Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch mit Mifegyne

In einem Schreiben an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses vom 24. Mai 2000 gibt die Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung ­ Pro Familia ­, Landesverband Hamburg, den Bürgerschaftsabgeordneten eine Entschließung ihrer Bundesmitgliederversammlung zur Kenntnis. Pro Familia konstatiert, dass die Wahlfreiheit der Schwangerschaftsabbruchmethode für Frauen durch eine unsachgemäße Kostenregelung beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch blockiert ist, und mahnt die Korrektur seitens Krankenkassen, Kassenärztlicher Bundesvereinigung sowie seitens der Regierungen von Bund und Ländern an. Die unsachgemäße Kostenregelung und die Blockierung der Wahlfreiheit ergebe sich dabei daraus, dass der Anspruch auf Vergütungen der Höhe der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sätze entspricht, welche den höheren Betreuungsaufwand bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch nicht berücksichtigen, somit nicht kostendeckend sind und Frauen, die nicht selbst zahlen können, deswegen der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch von den Ärzten und Ärztinnen kaum angeboten wird. Presseberichten zufolge droht vor diesem Hintergrund das gänzliche VomMarkt-Nehmen von Mifegyne (RU 486) durch die Pharma-Industrie.

Das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 hat in seinem Artikel 1 Nummer 13 die Leistungspflicht der Krankenkassen bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch auch auf die Gabe einer den Schwangerschaftsabbruch herbeiführenden Medikation erstreckt.Damit gehört ein nicht rechtswidriger Schwangerschaftsabbruch mit der Abtreibungspille „Mifegyne" in den Leistungskatalog der Krankenkassen. Bei Schwangerschaftsabbrüchen nach der Beratungsregelung (§ 218a Absatz 1 StGB) sind hingegen die Bundesländer im Rahmen des Gesetzes zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen (HFSG) zur Kostenerstattung für den medikamentös ausgelösten Schwangerschaftsabbruch für Frauen verpflichtet, deren Einkommen unter einer bestimmten Grenze bleibt.

Hinsichtlich der Höhe der in diesen Fällen durch die Bundesländer zu erstattenden Kosten ist rechtlich maßgebend, dass § 3 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 2 des HFSG einen eindeutigen GKV-Bezug herstellt, indem unter anderem folgendes bestimmt wird: „Ärzte und Einrichtungen haben Anspruch auf die Vergütung, welche die Krankenkasse für ihre Mitglieder bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch für Leistungen nach § 2 (in § 2 des Gesetzes wird Bezug auf § 24 Absatz 4 SGB V genommen) zahlt."

Die Bewertung medizinischer Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt im Rahmen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Für diese Bewertung ist der Bewertungsausschuß nach § 87 Absatz 3 Sozialgesetzbuch V zuständig, dem Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung angehören.Es handelt sich somit um eine Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene.

Hamburg ist bei der Kostenübernahme für medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche an die gesetzlich definierten Normen und die vom Bewertungsausschuß festgelegte Bewertung rechtlich gebunden; es hat keinen Einfluß auf dessen Entscheidungen. Jede Vergütung über die festgelegte Bewertung hinaus wäre eine Zahlung ohne rechtliche Grundlage.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Ist dem Senat das o.g. Schreiben bekannt?

Der zuständigen Fachbehörde ist das Schreiben bekannt.

2. Hält der Senat die derzeitige Vergütungsregelung für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch für sachgerecht? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, was hat der Senat bislang unternommen, um zu einer den erforderlichen Aufwendungen entsprechenden Vergütungsregelung zu kommen und damit der Entwicklung einer Zwei-Klassen-Medizin entgegenzuwirken, bzw. was wird der Senat in dieser Hinsicht unternehmen?

Die zuständige Behörde teilt die unter anderem von Pro Familia artikulierte Auffassung, dass die Bewertung der Leistungen eines medikamentösen Eingriffs derzeit nicht sachgerecht ist. In Übereinstimmung mit anderen Bundesländern ist dem Bewertungsausschuß daher ein detailliertes Positionspapier mit der Bitte zugeleitet worden, auf dessen Grundlage eine Überprüfung seiner bisherigen Beschlußlage vorzunehmen.

Hamburg hat sich darüber hinaus anläßlich der 73. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am 28./29. Juni 2000 in Schwerin zusammen mit der großen Mehrheit dieses Gremiums dafür eingesetzt, den Bewertungsausschuß dringend aufzufordern, unter Berücksichtigung der europäischen Erfahrungen und Berechnungsgrundlagen und auf Basis des voranstehend erwähnten Positionspapiers der Bundesländer eine Neubewertung der ärztlichen Leistungen vorzunehmen, die eine Kostendeckung ermöglichen.

Die 10. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen am 7./8. Juni 2000 in Hannover hat sich ebenfalls kritisch mit der aktuellen Situation beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch auseinandergesetzt und einen der Beschlußfassung der GMK inhaltlich entsprechenden Umlaufbeschluß gefaßt; dies wird zusätzlich dazu führen, den Druck auf den Bewertungsausschuß zu erhöhen.

3. Teilt der Senat die Auffassung von Pro Familia, dass es notwendig ist, eine bundeseinheitliche Pauschalvergütung festzulegen, die für einen medikamentösen und für einen instrumentellen Schwangerschaftsabbruch mit Lokalanästhesie in gleicher Höhe liegen sollte?

Wenn nein, weshalb nicht? Wenn ja, in welcher Form hat sich der Senat dafür eingesetzt und/oder wird sich dafür einsetzen?

Die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass zwischen den einzelnen Formen des ambulanten Schwangerschaftsabbruchs nach medizinischen Gesichtspunkten entschieden werden soll. Dies setzt eine jeweils angemessene Vergütung der beiden unterschiedlichen Leistungen voraus. Im übrigen wird auf die Vorbemerkung sowie die Antwort zu 2. verwiesen.

4. Wie viele Schwangerschaftsabbrüche sind in Hamburg von dieser Vergütungsregelung betroffen?

Von insgesamt 3231 in der Zeit vom 1.Januar bis 31.Juli 2000 über den Sozialhilfeträger Hamburg abgerechneten ambulanten Schwangerschaftsabbrüchen entfielen neun auf den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch mit „Mifegyne".