Berufsschulsport

Die Behördenleitung der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) hat am 12. April 2000 eine „Zwischenbilanz nach zwei Schuljahren" zum hamburgischen Sport-Gutscheinsystem der Berufsschulen (duales System) herausgegeben.Hier ersetzt der Sport-Gutschein den Berufsschulsport.

Es wird festgestellt, dass bei hohen Kosten (2,4 Millionen DM/Jahr) eine nur sehr geringe Einlösung von Gutscheinen zu verzeichnen ist.Dennoch soll das Outsourcing-Konzept demnächst auf eine breitere Basis gestellt werden.

Es wird nicht erwogen, den Sportunterricht wieder in die Berufsschulen zurück zu verlagern.

Angesichts mehrerer Presseberichte zum Missbrauch von Gutscheinen und zu Verschlechterungen des Lernklimas bis hin zur zunehmenden Gewalt an den Berufsschulen und der Entscheidung der Mitgliederversammlung des Hamburger Sportbundes vom 16. Mai 2000, die Ausweitung abzulehnen und den Gutscheinvertrag zu kündigen, fragen wir den Senat.

Im Rahmen der zwischen dem Hamburger Sportbund (HSB) und der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) geschlossenen „Vereinbarung zur Förderung von Auszubildenden im Rahmen des Vereinssports" vom 22. April 1997 standen für das Schuljahr 1997/98 752 TDM, für das Schuljahr 1998/99 1504 TDM und stehen für das Schuljahr 1999/2000 2256 TDM zur Verfügung. In den ersten beiden Schuljahren wurden insgesamt 860 TDM für die vereinbarten Zwecke verwendet. Die nicht in Anspruch genommenen Mittel werden von der zuständigen Behörde vorgehalten.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Ist es richtig, dass die Vertragspartner BSJB und Hamburger Sportbund (HSB) bei Vertragsabschluss von einem Beteiligungsgrad von ca. 80 Prozent ausgingen?

Ja.

2. Wie hoch ist die Quote abgegebener Gutscheine getrennt nach weiblichen und männlichen Auszubildenden je Schule

a) jeweils für die Schuljahre 1997/98 und 1998/99 gewesen und

b) jetzt aktuell (letzter Stand)?

Alle Angaben bitte in Prozent.

Im Schuljahr 1997/98 erhielten insgesamt 8334 Auszubildende einen Sportgutschein; davon wurden 897 oder 10,8 Prozent eingelöst.

Im Schuljahr 1998/99 erhielten insgesamt 16 741 Auszubildende einen Sportgutschein; davon wurden 2201 oder 13,1 Prozent eingelöst.

Im Schuljahr 1999/2000 erhielten insgesamt 22 555 Auszubildende einen Sportgutschein; davon wurden bisher 3901 oder 17,3 Prozent eingelöst. Da einige Sportvereine die Gutscheine erst relativ spät beim HSB einreichen, wird die genaue Anzahl der für das laufende Schuljahr eingelösten Sportgutscheine erst im Herbst 2000 feststehen.

In den Anlagen 1 bis 3 sind für die bisherigen drei Jahre der Laufzeit der Vereinbarung die Schülerinnen und Schüler und die Berechtigten nach Schulen und Geschlecht aufgeführt. Für die ersten beiden Schuljahre ist auch angegeben, wie viele Gutscheine jeweils eingelöst wurden. Eine Auswertung der eingereichten Gutscheine nach Geschlecht ist nicht möglich, weil die Gutscheine keine entsprechende Eintragung enthalten.

3. a) Ist es richtig, dass über 50 Prozent dieser abgegebenen Gutscheine lediglich den bereits bestehenden Vereinsbeitrag von Auszubildenden abdecken?

b) Wie viele sind es genau?

Alle Angaben bitte in Prozent für 1997/98, 1998/99 und jetzt aktuell.

4. Welcher Beteiligungsgrad am Sportangebot seitens der Auszubildenden ergibt sich, wenn man von der Refinanzierung bestehender Vereinsbeiträge (3.b) absieht? Alle Angaben bitte in Prozent für 1997/98, 1998/99 und jetzt aktuell.

Nach Angaben des HSB waren im Schuljahr 1998/99 57 Prozent der 2201 Auszubildenden, die ihren Gutschein eingelöst haben, bereits zuvor Vereinsmitglied. Im Schuljahr 1997/98 waren es 50 Prozent von 897 Auszubildenden. Über das laufende Schuljahr können noch keine Aussagen gemacht werden (vgl. Antwort zu 2.). Allein im Schuljahr 1998/99 begründeten demnach etwa 43 Prozent der Berechtigten, die den Gutschein eingelöst haben, eine neue Vereinsmitgliedschaft (688 Auszubildende) oder besuchten Kurse (270 Auszubildende). Bei der Bewertung dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass eine Vereinsmitgliedschaft ­ anders als der Berufsschulsport ­ eine über die Ausbildungszeit hinausgehende sportliche Betätigung wahrscheinlicher macht und damit dem Ziel einer Nachhaltigkeit der gesundheitlichen Förderung besser dient. Im Übrigen ist auch das Aufrechterhalten einer Vereinsmitgliedschaft unter Verwendung des Gutscheins als positiv anzusehen, weil die Vereinsbindung in der Altersgruppe der Auszubildenden generell stark abnimmt.

Bei der Interpretation der Zahlen ist schließlich zu beachten, dass die „Neumitglieder" eines Jahres im folgenden Jahr statistisch als „Altmitglieder" geführt werden.

5. a) Hält der Senat die bloße Finanzierung von Schießsport und Kampfsportarten für eine noch akzeptable Alternative zum berufsschulischen Sportangebot?

Die Beantwortung dieser Frage setzte das Vorhandensein wissenschaftlicher Erkenntnisse voraus, inwieweit berufstypische gesundheitliche Belastungen durch bestimmte Sportarten kompensiert werden können. Der Klärung solcher Fragen sollen unter anderem die im Rahmen der Vereinbarung mit dem HSB laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen dienen.

5. b) Ist der Senat der Meinung, dass zur Aufgabe der Berufsschulen (wie auch der allgemein bildenden Schulen) auch die Gesundheitsförderung durch Sport gehört und hält er die derzeitig wahrgenommenen Angebote hierfür für ausreichend?

Gesundheitsförderung ist nach § 5 Absatz 3 Hamburgisches Schulgesetz ein fächerübergreifendes Aufgabengebiet, also nicht an ein Unterrichtsfach gebunden. Für den Bereich der Berufsschulen gilt, dass der bisherige Umfang der Wahrnehmung der Gutscheine als nicht befriedigend anzusehen ist. Der Verbesserung dieser Situation soll insbesondere die vorgesehene Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten der Gutscheine dienen.

6. a) Ist ein Sportkurs auf Gutschein versicherungsrechtlich als schulische Veranstaltung anzusehen?

b) Tritt die Landesunfallkasse Hamburg im Schadensfall (Sportunfall, Wegeunfall) in gleicher Weise wie beim Schulsport für einen Schaden ein?

Voraussetzung für den Unfallversicherungsschutz durch die Landesunfallkasse Freie und Hansestadt Hamburg ist die organisatorische Anbindung derVeranstaltung an die Schule.Ob ein Sportkurs auf Gutschein versicherungsrechtlich als schulische Veranstaltung zu werten ist und daher einen entsprechenden Unfallversicherungsschutz bewirkt, hängt von den organisatorischen Begleitumständen ab.

Gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 8b Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) steht die Schülerin bzw. der Schüler während des Besuchs von berufsbildenden Schulen unter Unfallversicherungsschutz. Gibt die Schule lediglich Gutscheine für einen Sportkurs aus und nimmt keinen gestaltenden Einfluss auf die Rahmenbedingungen für die Sportausbildung, liegt nur ein loser schulischer Zusammenhang vor, der keinen Unfallversicherungsschutz auslöst.

Versicherungsschutz (Sportunfall und Wegeunfall) ist über die Sportversicherung des HSB (bzw. des LSB Niedersachsen und des LSV Schleswig-Holstein) und einer Zusatzversicherung mit der ARAG gewährleistet.

7. a) Hat der HSB in den Jahren 1999 und/oder 2000 gegenüber der BSJB auf dem Verhandlungswege seinen Ausstiegswillen aus dem Vertrag bekundet?

Maßgeblich sind für die zuständige Behörde in diesem Zusammenhang offizielle Äußerungen des Präsidiums des HSB. Dieses hat gegenüber der zuständigen Behörde nicht bekundet, die Vereinbarung vorzeitig lösen zu wollen. Am 25. Mai 2000 wurde die Vereinbarung zum Ende der regulären Laufzeit am 31. Juli 2002 gekündigt.

7. b) Wenn ja, wann, in welchem Zusammenhang ­ und warum ist die BSJB nicht darauf eingegangen?

Entfällt.

7. c) Beabsichtigt die BSJB nach dem Ausstieg des HSB Kooperationen mit kommerziellen Sport-Centern usw.?

Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen.

8. Für die wissenschaftliche Begleitung des Systemwechsels Berufsschulsport/Vereinssport wurden 1997 laut Vertrag 350 000 DM bereitgestellt. Der o.a. Bericht zitiert wissenschaftliche Ergebnisse.

a) Wann und wo kann die zitierte Studie von Professor Richter nachgelesen werden?

Die Forschungsprojekte sind noch nicht abgeschlossen.

8. b) Warum durften Professor Richter und andere Professoren der Universität Hamburg auf den Hamburger Hochschultagen im März 2000 ihre Zwischenergebnisse zum Gutscheinsystem nicht präsentieren (Presseberichte)?

Die Forschungsprojekte werden von der zuständigen Behörde finanziert und wurden vom HSB in Auftrag gegeben. Ergebnisse (oder auch Zwischenergebnisse) sind nach dem üblichen Verfahren bei Forschungsaufträgen zuerst dem Auftraggeber zur Verfügung zu stellen, der dann über Art und Umfang der Veröffentlichung entscheidet. Da dem HSB Ergebnisse oder Zwischenergebnisse nicht vorlagen, konnte darüber auch nicht auf den Hochschultagen berichtet werden.

8. c) Ist es richtig, dass die Erhebung von Professor Richter unter Missachtung geltender datenschutzrechtlicher Bestimmungen an den Berufsschulen stattfand?

Nein. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hatte der Erhebung zugestimmt.

8. d) Ist es richtig, dass die Erhebung von Professor Richter an den Berufsschulen mehrheitlich boykottiert wurde?

Nein.

8. e) Wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung auch eine qualitative Analyse erstellt, wie die Sportvereine Berufsschulsport (also berufsbezogen) anbieten?

Siehe Antwort zu 8. a).

9. a) Wie verfährt die BSJB mit den Schülerinnen und Schülern, die mit ihrem qualifizierten Abschlusszeugnis der Berufsschule sich die Gleichwertigkeit mit dem Realschulabschluss hätten bescheinigen lassen können, die nun aber keine Sportkurse nachweisen können?

b) Wird die mittlere Reife auch ohne den Nachweis der Sportkurse beurkundet?

Nach § 5 Absatz 2 der Zeugnisordnung der Berufsschule vom 11. März 1997 entspricht das Abschlusszeugnis der Berufsschule in seinen Berechtigungen dem Abschluss der Realschule unter anderem dann, wenn der Unterricht an der Berufsschule gemäß der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz (KMK-Rahmenvereinbarung) über die Berufsschule vom 15. März 1991 erteilt wurde. Diese Rahmenvereinbarung sieht in Punkt 6 vor, dass der Unterricht der Berufsschule mindestens zwölf Wochenstunden umfasst, wobei die Bestimmung der zu unterrichtenden Fächer den Ländern überlassen ist. Die bestätigte Nutzung des Sportgutscheins wird in der jeweiligen Schule als 12. Stunde gewertet. Wer keine Teilnahmebescheinigung vorweist, kann nicht die Berechtigungen des Realschulabschlusses erwerben.Auf diesen Sachverhalt werden die Schülerinnen und Schüler schriftlich und mündlich zumindest bei der Ausgabe der Sportgutscheine hingewiesen.

10. a) Ist es richtig, dass derzeit an den Berufsschulen im Wahlpflichtunterricht wegen des Gutschein-Vertrages keine Bewegungsangebote gemacht werden dürfen? (Nicht gemeint sind freiwillige AGs.) Ja. Durch die Ausgabe der Sportgutscheine sollen die sportlichen Aktivitäten der Auszubildenden im Interesse einer Verlängerung der Anwesenheit im Betrieb auf die Sportvereine verlagert werden. Diese Absicht soll nicht dadurch unterlaufen werden, dass Schulen nun den Sportunterricht unter dem Titel „Wahlpflichtunterricht" anbieten.

10. b) Beabsichtigt die BSJB aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung des HSB diese wieder zuzulassen und, wenn ja, ab wann?

Nein.

11. Ein zentrales Anliegen von Berufsschulsport ist Gesundheitsprophylaxe, insbesondere auch die Kompensation spezifischer beruflicher Belastung. Wie gelangt dieser Aspekt im Rahmen der aktuellen Lernfelddiskussion bei den einzelnen Berufen Eingang in die Bildungspläne?

Aspekte der Gesundheitsprophylaxe werden in die Hamburger Bildungspläne im Rahmen des fächerübergreifenden Aufgabengebiets „Gesundheitsförderung" insoweit aufgenommen, als dies für einzelne Berufe relevant ist. Die aktuelle Lernfelddiskussion erfolgt auf der Ebene der Rahmenlehrpläne der Kultusministerkonferenz (KMK-Rahmenlehrpläne) für die einzelnen Berufe und bezieht sich ausschließlich auf die beruflichen Fächer.