungen? Wenn ja, für welche Produkte der Textil- und Fischindustrie sowie für welche Windelprodukte?

Für die in Frage stehende Organozinnverbindung TBT existiert für Lebensmittel, Textilien oder Windelprodukte zur Zeit kein Grenzwert.

4. Wie erklärt sich der Senat die Belastung der Fischkonserven, und welche Maßnahmen hält der Senat für sinnvoll, um die Belastung zu reduzieren?

Die Belastung von Fischen ist auf die Abgabe von TBT aus Antifoulinganstrichen in das Meerwasser zurückzuführen. Die Großschiffahrt setzt solche zur Verhinderung des Bewuchses mit Meerestieren an Schiffsrümpfen ein.

Im übrigen wird auf die Antworten zu 2. und zu 6. verwiesen.

5. Ist dem Senat bekannt, ob und von wem Analysen bezüglich Organozinnverbindungen bei Lebensmittelkontrollen durchgeführt werden?

Nach Kenntnis der zuständigen Behörde wurden im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung bisher orientierende Analysen unter anderem in den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen durchgeführt. Eine koordinierte Überwachung ist zur Zeit bundesweit im Aufbau (siehe Antwort zu 1.b und c).

6. Welche Maßnahmen hält der Senat für sinnvoll, um Verbraucher/innen kurz-, mittel- und langfristig vor Belastungen durch Organozinnverbindungen zu schützen?

Die in der Antwort zu 2. genannte Ausweitung der Anwendungsverbote für Organozinnverbindungen als Antifoulinganstriche wird als sinnvolle Maßnahme angesehen.

Darüber hinaus wird sich Hamburg dafür einsetzen, dass die von der Bundesregierung geplante Festlegung von Höchstwerten für TBT zeitnah umgesetzt wird.