Landgewinnungsmaßnahme

Da das Abkommen die zulässige Größenordnung der Unterstützung nicht festlegt und insoweit auch keine Praxis bekannt ist, kann als Maßstab die Schwelle der Schädigung im Sinne des GATT-Subventionsabkommens herangezogen werden, so dass im Ergebnis kein Verstoß vorliegt.

­ Die Landgewinnungsmaßnahme bzw. die Vermietung der Flächen ist auch nicht wettbewerbsverfälschend und als den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigend anzusehen, so dass eine nach EURecht verbotene Beihilfe nicht vorliegt. Denn neben AI gibt es in der EU keinen weiteren Produzenten von Großraum-Flugzeugen. Dies wird durch die neu gegründeten Unternehmen im Verbund der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) noch verstärkt.

Selbst bei Annahme einer Beihilfe ist von einer Genehmigung durch die Kommission gem. Artikel 87 Absatz 3 b EG-Vertrag als Förderung für ein „Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse" oder gem. Artikel 87 Absatz 3 c EG-Vertrag zur „Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige" auszugehen. Diese Einschätzung beruht auf einer Auswertung der Entscheidungspraxis der EUKommission, der zufolge in mehreren Fällen Beihilfen für die Luftfahrtindustrie aufgrund der Bedeutung dieser Industrie für die europäische Wirtschaft und Technologie genehmigt worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn Beihilfen ­ wie im Falle des A3XX ­ die Zusammenarbeit europäischer Unternehmen fördern.

4. Bewertung der AI-Entscheidung

Rechtliche Bewertung

Der Planfeststellungsantrag vom 16. Oktober 1998 beruhte auf den Anforderungen an ein Produktionsgelände, welche den im Wettbewerb stehenden Städten und Partnern von AI als Grundlage für die Standortbewerbung mitgeteilt wurden. Diesem Konzept lagen erste Grundideen zum Baukonzept des A3XX zugrunde, aus denen ein Flächenbedarf für die Produktion am sogenannten Endlinienstandort ermittelt wurde. Dieser ergab sich aus dem Flächenbedarf für Gebäude wie Montagehallen, Lackierhallen, Standlaufeinrichtung, Heizkraftwerk, des Auslieferungsgebäudes sowie Hallen für Werkstätten. Des Weiteren wurden Areale an Freiflächen für die luftverkehrlichen Anlagen, Abstellpositionen, Rollwege, Kompensierscheibe, Reinigungs- und Enteisungsfläche etc. definiert.

Die im Laufe der Planungsarbeiten weitergehende Präzisierung der Dimensionen des A3XX und die damit verbundenen Anforderungen an die Bauqualität und die Komplexität haben dazu geführt, dass AI das Gesamtbaukonzept gegenüber den bisher diskutierten zwei Varianten verändert hat. Die jetzige Konzeption geht davon aus, dass ganze Sektionen komplett montiert und ausgerüstet werden. Gegenüber den bisherigen Varianten bedeutet dies eine Vormontage zu größeren und technologisch aufwendigeren Bauteilen, z. B. Rumpfsektionen, die mit allen Systemen vollständig ausgerüstet werden.

Die für Hamburg vorgesehenen Aktivitäten hinsichtlich Montage, Ausrüstung, Lackierung und Auslieferung des A3XX führen dazu, dass die im Planfeststellungsverfahren beantragten 140 ha Nutzfläche in nahezu gleichem Umfang benötigt (s. schematisches Layout der DA-Erweiterung A3XX Anlage 1) werden. Verbunden sind alle Produktionsschritte durch eine hoch rationelle Materialzuführung und einen Bauteiltransport (Logistikstrang). Dieser stellt eine hohe Produktionsrationalität sicher und bildet das Versorgungsrückgrat aller Montageplätze.

Um den Logistikablauf zu verbessern und dabei mehr Platz für die Deichverteidigung zu erreichen, ist die große Montagehalle an den bestehenden Deich herangerückt worden, weil dieser nach Erreichung der vollen Deichsicherheit des neu zu bauenden Deiches abgerissen wird.

Auch aufgrund der Aufspaltung des Produktionsablaufes zwischen Hamburg und Toulouse benötigt Hamburg die gesamten Abstellplätze. Sie werden benötigt für das Abstellen

­ der Flugzeuge vor dem Eindocken zur Ausstattungsmontage,

­ der Flugzeuge vor der Lackierung,

­ der Flugzeuge zwischen Lackierung und Kundenabnahme,

­ nicht ausgestatteter Flugzeuge in der Produktionsanlauf-Phase,

­ nicht ausgestatteter Flugzeuge zur Entkoppelung gleichmäßiger Serien-Produktionsraten und stark schwankender Auslieferungsraten,

­ von nicht zeitgerecht auslieferbaren A3XX und von stornierten Flugzeugauslieferungen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Abstellplätze für eine Produktion von acht Flugzeugen im Mittel von 11,5 Monaten ausreichen müssen. Es entspricht den Erfahrungen der laufenden Produktion, dass die vorgesehene Anzahl von Abstellplätzen von einer restriktiven Mindestzahl ausgeht.

Die Reduzierung der Gebäude-Flächenbedarfe beträgt ca. 2,6 % der Nettonutzfläche von 140 ha.

Die für die Entscheidung des Senats vom 9. Juni 1998 maßgeblichen Gesichtspunkte für eine DA-Erweiterung in das Mühlenberger Loch bestehen aufgrund der AI-Entscheidung vom 22. Juni 2000 fort:

­ Gesamteffekt von ca. 4000 Arbeitsplätzen.

­ Es werden ca. 140 ha Nutzfläche benötigt.

­ Das Gebäude für die Montagebereiche mit dem Logistikstrang erfordert eine Länge von ca. 850 m und kann nur auf der vorgesehenen Erweiterungsfläche untergebracht werden.

­ Grundlage der AI-Entscheidung ist, dass die Produktionslogistik nicht durch eine bestehende Start-/Landebahn durchschnitten wird.

­ Für den kombinierten See-/Lufttransport ist eine unmittelbare Anbindung der Hafenanlage an die Struktur- und Ausrüstungsmontage und an das Vorfeld des Sonderlandeplatzes gegeben.

Vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick auf die vom Senat getroffenen Entscheidungen und eingegangenen Verpflichtungen hat die Antragstellerin gegenüber der Planfeststellungsbehörde beantragt, die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 8. Mai 2000 auszusprechen. Die Planfeststellungsbehörde hat am 21. Juli 2000 diesem Antrag stattgegeben und in der Begründung unter anderem ausgeführt, dass die AI-Entscheidung vom 22. Juni 2000 mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 kongruent ist.

Stadt- und regionalwirtschaftliche Effekte

Die Inanspruchnahme einer Teilfläche des Mühlenberger Lochs kommt weiterhin lediglich für den Zweck der Endlinienfertigung der A3XX in Frage. Unter einer Endlinienfertigung ist nach Auffassung des Senats dabei die Montage des A3XX zu verstehen, die einen Arbeitsplatzeffekt in der Größenordnung von 4000 zusätzlichen Arbeitsplätzen beinhaltet und einen Flächenbedarf in der Größenordnung von 140 ha auslöst.

Grundlage der Entscheidung des Senats und der Bewerbung Hamburgs um die Einrichtung der Endmontage des A3XX waren auf Basis der Angaben von AI und DA folgende prognostizierten positiven Auswirkungen:

­ Sicherung des Luftfahrtindustriestandortes,

­ Gesamteffekt von ca. 4000 Arbeitsplätzen,

­ Umsetzung eines hohen Investitionsvolumens für die Bau- und Ausrüstungsindustrie,

­ Ansiedlung von Zulieferindustrie,

­ Zuwachs an Technologie-Know-How in der Region,

­ Langfristige Sicherung der industriellen Basis.

Zeitgleich und in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der Entscheidung zum A3XX-Programm hat AI beschlossen, den Standort Hamburg zum Single-Aisle-Zentrum (Flugzeuge mit einem Mittelgang) im Airbus-System auszubauen. Dies führt zu einer weiteren wesentlichen Stärkung des Standortes Hamburg im Konzernverbund.

Im Hinblick auf das Bewerbungsangebot an AI hatte die Wirtschaftsbehörde 1998 die prognos GmbH ­ Europäisches Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung mit einer Abschätzung der regionalwirtschaftlichen Effekte des Ansiedlungsvorhabens A3XX beauftragt.

Das Prognos-Gutachten stellt die möglichen Arbeitsplatzeffekte, Auswirkungen auf die Bruttowertschöpfung (langfristiges Wirtschaftswachstum) und fiskalischen Effekte (Steuereinnahmen) dar. Selbst unter Zugrundelegung bewusst zurückhaltender und konservativ getroffener Annahmen kommt es für den Standort Hamburg und die Region zu beachtlichen Ergebnissen.

Angesichts der Entscheidung zur A3XX-Endlinienfertigung am Standort Hamburg, die seitens AI/DA ein Investitionsvolumen von 1,7 Mrd. D für Gebäude und Ausrüstungen bedeutet, wurde das Wirtschaftsforschungsinstitut mit der Aktualisierung des damaligen Gutachtens auf Basis der neuesten verfügbaren Daten beauftragt.

Das Gutachten zeigt erneut die zu erwartenden erheblichen positiven Arbeitsplatz- und Wertschöpfungseffekte in der Region. Die Berechnungen basieren auf Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sowie aktueller Angaben von AI/DA. Dabei wurden in allen Bereichen bewusst konservative Annahmen zugrunde gelegt.

Ausgehend von einem am Standort Hamburg erbrachten Bruttoproduktionswert von knapp 700 Mio. D p. a. bei 46 A3XX-Einheiten p. a. berechnet sich der direkte Wertschöpfungszuwachs für die Region auf jährlich 225 Mio. D p. a. Indirekte und „induzierte" Effekte generieren zusammen ein Volumen von 304 Mio. D. Der jährliche Gesamteffekt beträgt 529 Mio. D zusätzliche dauerhafte Wertschöpfung in der Region.

Die 1998 genannten unmittelbaren direkten Beschäftigungseffekte von 2000 neuen Arbeitsplätzen durch die Produktion am Standort Hamburg-Finkenwerder werden auch im jetzt entschiedenen A3XX-Programm realisiert.

Hinzuzurechnen sind rund 40 weitere direkte Arbeitsplätze aus der Instandhaltung und Wartung der Gebäude und Maschinen.

Prognos errechnet unter den genannten Annahmen einen dauerhaften Beschäftigungseffekt von insgesamt 4097

Arbeitsplätzen in der Region. Nicht berücksichtigt sind hierbei die durch die Single-Aisle-Entscheidung entstehenden zusätzlichen Arbeitsplätze. Für die rund dreijährige Bauphase tritt zusätzlich ein temporärer Effekt von 3560

Arbeitsplätzen und 405 Mio. D Wertschöpfung pro Jahr in der Metropolregion auf.

AI sieht eine Basisproduktionsrate von 46 ausgelieferten A3XX-Einheiten pro Jahr vor. Abhängig vom Markterfolg des A3XX werden höhere Produktionsraten von bis zu 92 Einheiten pro Jahr vom Gutachter und vom Unternehmen als realistisch betrachtet. Die von der Produktion abhängigen direkten, indirekten und „induzierten" Effekte sind dementsprechend höher. Durch die zu erwartende Mobilisierung von Produktivitätsreserven wird es bei verdoppelten Produktionsraten allerdings nicht zu einer Verdoppelung der Beschäftigteneffekte und der regionalen Wertschöpfung kommen. Die Berechungsszenarien des Gutachtens zeigen, dass bei der Maximalproduktion der dauerhafte Wertschöpfungseffekt auf 943 Mio. D p. a. gegenüber 529 Mio. D in der Basisproduktionsrate wächst. Die Beschäftigung steigt von 4097 auf 7338 dauerhafte Arbeitsplätze. Die tatsächlich realisierte Produktionsrate mit den entsprechenden regionalwirtschaftlichen Effekten dürfte mit der Nachfrage schwanken und im Mittel zwischen den beiden Szenarien liegen.

Die Entscheidung von AI für den Ausbau des Standorts Hamburg ist indessen eine Zukunftsinvestition, deren Relevanz für die Region noch weit über den engen Betrachtungsrahmen einzelner Komponenten oder direkter, indirekter und „induzierter" ökonomischer Effekte hinausgeht.

Die Luftfahrzeugindustrie ist eine Schlüsseltechnologie der mobilen Gesellschaft der Zukunft. Die Stärkung des Standortes Hamburg erfolgt in einer dynamischen Branche, die in den letzten Jahren starkem Rationalisierungsdruck und Standortwettbewerb ausgesetzt gewesen ist. Die gegenwärtige Konzentration der zivilen Luftfahrzeugproduktion auf weltweit drei Standorte (Seattle, Toulouse, Hamburg) ist Ergebnis dieses branchenspezifischen Strukturwandels. Die Region Hamburg hat sich angesichts der Entscheidung zum A3XX-Programm und der SingleAisle-Linie als hochproduktiver Standort erwiesen und seine Position nachhaltig gefestigt.

Das jetzt entschiedene A3XX-Programm und die daraus entstehenden expansiven Impulse auf die Branche tragen zur nachhaltigen Stärkung der industriellen Basis in der Region bei.

Weitere Wirkungen quantitativer und qualitativer Art, die mit dem ökonometrischen Modell zur Berechnung der regionalen Wertschöpfungs-, Beschäftigungs- und Steuereffekte nicht zu erfassen sind, beziehen sich z. B. auf Kapazitätseffekte bei Zulieferern durch Produktionsausweitungen und Neuansiedlungen, die wiederum multiplikative Wirkungen in der regionalen Wirtschaft entfalten. Als erheblicher regionalwirtschaftlicher Effekt sind auch die Impulse für Kompetenz und Kapazitäten der Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und die zukünftig zunehmenden intraregionalen Transferaktivitäten zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu bewerten.

In regionaler Betrachtung ist der zivile Luftfahrtzeugbau diejenige Industrie im norddeutschen Raum, die am stärksten ein „klassisches" Technologiecluster entwickelt hat.

Gegenwärtig gibt es in Norddeutschland mehr als 300 mittelständische Zulieferfirmen, welche luftfahrtorientiert arbeiten. Mit ca. 6000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,5­2,0 Mrd. D handelt es sich bereits jetzt um einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Region. Das Cluster integriert eng kooperierende universitäre wie unternehmensinterne Forschungseinrichtungen und Entwicklungsabteilungen, Produktionslinien, Ausbildungs- und Qualifikationszentren, Steuerungs- und Vertriebsstrukturen inkl. aller vorgelagerten Waren und ­ mit wachsender Bedeutung ­ Dienstleistungszulieferer.

Das Cluster „Aerospace Technology" in Hamburg zeichnet sich bereits heute durch eine hohe regionale Verflechtung aus, d.h. im Vergleich zu anderen produzierenden Branchen kommt ein hoher Anteil der Vorleistungsbezüge an Waren, Materialien und Dienstleistungen aus der Region.

Die regionalwirtschaftlichen Effekte der A3XX-Entscheidung werden um so höher ausfallen, je mehr es gelingt, den Beitrag der regionalen Zulieferer an der Nachfrage nach Vorleistungen und Dienstleistungen zu erhöhen. Neben zusätzlichen regionalen Wachstums- und Beschäftigungseffekten führt dies auch zu einer Stärkung des Luftfahrtstandortes Hamburg insgesamt.

Damit die norddeutschen mittelständischen Unternehmen stärker als in der Vergangenheit von der Ausweitung der Endlinienfertigung am Standort Hamburg profitieren, müssen sie ihre Potenziale bündeln.

Aufbauend auf bereits geleisteter Arbeit wird der Senat die Transparenz über das Potenzial und die Kompetenzen mittelständischer Luftfahrtzuliefererbetriebe verbessern, um potenziellen Partnern in der Wertschöpfungskette die Möglichkeit des Einstiegs zu geben. Ein Ansatzpunkt zur Verbesserung sowohl der nationalen als auch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der norddeutschen Luftfahrtzulieferer ist auch die Bildung von Anbietergemeinschaften und virtuellen Unternehmen.

Gegenwärtig wird gemeinsam mit der HWF an einem Konzept zur Ansiedlung von zusätzlichen Luftfahrtzulieferern am Standort Hamburg gearbeitet. Das Handlungskonzept umfasst Überlegungen zu verstärkten Akquisitionsbemühungen, die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Luftfahrtzulieferer im Dienstleistungsbereich und gezielte Kongresse und Veranstaltungen im Rahmen einer Standortkampagne, über die neben Unternehmen auch qualifizierte Arbeitskräfte auf Dauer nach Hamburg geholt werden sollen.

Als einen konkreten weiteren Schritt beabsichtigt der Senat gemeinsam mit den Landesregierungen der Nachbarländer sowie auf Wunsch auch mit anderen Partnern der Region Veranstaltungen durchzuführen, auf der norddeutsche Zulieferbetriebe möglichst frühzeitig über Bedingungen und Möglichkeiten informiert werden, sich am A3XX-Projekt zu beteiligen. Zusatzeffekt solcher Veranstaltungen wäre auch die Auslotung von Kooperationsmöglichkeiten und weitere Vernetzung der Zulieferbetriebe untereinander.