Ersatzrichter in der Hamburger Strafjustiz

Die Personallage der hamburgischen Gerichte lässt es nicht zu, allen strafgerichtlichen Spruchkörpern Ersatzrichter und Ersatzschöffen zuzuweisen, so dass bei längeren und aufwendigeren Verfahren in Krankheits- oder sonstigen Fällen die Gefahr besteht, dass Verhandlungen nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen zügigen Zeitfolge terminiert werden können. Das Risiko kann nicht ausgeschlossen werden, dass Verfahren „platzen" und zeit- wie kostenaufwendig von Anfang an neu aufgerollt werden müssen.

Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) kennt weder „Ersatzrichter" noch „Ersatzschöffen". Nach § 192 Absatz 2 und 3 GVG kann die oder der Vorsitzende bei Verhandlungen von absehbar längerer Dauer die Zuziehung von Ergänzungsrichterinnen oder -richtern sowie Ergänzungsschöffinnen oder -schöffen anordnen, die der Verhandlung beizuwohnen und im Falle der Verhinderung einer Richterin bzw. eines Richters oder einer Schöffin bzw. eines Schöffen für sie bzw. ihn einzutreten haben. Die Anordnung liegt im Ermessen einer jeden bzw. eines jeden Vorsitzenden.

Die Bestellung von Ergänzungsrichterinnen bzw. -richtern obliegt dem Präsidium. Es bestellt nur dann eine Ergänzungsrichterin oder einen Ergänzungsrichter, wenn die Kammer keine weiteren ordentlichen Beisitzerinnen oder Beisitzer hat, die der oder die Vorsitzende als Ergänzungsrichterin bzw.-richter einsetzen kann.

Ergänzungsschöffinnen bzw. -schöffen werden nach denselben Regeln zugezogen, § 192 Absatz 3 GVG. Die Ergänzungsschöffinnen bzw. -schöffen werden aus der Hilfsschöffenliste rekrutiert (§ 48 Absatz 1 GVG), die für das Landgericht ca. 1000 Personen umfaßt. Das Präsidium des Landgerichts ist mit der Ergänzungsschöffenanordnung in der Regel nicht befaßt.

Beim Amtsgericht Hamburg kommenVerfahren in einer Größenordnung, die eine Zuziehung von Ergänzungsrichterinnen bzw.-richtern und Ergänzungsschöffinnen bzw.-schöffen erforderlich machen würde, in der Praxis nicht vor. Die nachfolgenden Antworten beziehen sich daher ausschließlich auf den Geschäftsbereich des Landgerichts Hamburg.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. In wie vielen Fällen konnten Verfahren in den Jahren 1995 bis heute nicht im ersten Anlauf zu Ende gebracht werden und mußten neu aufgerollt werden, weil es an Ersatzrichtern und/oder Ersatzschöffen mangelte?

Hierüber werden keine Statistiken oder anderweitige Anschreibungen geführt. Soweit innerhalb der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand durch Einzelauswertung von Präsidiumsunterlagen ermittelt werden konnte, mußten in den Jahren 1995 bis heute keine Verfahren ausgesetzt und neu begonnen werden, weil trotz Anordnung des Kammervorsitzenden Ergänzungsrichterinnen bzw. -richter oder Ergänzungsschöffinnen bzw. -schöffen fehlten.

2. In wie vielen Spruchkörpern, die Großverfahren zu verhandeln haben, fehlen gegenwärtig Ersatzrichter und/oder -schöffen?

Gegenwärtig werden ­ soweit bekannt ­ zwei Großverfahren verhandelt, in denen die Vorsitzenden jeweils die Zuziehung einer Ergänzungsrichterin bzw. eines Ergänzungsrichters angeordnet hatten, so daß das Präsidium um deren bzw. dessen Benennung gebeten worden war. Mit Hinweis auf die Personallage des Landgerichts hatte das Präsidium in diesen beiden Fällen keine Ergänzungsrichterin bzw. keinen Ergänzungsrichter bestimmt.

3. In wie vielen Fällen stehen als Ersatzrichter Strafrichter zur Verfügung?

4. In wie vielen Fällen muss als Ersatzrichter auf schwerpunktmäßig in Zivilsachen tätige Richter zurückgegriffen werden?

Diese Fragen können nur insoweit beantwortet werden, als Ergänzungsrichterinnen bzw. -richter durch das Präsidium bestimmt worden sind. Erkenntnisse, in wie vielen Fällen Kammervorsitzende Ergänzungsrichterinnen bzw.-richter aus der eigenen Kammer hinzugezogen haben ­ bei denen es sich dann naturgemäß ausschließlich um Strafrichterinnen bzw. -richter handelte ­, liegen aus den in der Vorbemerkung genannten Gründen nicht vor. Das Präsidium des Landgerichts Hamburg hat im Jahre 2000 bisher für ein Großverfahren eine Zivilrichterin zur Ergänzungsrichterin bestimmt.

5. Welche Maßnahmen gedenkt der Senat zu ergreifen, um den personellen Engpaß bei den Ersatzrichtern zu beseitigen?

Einen „personellen Engpaß bei den Ersatzrichtern" gibt es nicht. Ob in künftigen Fällen die von einer Kammer angeordnete Zuziehung einer Ergänzungsrichterin oder eines Ergänzungsrichters vom Präsidium umgesetzt werden kann oder nicht, kann im Vorwege nicht ermittelt werden.