Mindestlohn

Stadtbürgerschaft 1302 31. Sitzung/27.10. auch Erpressung, dem stimme ich zu - dürfen nicht zu Arbeitsbedingungen führen, wie sie bei dem Privatunternehmen Medicent Bremen üblich sind.

Nach einem uns vorliegenden Arbeitsvertrag zwischen dem Unternehmen Medicent Bremen und einem Arbeitnehmer wird dieser als Rettungssanitäter im qualifizierten Rettungsdienst eingesetzt. In diesem Vertrag werden durchschnittlich 48 Zeitstunden pro Woche festgelegt und dazu eine zusätzliche Schicht von 12 Stunden im Monat. Damit ist der Kollege schon 51 Stunden im Dienst. Im Vertrag steht außerdem, dass der Mitarbeiter temporär und unter der Berücksichtigung der Interessen von Medicent über diese 51 Stunden hinaus noch weitere Mehrarbeit zu leisten hat. Das Gehalt steht im eklatanten Widerspruch zu dieser Arbeitszeit und der verantwortungsvollen Tätigkeit: 6,25 Euro brutto pro Stunde, ich wiederhole, 6,25 Euro brutto pro Stunde!

Im Bremer Hilfeleistungsgesetz steht - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -, dass eine Genehmigung entzogen werden kann wenn durch ihre Erteilung das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes oder an der Gewährleistung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach Paragraf 12 des SGB V für die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallversorgung und des qualifizierten Krankentransports beeinträchtigt wird.

Sind diese Kolleginnen und Kollegen, die eine solche Arbeitswoche hinter sich haben, im Wechseldienst, Tag und Nacht, an Wochenenden und Feiertagen, tatsächlich immer voll konzentrationsfähig, und das, wenn dazu noch die finanziellen Sorgen kommen bei einer Arbeitswoche, die 51 Stunden und mehr umfassen kann? Das ist weder für die Beschäftigten noch für die Bevölkerung hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Einen weiteren Aspekt halten wir noch für wichtig:

Wenn dieses Privatunternehmen vom Senator für Inneres und Sport die Krankentransportgenehmigung bekommt, sorgt der Senat für Dumpinglöhne. Seine Absichtserklärung, bei Auftragsvergabe nur Mindestlöhne von 7,50 Euro zuzulassen, ist im privaten Rettungsdienst nicht umgesetzt worden. Die Bediensteten des Rettungsdienstes stehen oft hilflosen Opfern von Unfällen, älteren Patienten, die ihr gewohntes Umfeld aus Angst nicht verlassen und ins Krankenhaus gebracht werden möchten, oder in Panik geratenen Angehörigen gegenüber. Oft müssen sie sogar dem Tod ins Auge sehen. Sie verdienen unsere Hochachtung.

Das Rettungswesen ist eine städtische Aufgabe.

Die Stadtgemeinde Bremen hat einen jederzeit einsatzbereiten Rettungsdienst bereitzustellen.

Dies geschieht zum einen Teil durch die Berufsfeuerwehr und zum anderen Teil durch den Einsatz privater Hilfsorganisationen, die unter der Aufsicht Bremens als Verwaltungshelfer tätig werden. Die Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr sind städtische Beamte. Für sie gelten die Regeln des Beamtenrechts, sodass sie von diesem Antrag nicht betroffen sind.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsorganisationen hingegen sind bei den Hilfsorganisationen angestellt. Ihren Arbeitsverträgen liegt ein Tarifvertrag zugrunde. In diesem Tarifvertrag ist vorgesehen, dass wöchentliche Arbeitszeiten bis zu 48 Stunden möglich sind, was sich aus den Wartezeiten zwischen Einsätzen und Bereitschaftszeiten ergibt. Wie sich der Tag eines Retters oder einer Retterin in Bremen in Einsatzzeiten und Wartezeiten aufteilt, wissen wir nicht. Ob 40, 44 oder 48 Stunden angemessen sind, kann man erst sagen, wenn man eine Untersuchung vorgenommen hat. Deshalb ist ein Bericht über die Arbeitssituation im Rettungsdienst in der Innendeputation sinnvoll. Sitzung/27.10.

Wir lehnen es vor dem Hintergrund der Tarifautonomie ab, sich in die Arbeitsverträge zwischen Hilfsorganisationen und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einzumischen. Deshalb beantragt die CDU-Fraktion getrennte Abstimmung. Den vorliegenden Änderungsantrag der LINKEN lehnen wir allerdings ab. - Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU) Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

(Abg. Fecker [Bündnis 90/Die Grünen]: Jetzt kommt ein Rettungssanitäter!) Abg. Dr. Buhlert (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, Herr Kollege Fecker, ein Helfer und Fahrer im Rettungsdienst, zu mehr habe ich es als Zivildienstleistender nicht gebracht! Ich bin aber sehr froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte, sie hat in meinem Leben doch einiges geprägt, und es ist, wie der Kollege Tschöpe sicherlich sagen kann, eine anstrengende Tätigkeit, die wir da - ich während meines Zivildienstes - gemacht haben. Das hat mich aber dazu gebracht - auch in den Gesprächen, die wir jetzt geführt haben -, noch einmal nachzufragen, was sich denn verändert hat, denn bei mir ist es ja nun auch schon mehr als 20 Jahre her, als ich das gemacht habe, und es hat sich etliches verändert. Das gilt es auch, sich bei dieser Diskussion vor Augen zu halten. Da müssen wir doch genau hinschauen, was eigentlich in der Zeit dazwischen gemacht wird. Es gibt erst einmal keine Pausen, sondern man muss immer bereit sein, jederzeit aufspringen, das Brot liegen lassen, die Suppe oder sonst irgendetwas stehen lassen, um den Dienst zu tun und die Zeit dazwischen sinnvoll zu nutzen.

Es ist auf das Reinigen der Wagen hingewiesen worden, aber das ist nur ein Teil. Es gilt ja auch für Rettungssanitäter, dass sie sich nicht nur in Fortbildungen und Lehrgängen fachlich und körperlich fit halten, sondern eben auch die Zeit während des Dienstes sinnvoll dafür nutzen.

Insofern ist das auch nicht vergleichbar mit der Situation der Feuerwehr, die in ihrer Dienstzeit von viel längeren Zeiten inzwischen auf 48 Stunden pro Woche zurückgefahren wurde. Die Feuerwehrleute, die auch im Rettungsdienst tätig sind, sind das eben nicht im ganzen Jahr, sondern sie machen diesen Dienst auch anders und in anderen Schichten. Es ist so, dass sie zwar einen 24-Stunden-Dienst haben, aber keiner fährt 24 Stunden einen Rettungseinsatz nacheinander.

Auch das ist eben nicht vergleichbar mit dem Dienst, den die Menschen in den Hilfsorganisationen verrichten, und deswegen ist da auch eine andere Arbeitszeit beim Roten Kreuz, bei den Maltesern und beim ASB gerechtfertigt als bei der Feuerwehr.

Wir müssen dabei auch beachten, dass wir hier nicht Ungleiches miteinander vergleichen. Dieses Ungleiche miteinander vergleichen macht die LINKE, wenn sie hier das Thema Krankentransporte mit hineinbringt. Das ist eine Diskussion, die wir sicherlich führen werden, zu der die FDP eine andere Position hat. Wir haben kein Problem damit, wenn Private Krankentransporte vornehmen, wir haben aber ein Problem damit, wenn gewerberechtliche Vorschriften und Tarifverträge nicht eingehalten werden. In der Tat, damit haben auch wir ein Problem! Dass aber Private diese Tätigkeit ausüben, damit haben wir kein Problem. Der Rettungsdienst ist hier etwas anderes: Er soll von qualifiziertem Personal wahrgenommen werden, das eben nicht überanstrengt und überlastet ist.

Deswegen sind wir der Auffassung, dass es hier keine Verlängerung der Arbeitszeit geben sollte.

Dennoch werden wir uns zu Punkt 1 enthalten, schlichtweg weil wir auch der Auffassung sind, dass wir hier als Bürgerschaft keine Regelungskompetenz haben. Wir halten aber deutlich gesagt 48 Stunden für zu viel, und damit der Senat Argumente hat, ist doch ein Bericht, der zusammenträgt, wie die Arbeit und die Belastung aussehen, mehr als hilfreich. Ich bin sicher, da kommt ganz deutlich heraus, eine Mehrbelastung ist nicht gerechtfertigt. Dann hat der Senat auch die Argumente, um den Krankenkassen deutlich zu sagen:

Was ihr hier wollt, ist zu viel, das überfordert die Männer und Frauen, die dort den Dienst verrichten, den wir als Gesellschaft in einer guten Qualität haben wollen. Jeder, der einmal einen Rettungswagen braucht, weiß, was er erwartet und was er dann gern hätte. Das müssen auch die Krankenkassen im Kopf haben, die hier einerseits die Interessen der Beitragszahler im Blick haben müssen, aber andererseits auch die Verpflichtung haben, für eine gute Leistung zu zahlen, damit Stadtbürgerschaft 1304 31. Sitzung/27.10. ihre Versicherten auch wieder gesund werden. Es werben ja alle mit der Gesundheit, und insofern müssen auch sie diesen Argumenten folgen.

Deswegen unterstützen wir die Punkte 2 und 3 des hier vorgelegten Antrags. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP) Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Staatsrätin Buse.

Staatsrätin Buse: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben hier große Einigkeit erzielt, was die Bewertung der Tätigkeit der Männer und Frauen betrifft, die im Rettungsdienst tätig sind. Niemand stellt in Abrede, dass dies ein ganz harter Job ist, eine anstrengende Arbeit und eine hochgradig belastende Arbeit. Der Träger des Rettungsdienstes, vertreten durch den Senator für Inneres und Sport, hat sich in der Vergangenheit immer für die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt und den Standpunkt vertreten, dass es die Art der Tätigkeit im Rettungsdienst verbietet, die Arbeitszeit zu erhöhen.

Ein qualitativ hochwertiger Rettungsdienst verlangt nach entsprechenden Arbeitsbedingungen.

Die Höhe der wöchentlichen Arbeitszeit spielt für den Senator für Inneres insofern keine Rolle, als er die Arbeitszeit selbst festlegt, sondern indirekt dadurch, dass bei der Festsetzung der Gebühren, des Entgelts, das die Krankenkassen dann für jeden Einsatz zahlen müssen, die Arbeitszeit ein Berechnungsfaktor ist. Hier wirkt sich ganz unmittelbar die Häufigkeit und Dauer der Tätigkeiten auf die Anzahl der Mitarbeiter im Rettungsdienst aus. Bei der Gebührenkalkulation für 2010, die wir demnächst vorlegen werden, geht der Senator für Inneres und Sport weiterhin von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 44 Stunden bei den Hilfsorganisationen aus.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben aber eingangs bereits gehört, dass die Krankenkassen noch nicht ihr Einverständnis dazu erklärt haben. Es ist deswegen unsere Aufgabe, die Krankenkassen davon zu überzeugen, dass dieser Ansatz der richtige ist.

Ich stelle fest, die Stadtbürgerschaft lehnt den Änderungsantrag ab.

Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/391 S abstimmen.

Hier ist getrennte Abstimmung beantragt.

Zuerst lasse ich über den Punkt 1 abstimmen.

Wer dem Punkt 1 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU) Stimmenthaltungen?

(FDP)

Ich stelle fest, die Stadtbürgerschaft stimmt dem Punkt 1 zu.