Die Eheschließungswilligen wußten sehr wenig voneinander

I. 2. Wie/anhand welcher Merkmale beurteilen Standesbeamt/innen den „offenkundigen Mißbrauch"? (Bitte aufschlüsseln nach Fallgruppe deutsche Frau/ausländischer Mann bzw. ausländische Frau/deutscher Mann sowie nach Bezirken.)

Im Fall des Bezirksamts Hamburg-Mitte ist der Standesbeamte von einer beabsichtigten „Scheinehe" ausgegangen, weil die ausländische Eheschließungswillige keinen Ausweis oder Paß vorlegen konnte, aber alle sonstigen für eine Eheschließung erforderlichen Unterlagen schon bei der ersten Vorsprache mitbrachte. Sie konnte erst nach längerem Überlegen den Vornamen des Mannes angeben. Das Verfahren ist noch beim Gericht anhängig.

Im Fall des Bezirksamts Wandsbek beruhte die Ablehnung insbesondere darauf, dass sich die Eheschließungswilligen kaum miteinander unterhalten konnten, ein beträchtlicher Altersunterschied bestand und die Frau ausreisepflichtig war. Das Gericht ist der Argumentation in diesem Fall nicht gefolgt (siehe Antwort zu 1.b).

In den drei Fällen des Bezirksamts Harburg ist die Ablehnung im wesentlichen wie folgt begründet worden:

a) Der deutsche Mann konnte nur unpräzise Angaben über die persönlichen Daten der ausländischen Frau machen. Diese war zusammen mit einem Landsmann und vier gemeinsamen Kindern unter einer Anschrift gemeldet, wobei das jüngste Kind wenigeTage vor der Anmeldung der Eheschließung geboren worden war.

b) Die Eheschließungswilligen wußten sehr wenig voneinander. Die deutsche Frau mußte Namen und Geburtstag des ausländischen Mannes von einem Zettel ablesen. Der angebliche Zeitpunkt ihrer ersten Begegnung war identisch mit dem Zeitpunkt, an dem sich die Eheschließungswilligen die Unterlagen für das Standesamt besorgten.

c) Die Eheschließungswilligen brachten bereits bei der ersten Vorsprache im Standesamt alle für die Eheschließung notwendigen Papiere mit. Sie konnten sich kaum miteinander verständigen und hatten keine Kenntnisse über die normalen persönlichen Verhältnisse des anderen.

In allen drei Fällen haben die Eheschließungswilligen ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgenommen.

I. Für den Bereich der Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses

1. Wie viele Personen sind beim Hanseatischen Oberlandesgericht für die Bearbeitung der Befreiungsanträge zuständig, und wie lange dauern diese Verfahren?

Die Befreiungsanträge werden von sieben Personen (vier Vollzeit-, drei Halbtagsbeschäftigten) zusätzlich und neben ihren jeweiligen Hauptaufgaben mit unterschiedlich umfangreichen Zeitanteilen bearbeitet.

Die Dauer der Verfahren wird statistisch nicht erfaßt.

2. Wie viele Anträge auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses wurden in den letzten fünf Jahren gestellt, und welcher Staatsangehörigkeit waren die antragstellenden Personen?

Die Staatsangehörigkeit der antragstellenden Personen wird statistisch nicht erfaßt. Sie kann auch selbst innerhalb der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht aufgeschlüsselt werden.

3. Wie viele Anträge wurden vom Hanseatischen Oberlandesgericht abgelehnt, und welcher Staatsangehörigkeit waren die antragstellenden Personen?

Die erfragten Zahlen werden statistisch nicht erhoben und können auch in der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermittelt werden.

4. In wie vielen Fällen gaben antragstellende Personen eidesstattliche Versicherungen ab, und welcher Staatsangehörigkeit waren diese Personen?

Eidesstattliche Versicherungen werden von den Standesbeamten verlangt, wenn die von den Eheschließungswilligen gemachten Angaben nicht durch Urkunden oder sonstige beweiskräftige Unterlagen belegt werden (§ 5 Absatz 3 PStG). Im Verfahren zur Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses werden auf Wunsch des Hanseatischen Oberlandesgerichts in nahezu allen Fällen eidesstattliche Versicherungen aufgenommen.

5. In wie vielen Fällen wurde nach Ablehnung des Antrages trotzdem später die Ehe geschlossen?

In keinem Fall. Wird der Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses abgelehnt, darf der Standesbeamte die Ehe nicht schließen.Ob die Eheschließungswilligen dann versuchen, die Ehe im Ausland oder im Bezirk eines anderen Oberlandesgerichts zu schließen, ist nicht feststellbar.

I. Mitwirkung der Ausländerbehörde beim Eheschließungsverfahren

1. Wie oft werden von Standesämtern Ausländerakten angefordert? (Bitte nach Bezirken aufgeschlüsselt.) Ausländerakten werden angefordert für das Verfahren zur Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses (siehe oben) oder wenn von den ausländischen Eheschließungswilligen keine ausreichenden Nachweise vorgelegt und auch nicht beschafft werden können, insbesondere bei Angehörigen von Staaten, in denen es ein ausgeprägtes Personenstandswesen nicht gibt. Hauptzweck ist dabei die Prüfung, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die/der ausländische Eheschließungswillige schon verheiratet ist.

2. Wie oft werden vom Hanseatischen Oberlandesgericht Ausländerakten angefordert im Zusammenhang mit dem Befreiungsantrag auf Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses?

Die erfragten Zahlen werden statistisch nicht erhoben und können auch in der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermittelt werden.

3. Wieviel Zeit vergeht von der Anfrage an die Ausländerbehörde bis zur Überlassung der jeweiligen Akte an das Standesamt bzw. das Gericht?

Zwischen Anforderung und Erhalt der Ausländerakte bei den Standesämtern liegt ein Zeitraum von zwei Tagen bis acht Wochen, in Einzelfällen auch länger.

Beim Hanseatischen Oberlandesgericht werden die erfragten Daten statistisch nicht erhoben und können auch in der für die Beantwortung einer Großen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht ermittelt werden.

4. Kann an Stelle der Hauptakte ein Retent von der Ausländerbehörde verschickt werden?

Die Standesämter bzw. das Hanseatische Oberlandesgericht erwarten die Original-Ausländerakte. Ein Retent erfüllt die mit der Akteneinsicht verfolgten Zwecke nicht.

5. In wie vielen Fällen erfolgte aufgrund der Dauer der Nachforschungen, Befragungen die zwischenzeitliche Ausreise in Form der Abschiebung?

Hierüber liegen keine gesonderten statistischen Erhebungen vor. Eine nachträgliche Ermittlung, in wie vielen Fällen vor dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen Eheschließungsverfahren anhängig waren, würde eine Auswertung sämtlicher Akten von zurückliegend abgeschobenen Personen erfordern, die mit vertretbarem Aufwand nicht geleistet werden kann.

6. In wie vielen Fällen wurde speziell zum Zweck der Eheschließung ein Visum beantragt und erteilt?

Für die Erteilung von Visa besteht grundsätzlich eine Zuständigkeit der vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen (vgl. § 63 Absatz 3 in Verbindung mit § 3 Absatz 3 Ausländergesetz). Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes liegen über die Zahl der speziell zum Zwecke der Eheschließung beantragten und erteilten Visa keine statistischen Angaben vor. Eine Statistik werde lediglich über die Visaerteilung im Rahmen des Familiennachzugs geführt.Danach wurden im Jahr 1999 im Rahmen des Ehegattennachzugs folgende Visa erteilt: Ausländische Ehefrauen zu deutschen Ehemännern 16 246.

Ausländische Ehemänner zu deutschen Ehefrauen 9 865.

Ausländische Ehefrauen zu ausländischen Ehemännern 20 036.

Ausländische Ehemänner zu ausländischen Ehefrauen 7 711.

Darüber hinausgehende statistische Erhebungen ­ speziell für Hamburg ­ liegen nicht vor.