Erziehung

Durchführung und Gestaltung des offenen Arrestes für jugendliche Straftäter

Der praktizierte offene Jugendarrest stellt gegenüber der richterlichen Auflage eine härtere Maßnahme im Bereich des Jugendstrafrechts dar und gleichzeitig auch die „Vorstufe" zur Jugendstrafe. Dem Jugendarrest kommt somit eine tragende Rolle in der Systematik des Jugendstrafrechts zu.

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht Jugendarrest in zwei Formen vor: Als Zuchtmittel und als Beugemittel. Der Jugendarrest kann als Zuchtmittel gegen einen Jugendlichen verhängt werden. Dabei unterscheidet §16 Jugendgerichtsgesetz zwischen Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest, die im Wesentlichen in der Länge voneinander abweichen. Dieser Arrest kann zwischen zwei und vier Tagen (Kurzbzw. Freizeitarrest) und zwischen einer Woche und vier Wochen (Dauerarrest) dauern. Als so genanntes Beugemittel kann Jugendarrest bis zu einer Dauer von vier Wochen verhängt werden, um Weisungen (z.B. Arbeitsleistungen, §10 JGG), die vom Gericht verhängt worden sind, durchzusetzen (Ungehorsamsarrest); als Letzterer stellt der Jugendarrest keineswegs eine „Vorstufe" zur Jugendstrafe dar.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. a) Wie viele Jugendarreste wurden in den Jahren 1993 bis 1999 jeweils verhängt?

Jugendarrest ist in Hamburg ausweislich der Strafverfolgungsstatistik in folgendem Umfang verhängt worden:

Die Zahlen für 1999 liegen noch nicht vor.

1. b) Wie viele Arrestplätze in welchen Einrichtungen standen in den Jahren 1993 bis 1999 jeweils zur Verfügung?

1993 standen in der einzigen Hamburger Jugendarrestanstalt, dem Christian-Koch-Haus in Wandsbek, acht, seit 1994 stehen sechs Arrestplätze zur Verfügung.

2. Wie hoch ist die Auslastung der einzelnen Jugendarrestanstalten und wie viel Personal steht insgesamt jeweils in den einzelnen Einrichtungen im Verhältnis zu der Anzahl der Arrestanten zur Verfügung?

Dem Christian-Koch-Haus, in dem seit 1997 die Jugendarrestanstalt mit sechs Plätzen und daneben die Übergangseinrichtung für jugendliche Strafgefangene mit acht Plätzen untergebracht sind, standen in diesem Zeitraum insgesamt sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes und der Leiter mit 50 Prozent seiner Arbeitszeit als Jugendrichter zur Verfügung. Da das Personal für beide Einrichtungen zuständig ist, kann die in der Fragestellung gewünschte Verhältnisbildung nicht erfolgen.

Die Jugendarrestanstalt nimmt Jugendliche zum Jugendarrest und seit 1990 auch Heranwachsende, die vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont werden, auf. Dadurch ist eine nach §§ 71, 72 JGG bestehende Möglichkeit der Haftvermeidung für Achtzehn- bis Einundzwanzigjährige aufgegriffen und erweitert worden.

Im Juli 2000 war die Jugendarrestanstalt durchschnittlich mit einer Insassin und fünf Insassen belegt.

3. Welche Zeitspanne liegt regelmäßig zwischen der Rechtskraft des Urteils und dem Beginn des Jugendarrestes? Hält der Senat diese Zeitspanne für zu lang? Wenn ja, welche Maßnahmen wird der Senat ergreifen, um diese Zeitspanne zu verkürzen?

Die Zeitspanne zwischen Rechtskraft des Urteils und Beginn des Jugendarrestes reicht vom Tag des rechtskräftigen Urteils bis zu mehreren Monaten und ist von Gegebenheiten, die in der Person der Arrestantinnen bzw. Arrestanten liegen, wie Arrestaufschub wegen Arbeit, Schule usw. oder nachträgliche Erfüllung von Auflagen und Weisungen, abhängig. Außerdem ist die Anzahl der insgesamt zu vollstreckenden Arreste von Belang. Zurzeit können Arrestantinnen bzw. Arrestanten für den auf die Rechtskraft folgenden Monat geladen werden. Der Senat hält diese Zeitspanne nicht für zu lang.

4. a) Ist eine durchgehende Betreuung der Jugendlichen während des Arrestes in den Einrichtungen gewährleistet?

Während des Arrests ist eine durchgehende Betreuung der Jugendlichen gewährleistet.

4. b) Welche Jugendarrestanstalten waren über das Wochenende geschlossen und wie lässt sich dies mit dem Ziel einer intensiven Betreuung straffälliger Jugendlicher vereinbaren?

c) Wie soll in Zukunft die Öffnung der Jugendarrestanstalten gewährleistet werden?

Dem Christian-Koch-Haus sind seit September 2000 zwei weitere Bedienstete im Allgemeinen Vollzugsdienst zugewiesen worden. Damit ist eine durchgehende Öffnung auch an den Wochenenden gewährleistet.

5. a) Der Jugendarrest kann aus der Sicht eines straffälligen Jugendlichen eine härtere Maßnahme bedeuten als eine Jugendstrafe auf Bewährung. Könnte nach Auffassung des Senats ein geschlossener Jugendarrest eine geeignete Maßnahme darstellen, diese Diskrepanz zu mildern, wenn an Stelle einer Jugendstrafe die Möglichkeit bestünde, einen geschlossenen Arrest zu verhängen?

b) Ist die Lücke zwischen der Untersuchungshaft/Jugendstrafe und offenem Arrest im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinnehmbar?

Die der Frage zugrundeliegende Unterscheidung zwischen einem „geschlossenen" und einem „offenen" Arrest ist dem Jugendgerichtsgesetz fremd und stünde auch mit den Zielen des Jugendrechts nicht in Einklang.

6. Wären nach Auffassung des Senats ergänzende Maßnahmen (Führerscheinentzug, strengere Meldepflichten usw.) geeignet, neben dem offenen Arrest erzieherisch auf Jugendliche einzuwirken?

Der Senat hat sich mit dem Thema bisher nicht befasst. Zunächst ist die derzeit für das Erwachsenenstrafrecht bundesweit geführte Diskussion zu neuen Sanktionsformen abzuwarten. Im Übrigen käme ein Führerscheinentzug nur für einen Teil der Jugendlichen und Heranwachsenden in Betracht, gegen die Jugendarrest verhängt wird. Denn das Mindestalter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A (Motorradführerschein) und B (Pkw-Führerschein) beträgt 18 Jahre; die Fahrerlaubnisklassen A 1 (Leichtkrafträder) und M (Kleinkrafträder) sowie T und L (bestimmte land- und forstwirtschaftliche Kraftfahrzeuge) können erst ab Vollendung des 16. Lebensjahres erworben werden.

7. a) Wie viele Arrestanten sind in den Jahren von 1993 bis 1999 jeweils nicht zum Arrestantritt erschienen bzw. nicht aus dem Arresturlaub zurückgekehrt?

Von 1993 bis 1999 gingen bei der Jugendarrestanstalt Vollstreckungsersuchen auf Grund von Urteilen Hamburger und auswärtiger Gerichte in folgendem Umfang ein:

Diese Vollstreckungsersuchen wurden fast durchgängig vollstreckt. In zahlreichen Fällen konnte aus unterschiedlichen Gründen, die unten näher aufgeschlüsselt sind, von der Vollstreckung abgesehen werden, so dass nur eine geringe Anzahl der Beugearreste tatsächlich vollstreckt werden musste:

Für das Jahr 1999 sind bisher noch keine abschließenden Zahlen verfügbar, weil eine größere Anzahl von Vollstreckungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Die Zahl der Nichtrückkehrerinnen und Nichtrückkehrer vom Arresturlaub wird statistisch nicht erfasst.

7. b) Welche Mittel stehen den Leitern der Jugendarrestanstalten zur Verfügung, Arrestanten zum Erscheinen zu bewegen, und wie häufig wurde in den Jahren 1993 bis 1999 davon Gebrauch gemacht?

Siehe Drucksache 16/2288, dort Antwort zu 4. a). Wie häufig von den Mitteln Gebrauch gemacht wird, wird nicht erfasst. Es kommt allerdings nur selten vor.

8. Wird der Senat Maßnahmen ergreifen, die eine geschlossene Unterbringung jugendlicher Mehrfachtäter und gleichzeitig eine durchgehende Betreuung ermöglichen? Wenn ja, wie viele Plätze sollen in welchen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, ab wann soll dies geschehen und wie viel Personal soll zur Betreuung der Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden? Wenn nein, wie begründet der Senat seine Haltung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Enquete-Kommission „Jugendkriminalität und ihre gesellschaftlichen Ursachen"? Nein. Für die Einführung einer geschlossenen Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe gibt es keinen Bedarf, da nicht zu erwarten ist, dass diese Form der Unterbringung den von ihren Befürwortern in sie gesetzten Erwartungen gerecht werden kann. Das entspricht auch dem Ergebnis der EnqueteKommission „Jugendkriminalität und ihre gesellschaftlichen Ursachen". Der Jugendhilfe in Hamburg stehen vielfältige Möglichkeiten zur Durchführung von Hilfen zur Erziehung auch in besonders schwierigen Fällen zur Verfügung. So besteht mit den intensiv betreuten Wohngruppen des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB) ein Angebot, in dem eine dichte Betreuung und eine verbindliche Gestaltung des Alltags junger Menschen in schwierigen Lebenssituationen Orientierung geben.