Maßnahmen der Privatisierung im Strafvollzug

Der Bedarf an Haftplätzen mag in den nächsten Jahren noch zunehmen, bedingt unter anderem durch die Auswirkungen von Gesetzesänderungen zum Schutze der Allgemeinheit (z.B. § 57 StGB, § 454 StPO usw.) und der Tendenz der Gerichte zur Verhängung längerer Freiheitsstrafen. Es besteht Bedarf für die schnelle Schaffung zusätzlicher Haftplätze, zur Verbesserung der Haftbedingungen, der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Vollzugsanstalten und der Verbesserung der Resozialisierungschancen. Dem steht die Notwendigkeit gegenüber, Einsparungen im Haushalt vorzunehmen. Realistischerweise kann nicht davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahren für den Strafvollzug die notwendigen Erweiterungsmittel zur Verfügung stehen. Das gilt für Investitionen, Sachmittel, vor allem auch Personalmittel. In dieser Situation sind alle anderen Möglichkeiten auszuschöpfen, Effektivität und Effizienz des staatlichen Handelns im Strafvollzug zu steigern. Dazu gehören auch Formen der Privatisierung, die in einigen Bundesländern sowie in anderen Bereichen der hamburgischen Verwaltung bereits mit Erfolg angewandt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Privatisierung im Bereich des Strafvollzuges nur dann sinnvoll ist, wenn Gefangenenarbeitsplätze im bisherigen Umfang erhalten bleiben.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat.

Eine private Vorfinanzierung öffentlicher Investitionsmaßnahmen kommt nur in Betracht, wenn die Wirtschaftlichkeit im konkreten Einzelfall nachgewiesen wurde. Eine generelle Aussage darüber, welche Finanzierungsform die wirtschaftlichste ist, ist nicht möglich.Im Finanzbericht 2000 der Freien und Hansestadt Hamburg, Anlage 17, befindet sich die Übersicht „Private Vorfinanzierung öffentlicher Baumaßnahmen". In dieser Übersicht werden die in Hamburg privat vorfinanzierten Investitionsmaßnahmen dargestellt.

Hinsichtlich der Privatisierung von Strafvollzugsanstalten sind neben wirtschaftlichen Aspekten auch rechtliche bzw.verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten.Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Strafvollzugsanstalten hochkomplexe Gemeinwesen eigener Art sind, in denen punktuelle Eingriffe erhebliche unerwünschte Nebenfolgen hervorrufen können. Daher ist gleichermaßen abzuwägen, ob sich ein Privatisierungsvorhaben mit vollzugsgestalterischen und personalfürsorgerischen Grundsätzen verträgt, ob es nach der Bewertung aller Gesichtspunkte auch langfristig wirtschaftlicher ist und ob Eingliederungs- und Sicherheitserfordernisse nicht beeinträchtigt werden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

I. Planung und Errichtung einer Justizvollzugsanstalt durch Private

1. Stehen der Planung und Errichtung einer Vollzugsanstalt durch Private verfassungsrechtliche noch einfachgesetzliche Hindernisse entgegen? Wenn ja: Welche?

Nein.

I. 2. Sind für Neubauten, Um- und Erneuerungsbauten Investorenmodelle bereits eingesetzt worden? Wenn ja:Welcher Art sind diese Investorenmodelle? Wenn nein: Ist ihr Einsatz geplant? Wenn nein: Warum nicht?

Ja. Es ist im Rahmen eines Wärme-Contracting mit einem Investitionskostenzuschuß aus Haushaltsmitteln der Justizbehörde ein Blockheizkraftwerk für die drei Fuhlsbütteler Anstalten gebaut worden. Das Wärme-Contracting betrifft den Bau und die Wartung des Blockheizkraftwerkes. Der einmalige Investitionszuschuß entlastet den Betriebshaushalt von den ansonsten angefallenen höheren laufenden Kosten.

3. Welches Investorenmodell hat sich nach den Hamburger Erfahrungen in anderen Verwaltungsbereichen als das kostengünstigste erwiesen?

Siehe zunächst Vorbemerkung. In der Umweltbehörde wurde z. B. der Neubau Billstraße 82­84

(Umweltbehörde und Landesamt für Informationstechnik) als Mietkauflösung realisiert. Das Investorenmodell (Mietkauf) ist in der Drucksache 14/2767 vom 10. November 1992 detailliert dargestellt.Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der Mietkauflösung war der betriebswirtschaftliche Vergleich, der dieses Modell sowohl gegenüber Mietlösungen als auch gegenüber der ursprünglichen Planung eines eigenen Neubaus der Umweltbehörde in Ottensen als kostengünstiger auswies.

4. Welche Formen privater Tätigkeit kommen außer dem Investorenmodell in Betracht?

Zum Beispiel die Vergabe an Generalübernehmer (Planung und Ausführung aus einer Hand, ggf. unter Einschluß der Finanzierung), Generalunternehmer, getrennte Vergabe an Baumanagement und Einzelunternehmer unter Beteiligung von Architekten, Ingenieurbüros und ggf.unter Hinzuziehung von Planungsgesellschaften.

5. Kommen Formen und Verfahren einer Vergabe, die Errichtung und Betrieb umfaßt, an einen privaten Träger in Betracht? Wenn nein: Warum nicht?

Zur Vergabe der Errichtung einer Vollzugsanstalt an Private siehe zunächst Antwort zu I.1.

Ein vollständiger privater Betrieb einer Vollzugsanstalt scheidet aus Rechtsgründen aus. Ein teilweise privater Betrieb entspricht gängiger Praxis, soweit Leistungen ersetzt werden, die die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung nicht tangieren, unter Abwägung aller Gesichtspunkte wirtschaftlicher und auch sonst effektiver sind (z.B.Versorgungsleistungen) und so das komplexe Vollzugssystem dort abrunden und ergänzen, wo Spezialwissen gefragt ist. Das gilt etwa für die Überleitung der Gefangenen in Freiheit und für die Fortsetzung der Betreuung nach der Entlassung (z.B. Drogenhilfe durch freie Träger).

Bei einem positiven Ergebnis der Prüfung möglicher künftiger Vorhaben ist die weitere Privatisierung von Teilbereichen des Vollzuges nicht ausgeschlossen.

II. Privatisierung von Dienstleistungsaufgaben in den Justizvollzugsanstalten

Welche Aufgaben der folgenden Tätigkeitsbereiche sind bereits privatisiert? Wenn nein:

Warum nicht? Welche (Teil-)Aufgaben können und sollen privatisiert werden?

1. Aufgaben des Hausmanagements

a) Bauunterhaltung, Wartung und Reparatur der technischen Anlagen und sonstige Instandhaltungsmaßnahmen?

Bauunterhaltung, Wartung und Reparatur der technischen Anlagen sowie sonstige Instandhaltungsmaßnahmen werden, soweit in den Anstalten Betriebe mit geeigneten Gefangenen existieren, durch diese durchgeführt (Erhalt von Gefangenenarbeitsplätzen). Durch die Anstalten nicht leistbare Arbeiten werden an private Firmen vergeben.

1. b) Aufgaben der Anstaltsreinigung und der Pflege der Außenbereiche?

Die Aufgaben der Anstaltsreinigung und die Pflege der Außenbereiche werden ausschließlich von Gefangenen unter Aufsicht und Anleitung von Beamten durchgeführt. Es handelt sich regelmäßig um einfache bis einfachste Arbeiten, die aber für einen Teil der Gefangenen angemessen und in etlichen Fällen durchaus als arbeitstherapeutische Maßnahmen anzusehen sind. Deshalb und auch aus wirtschaftlichen Gründen wird eine andere Lösung nicht angestrebt.

1. c) Aufgaben der Logistik, der Lagerung von Einrichtungs- und Verbrauchsgegenständen?

Die Aufgaben der Logistik sowie der Einlagerung von Einrichtungs- und Verbrauchsgegenständen werden von Bediensteten wahrgenommen. Es werden regelmäßig Gefangene als Hilfskräfte eingesetzt.

Hier gelten auch die Ausführungen zu II.1.b). Hinzu kommt, dass durch diese Arbeit Verantwortlichkeit und Zuverlässigkeit der Gefangenen geweckt werden.

1. d) Aufgaben der Verwaltung der Justizvollzugsanstalten, etwa der Konto- und Kassenführung, der allgemeinen Verwaltung?

Die Aufgaben der Verwaltung und ähnlichem werden bislang ausschließlich von Bediensteten wahrgenommen. Planungen zur teilweisen Vergabe an Private befinden sich in einem sehr frühen Stadium.

II. 2. Aufgaben der Versorgung

a) Aufgaben des Küchenbetriebs einschließlich des Einkaufs?

Die Aufgaben des Küchenbetriebes einschließlich des Einkaufs liegen ausschließlich in der Hand der Bediensteten, wobei auch hier Gefangenenhilfskräfte eingesetzt werden. Eine Verlagerung auf private Unternehmen hat sich nach mehrfachen Prüfungen als weniger wirtschaftlich erwiesen.

2. b) Reinigung und Pflege der Anstaltswäsche?

Reinigung und Pflege der Anstaltswäsche werden überwiegend durch die zentrale Anstaltswäscherei in Fuhlsbüttel erledigt. Zum Teil gibt es in den Anstalten in kleinerem Umfang Waschmaschinen und Trockner. Eine Vergabe an Private ist nach einer kürzlich erfolgten Prüfung weniger wirtschaftlich.

2. c) Einkauf der Gefangenen?

Der Einkauf der Gefangenen wird durch Vermittlung der Anstalt (§ 22 Strafvollzugsgesetz [StVollzG]) von privaten Kaufleuten durchgeführt.

2. d) Ärztliche Versorgung der Gefangenen?

Die ärztliche Versorgung der Gefangenen ist hoheitliche Aufgabe des Vollzuges (§ 56 ff. StVollzG). Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gefangene aufgrund des Freiheitsentzuges nicht in gleicher Weise wie ein freier Bürger Beeinträchtigungen seiner Gesundheit begegnen kann.Nach §155 StVollzG werden die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten von Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden. Auch die ärztliche Versorgung der Gefangenen, die nach §158 StVollzG in der Regel durch hauptamtliche Ärzte sicherzustellen ist, kann aus besonderen Gründen unter anderem vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden. Vor diesem Hintergrund sind in den hamburgischen Justizvollzugsanstalten neben den hauptamtlichen Ärztinnen und Ärzten in folgendem Umfang vertraglich verpflichtete Ärztinnen und Ärzte auf Honorarbasis in der Funktion des Anstaltsarztes tätig: Anstalt Ärztinnen/Ärzte auf Honorarbasis JVA Suhrenkamp (I) Ein Arzt zur Unterstützung des Substitutionsprogramms (1/2 Stelle) JVA Glasmoor (III) Ein Honorararzt Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Ein Honorararzt, eine Gynäkologin (stundenweise), ein Arzt Hahnöfersand (IV) zur Unterstützung des Substitutionsprogramms (stundenweise)

Darüber hinaus sind im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt im Rahmen eines fachärztlichen Konsiliardienstes für die Gebiete Augenheilkunde, Dermatologie, Gynäkologie, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie, Pulmologie, Radiologie und Urologie stundenweise nebenberuflich oder nebenamtlich tätige Krankenhausärztinnen und -ärzte sowie niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auf Honorarbasis beschäftigt.

Die zahnärztliche Versorgung der Gefangenen wird durch eine Zahnärztin und acht Zahnärzte gewährleistet, die in den Justizvollzugsanstalten Suhrenkamp (I), Am Hasenberge (II), Glasmoor (III),Vierlande (XII), in der Untersuchungshaftanstalt (VI), in der Untersuchungshaft- undVollzugsanstaltVierlande (IX) und in der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand (IV) auf Honorarbasis regelmäßige Sprechstunden abhalten.

Schließlich sind im Bereich der Fuhlsbütteler Anstalten, in der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand und in der Untersuchungshaftanstalt jeweils eine Psychiaterin bzw. ein Psychiater auf Honorarbasis tätig.

Für den Bereich der Medikamentenversorgung ist mit einer Versorgungsapotheke vertraglich vereinbart, dass die Steuerung eines wirtschaftlichen Medikamenteneinsatzes und die Abwicklung der Auslieferung auf der Grundlage von datentechnisch aufbereiteten Informationen durch die Apotheke erfolgt.

Während sich die Wirtschaftlichkeit der Zusammenarbeit mit derVersorgungsapotheke schon nach kurzer Zeit nachhaltig herausstellte, bedarf die Entwicklung in dem Bereich des Einsatzes privatvertraglich verpflichteter Ärztinnen und Ärzte einer kontinuierlichen Kostenkontrolle. Ein eindeutiges Votum zugunsten eines solchen Modells ist bisher nicht möglich.

3. Aufgaben der Bewachung und Kontrolle

a) Tägliche Kontrolle der Funktionsfähigkeit von technischen Anlagen (Alarmanlagen, Kameras usw.) und mechanischen Anlagen (Zäune, Gitter, Schließanlagen usw.)?

Die täglichen Kontrollen der technischen Anlagen obliegt den Bediensteten. Daneben sind ­ soweit erforderlich ­ Wartungsverträge mit Privaten abgeschlossen worden.

3. b) Objektbezogene Raumkontrollen (Objektschutz u.ä.)?

c) Personenbezogene Kontrollmaßnahmen wie Anwesenheits- und Bewegungskontrollen und allgemeine Beaufsichtigungsmaßnahmen?

Objektbezogene Raumkontrollen sowie personenbezogene Kontrollmaßnahmen werden in der Regel von Beamten durchgeführt, die über besondere Erfahrungen verfügen. Hierbei werden zunehmend technische Überwachungsanlagen installiert, um den personellen Aufwand so gering wie möglich zu halten. In Teilbereichen (wie Baustellenverkehr, Abschiebehaft) wird die Mithilfe eines privaten Wachdienstes in Anspruch genommen.