Dienstunfähigkeit

Mögliche Aussagen in den Studien zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Ursache für Dienstunfähigkeit ­ denkbar etwa: z. B. mangelndes Ansehen des öffentlichen Dienstes und damit geringe Wahrnehmung der Anerkennung der Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter insgesamt als ein Faktor für das Burn-Out-Syndrom oder faktische Verlagerung des außerschulischen „Erziehungsauftrages" der Eltern auf die Schule ­ sind nur schwer zu beeinflussen und dürften in der Regel keine relevanten Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Ebenso werden kaum Möglichkeiten der Beeinflussung von Ursachen bestehen, die aus dem privaten Bereich resultieren.

Diese Unsicherheiten zeigen, dass die Erwartungen an die angedachten Untersuchungen hinsichtlich deren Erfolg in Form von dauerhafter Senkung der Dienstunfähigkeitsfälle nicht überbewertet werden dürfen.

b) Zu den Untersuchungskonzepten:

Die nachstehend aufgeführten Professorinnen und Professoren der Hamburger Hochschulen haben Untersuchungskonzepte bezüglich Arbeitssituation, Bewältigung und Dienstunfähigkeit zu den Schwerpunktbereichen Lehrerinnen und Lehrer und Vollzugsdienste (Polizeivollzug und Strafvollzug) entwickelt:

Die vorstehend genannten beteiligten Professorinnen und Professoren der Hamburger Hochschulen haben in ihrer grundsätzlichen Einschätzung zur Realisierbarkeit und zum Umfang der Forschungsprojekte ausgeführt: „Die Beziehungen zwischen Belastungen in der Arbeitswelt und Leistungsfähigkeit und Gesundheit von Beschäftigten sind arbeitswissenschaftlich zwar häufig untersucht. Es findet sich jedoch eine Konzentration auf industrielle Arbeitsplätze sowie auf Querschnittstudien.

Längsschnitt- und Interventionsstudien ­ und nur diese lassen kausale Aussagen über Wirkungen von Belastungen zu ­ sind demgegenüber selten. Gesicherte wissenschaftliche Aussagen über die Zusammenhänge zwischen Belastungen, Bewältigung und Erwerbsunfähigkeit fehlen. Hier knüpft das vorliegende Vorhaben an.

Die Dienstunfähigkeit von Beamten ist Ergebnis eines langfristigen Prozesses. Während des Arbeitslebens werden Belastungen und Ressourcen am Arbeitsplatz auf dem Hintergrund der allgemeinen Lebenssituation verarbeitet. Diese Verarbeitungsprozesse werden durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, wie etwa Persönlichkeitsfaktoren, bisherige Erfahrungen im Umgang mit Belastungen und Ressourcen, Bewältigungsstile etc.

Eine Untersuchung zum Thema Dienstunfähigkeit, die der Komplexität dieses Prozesses Rechnung trägt, ist sowohl inhaltlich als auch methodisch ­ und damit finanziell ­ aufwendig: Der inhaltliche Aufwand ergibt sich daraus, dass die wesentlichen Einflussfaktoren im Prozess der Entwicklung von Dienstunfähigkeit berücksichtigt werden müssen, und dass unterschiedliche Tätigkeitsgruppen einzubeziehen sind. Es besteht somit die Notwendigkeit umfangreicher Studien.

Der methodische Aufwand ist erforderlich, da Querschnittstudien lediglich Aussagen über mögliche Beziehungen, etwa zwischen Belastungen und Erkrankung, erlauben. Um kausale Effekte zwischen Arbeitsbedingungen und Dienstunfähigkeit zu überprüfen, sind Längsschnitt- und/oder Interventionsstudien erforderlich."

Nach der Bewertung der vorgelegten Untersuchungskonzepte stellt der Senat fest:

Eine Untersuchung zum Thema Dienstunfähigkeit, die der Komplexität des o. g. Prozesses Rechnung trägt, ist sowohl inhaltlich als auch methodisch ­ und damit finanziell und zeitlich ­ aufwendig. Der inhaltliche Aufwand ergibt sich daraus, dass die wesentlichen Einflussfaktoren ­ unter Berücksichtigung von Wechselwirkungen ­ im Prozess der Entwicklung von Dienstunfähigkeit berücksichtigt werden müssen. Es besteht somit die Notwendigkeit umfangreicher Studien. Der methodische Aufwand ist erforderlich, da Querschnittstudien lediglich Aussagen über mögliche Beziehungen, etwa zwischen Belastungen und Erkrankung erlauben. Um kausale Effekte zwischen Arbeitsbedingungen und Dienstunfähigkeit zu überprüfen, sind Längsschnitt- oder Interventionsstudien erforderlich. Es bleibt unsicher, ob aus weiteren Forschungsvorhaben umsetzbare Handlungsansätze zu erwarten sein werden, die zu einer Reduzierung von Frühpensionierungen und damit zur Verminderung von Versorgungskosten führen.

Wegen der Unsicherheit, aus Studien zur Erfassung von (entwicklungsbedingten) Sekundärursachen konkrete Handlungsansätze ableiten zu können, und wegen des auf fünf Jahre geschätzten Zeitbedarfs hat der Senat von der Auftragserteilung für weitere wissenschaftliche Untersuchungen zur Ursachenforschung von Dienstunfähigkeit ­ die erhebliche finanzielle Mittel (ca. 1,8 Mio. DM) binden würde ­ abgesehen. Die Auswertung der Untersuchungskonzepte hat vielmehr dazu geführt, dass die empirischen Untersuchungen weitgehend auf die Ermittlung von Primärursachen für Dienstunfähigkeit beschränkt werden.

Wegen der hohen Bedeutung der Thematik wird die Ermittlung von Primärursachen von Dienstunfähigkeit aber durch fortlaufende Verbesserungen der statistischen Erhebungen und einzelne wissenschaftliche Arbeiten zur Auswertung von Datenmaterial beim Personalärztlichen Dienst (PÄD) unter Betreuung des PÄD fortgesetzt. Dabei handelt es sich zunächst um

­ eine Diplomarbeit mit dem Thema „Analyse möglicher Ursachen für psychisch begründete Dienstunfähigkeiten bei Lehrkräften" unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Bamberg, Universität Hamburg, Psychologisches Institut I, und

­ eine Dissertation mit dem Thema „In welchem Ausmaß sind psychosomatische Erkrankungen für die Entstehung vorzeitiger Dienstunfähigkeit verantwortlich?" unter der Leitung von Herrn Privatdozent Dr. Ulrich Lamparter, Universität Hamburg, Medizinische Fakultät, Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie.

Die Untersuchung umfasst die Berufsgruppen der Lehrerinnen und Lehrer, der Beamtinnen und Beamten im Vollzugsdienst bei Polizei und Feuerwehr und im Strafvollzugsdienst und erstreckt sich über einen Zeitraum von 1996 bis 2000.

Ziel der Betrachtungen der Krankheitsverläufe ist eine Abschätzung des Ausmaßes psychisch bedingter Dienstunfähigkeit bzw. von psychosomatischen Erkrankungen, um Erkenntnisse über mögliche berufsspezifische Belastungsmomente bzw. mögliche Ursachen im Dienstalltag zu gewinnen.

Über die Ergebnisse wird der Senat berichten.

Das Ersuchen zu Ziffer 2 wird wie in den Vorjahren mit Berichten aus den in dem Ersuchen genannten Bereichen beantwortet.

Die Grundsituation im Vergleich zu den der Bürgerschaft mit den Drucksachen 16/1358 und 16/3076 erstatteten Berichten zur Dienstunfähigkeit von Beamtinnen und Beamten hat sich nicht verändert.

1. Entwicklung der Dienstunfähigkeit und laufende Maßnahmen

Zur zahlenmäßigen Entwicklung der Versetzungen in den Ruhestand wird auf die als Anlagen 1 und 2 beigefügten Übersichten (Fortschreibung der Anlagen 1 und 2 zur Bürgerschaftsdrucksache 16/3076) Bezug genommen.

Im Jahr 1999 sind die Fallzahlen der Versetzungen in den Ruhestand insgesamt gegenüber 1998 etwas gestiegen; dabei erhöhte sich der Anteil der Frühpensionierungen wegen Dienstunfähigkeit um 1,3 Prozentpunkte (32,4 % auf 33,7 %) gegenüber 1998, blieb aber deutlich unter der Durchschnittsquote der vorhergehenden Jahre 1993 bis 1997, die bei 37,1 % lag.

Maßnahmen zur Vermeidung der Frühpensionierung wurden und werden vom Senat aktiv unterstützt. So gibt es seit 1994 über Artikel 12 des Haushaltsbeschlusses die Möglichkeit, die anderweitige Verwendung sonst dienstunfähiger Bediensteter durch stellentechnische Regelungen zu fördern. Artikel 4 Nr. 5 des Haushaltsbeschlusses eröffnet die Möglichkeit, Mittel zur Finanzierung der vorgenannten Stellenregelungen in die Personalausgabenbudgets der Behörden zu transferieren. Diese Maßnahmen haben nachhaltigen Erfolg gezeigt, wie die nachstehende Tabelle zeigt.

1) Auswertung der jährlichen Behördenmeldungen über Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation nur noch eingeschränkt dienstfähiger Beamtinnen und Beamter gemäß § 47 Abs. 3 Hamburgisches Beamtengesetz

2) Diese Angaben beziehen sich jeweils auf Fälle aus dem gesamten Bereich der Justizbehörde (Jb), der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung (BSJB) und der Behörde für Inneres (BfI). Nachstehend werden beispielhaft einige Themen aufgeführt:

I. Im Rahmen der Führungsfortbildung werden angeboten

­ Flow als Führungskonzept (Möglichkeiten, Energien wieder freizusetzen, fließen zu lassen)

­ Fehlzeiten senken durch gesundheitsförderndes Führungsverhalten

­ Mit Suchtproblemen am Arbeitsplatz umgehen

II. Im Rahmen der Fortbildung für alle Beschäftigten werden angeboten

­ Stressbewältigungstraining

­ Mobbing: Ursachen erkennen ­ Gegenstrategien entwickeln

­ Gesund bleiben am Arbeitsplatz

­ Arbeitsweise und Einführungsstrategien von Gesundheits- und Qualitätszirkeln

Zusammenfassend lässt sich Folgendes feststellen:

1. Im Vergleich mit den Ländern und mit der aktuell veröffentlichten Auswertung der Statistik für Hessen (Schuchmann, a.a.O.) sind bei den Hamburger Quoten der Frühpensionierung wegen Dienstunfähigkeit keine signifikanten Besonderheiten festzustellen.

2. Zur Abgleichung der im Zusammenhang mit der Erstellung einer Versorgungsprognose (vgl. Bürgerschafts-Drucksache 16/4727) verwendeten InvalidisierungsQuoten mit den Daten über die tatsächlich vollzogenen Eintritte in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist mit Herrn Prof. Pfeifer Rücksprache gehalten worden.

Die von ihm mit seinem Prognosegrundmodell durchgeführte Berechnung kommt zu dem Ergebnis, dass für das Jahr 2000 eine Ausscheidenszahl wegen „Invalidität" von voraussichtlich ca. 460 aktiven Beamtinnen und Beamten prognostiziert wird. Dabei ist zu beachten, dass der Berechnung die Invaliditätstafel der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zugrunde liegt, die die Invalidisierungswahrscheinlichkeit nach Alter und Geschlecht, nicht aber nach Berufsgruppen spezifiziert.

Die Invaliditätstafel der DAV beruht auf bundeseinheitlichen Erhebungen, die die gesamte Bevölkerung einschließt, und enthält mit dem Lebensalter ansteigende Wahrscheinlichkeiten des Eintritts von Invalidität. Bei Betrachtung der tatsächlichen Ausscheidenszahlen der Beamtinnen und Beamten wegen Dienstunfähigkeit der vergangenen 7 Jahre (vgl. Anlage 1) zeigt sich, dass eine so hohe Zahl bisher nicht zu verzeichnen gewesen ist, so dass grundsätzlich nicht zu erwarten sein dürfte, dass die Ausscheidensquote wegen Dienstunfähigkeit im Jahr 2000 an die prognostizierte Zahl heranreichen wird. In der Gesamtschau liegt Hamburg damit nicht nur innerhalb des Rahmens der Prognose, sondern die Ausscheidenszahlen wegen Dienstunfähigkeit sind sogar niedriger, als sie es nach der Prognose auf der Grundlage der bevölkerungsspezifischen Invaliditätstafeln hätten sein können.

Dieses Ergebnis könnte darauf zurückzuführen sein, dass

a) durch Einstellungsuntersuchungen des Personalärztlichen Dienstes das Risiko frühzeitiger Dienstunfähigkeit gering gehalten wurde,

b) durch Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation für gesundheitlich nur noch eingeschränkt einsetzbare Beamtinnen und Beamte andere Einsatzfelder gefunden werden konnten (in der Privatwirtschaft hätte die gesundheitliche Einschränkung zumindest zur Berufsunfähigkeit geführt), wie die Tabelle „Struktur Frühpensionierung wegen Dienstunfähigkeit", Seite 5, zeigt,

c) durch Förderung des vorbeugenden Gesundheitsschutzes als integraler Teil des Personalmanagements aus einem Guss Dienstunfähigkeit vermieden wurde.

Für künftige vergleichende Betrachtungen wird der jeweilige Altersaufbau verstärkt zu berücksichtigen sein.

2. Spezielle Maßnahmen in den Bereichen Lehrerinnen und Lehrer, Polizei und Feuerwehr sowie Strafvollzug

Bereich Lehrerinnen und Lehrer

Zur Reduzierung von Frühpensionierungen von Lehrkräften hat die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, z. T. in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD) beim Personalamt, folgende Maßnahmen durchgeführt:

Die Beratungsstelle Pädagogische Psychologie des IfL (Institut für Lehrerfortbildung) bietet eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema „Arbeitszufriedenheit" an. Hier können sich Lehrkräfte und Funktionsträgerinnen und Funktionsträger informieren, wie die Arbeitsfähigkeit von Lehrkräften schulintern oder auch außerhalb des Kollegiums gestärkt sowie die Arbeitszufriedenheit erhalten oder wiedergewonnen werden kann. Die Angebote erfolgen teilweise in Form von Supervision, mit denen die Kooperation bzw. Teamentwicklung und der Umgang mit Konflikten in Teams oder Kollegien gefördert werden soll. Außerdem gibt es methodenspezifische Workshops, in denen Lehrkräfte ihre sozialpädagogische Kompetenz erweitern können bzw. erfolgen Angebote, um den Umgang mit beruflicher Belastung und Stress bewusst zu machen. Damit soll belasteten Lehrkräften geholfen werden, einen Selbstklärungsprozess einzuleiten. Seit 1994/95 nutzen pro Schuljahr durchschnittlich 350 bis 400 Lehrkräfte dieses Angebot.

Weitere Beratungsmöglichkeit bietet Lehrkräften das Info-Telefon für Lehrerinnen und Lehrer zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Diese telefonische Beratung wird vom AMD in Zusammenarbeit mit dem IfL durchgeführt. Zu den präventiv wahrgenommenen Angeboten in einem weiteren Sinne gehört auch die Arbeit der Beratungsstelle für Alkohol und andere Suchtprobleme.

Im Auftrage der BSJB führt der AMD eine Rückenschule für Beschäftigte in Sonderschulen für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche durch. Dieses Projekt ist als „Coaching" angelegt, d. h. die Beschäftigten werden einzeln oder als Klassenteam in ihrer Arbeit begleitet. Arbeitssituation und körperliche Belastungen werden mittels Video festgehalten und später gemeinsam analysiert. Die zu Tage tretenden Gewohnheiten und meist unbewussten Bewegungsmuster bilden die Grundlage für individuelle und den Betroffenen bewusste Präventionsarbeit. Neben einer Korrektur der Arbeitsbedingungen wird über die arbeitsplatzbezogene Begleitung vor allem eine gemeinsame Erarbeitung neuer Arbeitstechniken entwickelt.