JVA

Spritzentausch in den Vollzugsanstalten

Nach längeren politischen Erörterungen und gründlicher Abwägung derVor- und Nachteile hat die Justizbehörde in einigen Strafvollzugsanstalten Möglichkeiten zum Spritzentausch eröffnet. Das Programm steht und fällt mit einer verläßlichen Evaluation.

Ich frage den Senat:

1. Wann wurde das Programm in welchen Haftanstalten begonnen?

Ziel der Vergabe steriler Einwegspritzen ist es, der weiteren Verbreitung von Hepatitis- und HIV-Infektionen durch den gemeinsamen Gebrauch gebrauchter Spritzen im Strafvollzug entgegenzuwirken. Das erste Spritzentauschprogramm im Hamburger Strafvollzug wurde ab dem 26. Juni 1996 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vierlande als wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt durchgeführt (siehe Drucksachen 16/2609 und 16/4093). Am 10. Januar 2000 wurde der Spritzentausch auf die Teilanstalt für Frauen in der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand und am 15. Februar 2000 auf die JVA

Am Hasenberge ausgeweitet (siehe Drucksache 16/4093).

Die zuständige Behörde ist der Empfehlung der Begleitforschung des Pilotprojektes in der JVA Vierlande gefolgt, im geschlossenen Vollzug einen höherschwelligen Vergabemodus als im offenen Vollzug zu wählen. Deshalb werden in der JVA Am Hasenberge und in der Frauenteilanstalt Spritzen nicht über Spritzentauschautomaten, sondern über den medizinischen Dienst durch eine „Hand-zu-Hand-Vergabe" getauscht. Im offenen Vollzug der JVA Vierlande werden sterile Spritzen weiterhin anonym über Automaten getauscht. Daneben besteht dort seit dem 1. Juni 2000 auch die Möglichkeit, Spritzen anonym bei externen Drogenberaterinnen und Drogenberatern zu tauschen.

2. Ist eine Ausweitung vorgesehen?

Gegenwärtig nicht.

3. Welche Möglichkeiten gibt es für die Feststellung, wie viele Drogenabhängige von der Möglichkeit des Spritzentauschs Gebrauch machen?

Die Zahl der Drogenabhängigen, die am Spritzentausch teilnehmen, kann durch externe wissenschaftliche Untersuchungen oder anstaltsinterne Dokumentationen festgestellt werden.

4. Wie viele Gefangene machen nach Einschätzung des Senats in welchen Haftanstalten vom Spritzentausch „Hand zu Hand" Gebrauch?

Im Jahr 2000 (Stand: 1. September 2000) haben in der JVA Am Hasenberge 22 und in der Frauenteilanstalt 13 Gefangene am Spritzentausch teilgenommen.

Die „Hand-zu-Hand-Vergabe" in der JVA Vierlande erfolgt anonym durch externe Beraterinnen und Berater. Teilnehmerdaten werden nicht erhoben.

5. Welchen Anteil der Drogenabhängigen in den jeweiligen Anstalten machen nach Einschätzung des Senats die in 4. genannten Gefangenen aus?

Das Institut für Rechtsmedizin hat in der 1998 abgeschlossenen Studie „Prävalenz und Transmission von viralen Infektionskrankheiten im geschlossenen Strafvollzug der Hamburger Justizvollzugsanstalten Am Hasenberge und Nesselstraße" festgestellt, dass in der JVA Am Hasenberge im Untersuchungszeitraum (April/Mai und Oktober/Dezember 1997) ca. 20 Prozent der befragten Insassen angaben, Heroin und Kokain zu konsumieren. Ca. zwei Drittel der Heroin- und Kokainkonsumenten berichteten über intravenösen Konsum. Bei einer Übertragung der Werte auf die aktuelle Belegung der JVA

Am Hasenberge mit 464 Gefangenen würden davon ca. 60 Gefangene zur Hauptrisikogruppe der drogenabhängigen Gefangenen mit intravenösem Konsum in Haft gehören. In den ersten sieben Monaten des Programms nahmen in der JVA Am Hasenberge im Monatsdurchschnitt 13 Gefangene am Spritzentausch teil.

Nach einer Einschätzung der Teilanstalt für Frauen gibt es in der Anstalt zur Zeit zwei Insassinnen mit intravenösem Drogenkonsum. Die beiden Gefangenen nehmen am Spritzentauschprogramm teil.

6. a) Wie lässt sich die Zahl der Gefangenen berechnen, die sich an Spritzenautomaten bedienen?

Es ist aufgrund der Anonymität des Tauschvorganges lediglich bekannt, wie viele Spritzen getauscht werden. Rückschlüsse auf die Zahl der Programmteilnehmer können daraus nicht gezogen werden.

6. b) Wie oft werden Bestand und Verbrauch in den Spritzenautomaten gezählt?

Die Zahl der über Automaten ausgegebenen Spritzen wird von montags bis freitags täglich dokumentiert.

6. c) Läßt die Zahl der (pro Tag/pro Woche) verbrauchten Spritzen einen Rückschluß auf die Zahl der Gefangenen zu, die getauscht haben?

Nein.

6. d) Gibt es Drogenabhängige, die pro Tag mehrmals Spritzen tauschen?

Ja.

7. Wenn zu 4. bis 6. keine klaren Erkenntnisse zu gewinnen sind: Wie wird das Spritzentauschprogramm evaluiert?

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.und das Institut für Rechtsmedizin am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf haben bei der Evaluation des Pilotprojektes in der JVA Vierlande auf seiten der Gefangenen umfangreiche Fragebogenerhebungen, Interviews, medizinische Untersuchungen, Aktenauswertungen und sonstige Dokumentationen durchgeführt. Die Bediensteten haben an Fragebogenerhebungen und Interviews teilgenommen. Das laufende Programm in der JVA Am Hasenberge wird vom Institut für Rechtsmedizin wissenschaftlich begleitet. Zu den eingesetzten Methoden gehören Fragebogenerhebungen, Interviews und medizinische Untersuchungen. In der Teilanstalt für Frauen wird der Programmverlauf von internen Fachkräften dokumentiert und bewertet.

8. Welche finanziellen Mittel sind vom Beginn des Programms bis zum 30. Juni 2000 für das Programm aufgewendet worden?

Bis zum 30. Juni 2000 wurden für die abgeschlossene wissenschaftliche Begleitforschung 233 750 DM sowie für Spritzentauschautomaten, Fortbildung der Bediensteten und Verbrauchsmittel rund 51 250 DM, zusammen rund 285 000 DM, aufgewendet.