Schriftstücke

Bei diesen fehlenden Originalschriftstücken handelte es sich häufig um behördeninterne Vermerke oder Verfügungen.

Die Originalschriftstücke konnten in diversen Fällen von der Behörde nicht mehr aufgefunden werden. Nur zum Teil konnten sie nachgereicht werden, fanden sich in den später eingereichten „Handakten" oder wurden dadurch rekonstruiert, dass die von der BAGS angeschriebene Behörde der Absenderin Kopien der Schreiben ­ zum Zwecke der Vorlage beim PUA ­ zur Vervollständigung der Akte übermittelte.

Der Ausschuss konnte nicht abschließend klären, warum diese Schriftstücke in den Akten fehlten. Denkbar ist, dass die Adressaten der Schriftstücke (in der Regel die Vorgesetzten der Absender) ­ aus welchen Gründen auch immer ­ nicht dafür sorgten, dass die Originale, die häufig nur in Mappen umliefen, nach Entscheidung, Kenntnisnahme usw. wieder zum Sachbearbeiter und zur Akte zurückkamen oder aber die Sachbearbeiter selbst dies nach Rückerhalt der Dokumente nicht veranlassten.

In beiden Fällen müssen die Schriftstücke dann aber entweder vernichtet oder aber entgegen der behördeninternen Aktenordnung so abgelegt worden sein, dass sie (auch nachträglich) nicht mehr auffindbar waren.

Da die Nummerierung der einzelnen Aktenblätter („Paginierung") in aller Regel erst zum Zweck der Vorlage beim PUA erfolgte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Originalschriftstücke später aus den Akten entfernt wurden. Hierfür liegen dem Ausschuss aber durchgängig keine Indizien vor.

Lediglich im Zusammenhang mit dem „Zusammenfassenden Sonderbericht über die Prüfung bei der Altonaer Jugendarbeit e.V. (AJ a)" vom 13. Juni 1994, hat der Ausschuss nicht nur festgestellt,

· dass das Original dieses Berichts dem PUA nicht vorgelegt wurde, sondern auch,

· dass sich nicht einmal eine Berichtskopie in den im Sommer 1998 dem PUA vorgelegten Akten des Amtes AO befand.

Der Ausschuss hat deshalb eine umfangreiche Beweisaufnahme zu der Frage durchgeführt, ob Frau Senatorin Fischer-Menzel diesen Bericht zu einem sogenannten Nonpaper115 erklärte und angeordnet hat, diesen Bericht nicht zur Akte nehmen zu lassen.

Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Abschnitt „Der Sonderbericht der Betriebswirtschaftlichen Abteilung (Nonpaper)" im Berichtsteil AJa verwiesen.

Vgl. hierzu den Berichtsteil Interessenkollisionen (Abschnitt „Akten der BAGS").

Ein Nonpaper ist eine nicht sanktionierte und daher offiziell nicht zitierfähige Veröffentlichung vor allem im diplomatischen Verkehr. Da es keine Rechtsgültigkeit haben soll, wird es üblicherweise nicht unterschrieben, vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, Schlagwort „Nonpaper" sowie Leserbrief des ehemaligen Senatssprechers Vogel, Hamburger Abendblatt vom 8. April 1999.

Bewertung der Aktenvorlage des Senats:

Der Ausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass die Gestaltung der Aktenvorlage durch die BAGS ­ als vom Senat als federführende Behörde für die Aktenvorlage bestimmte Behörde ­ die Arbeit des Ausschusses nicht unerheblich erschwert hat.

Ein großes Problem im Rahmen der Beweisaufnahme bestand zusätzlich darin, dass eine große Anzahl von Akten nicht ordnungsgemäß geführt worden waren.

Die Vorschriften der BAGS über die Registrierung, Pflege und Führung der Behördenakten dürften zwar ausreichend gewesen sein, im Vollzug stellte der Ausschuss jedoch erhebliche Mängel fest.

Dazu ist Folgendes ergänzend auszuführen:

Für Behörden besteht nach obergerichtlicher Rechtsprechung die Pflicht vollständige und wahrheitsgetreue Akten zu führen. Denn erst und nur durch Aktenführung und -vorhaltung entsteht eine nachprüfbare und nachvollziehbare Grundlage einer Behördenentscheidung. Vollständige Akten sichern zudem die gebotene Transparenz des Verfahrens. Diese Pflicht folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, wonach die Behörde den wesentlichen Geschehensablauf objektiv zu dokumentieren hat. Mit dieser Pflicht korrespondiert, dass nach der Rechtsprechung eine dem äußeren Anschein nach ordnungsgemäß geführte Akte grundsätzlich die (widerlegliche) Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat.

Aus dieser Pflicht folgt umgekehrt das grundsätzliche Verbot der nachträglichen Entfernung und Verfälschung von rechtmäßig erlangten Erkenntnissen und Unterlagen aus den vorhandenen Akten.

Welche Vorgänge in die Akten als wesentlich bzw. bedeutsam aufzunehmen sind, richtet sich nach dem materiellen und formellen Recht des jeweiligen Rechtsgebietes.

Schriftliche Äußerungen von Beginn bis zum Ende eines Verwaltungsverfahrens sind in aller Regel ­ unabhängig von ihrer letztlichen Entscheidungserheblichkeit ­ zu den Akten zu nehmen. Ob über Telefonate, Besprechungen oder sonstiges informelles Handeln schriftliche Vermerke anzufertigen und zur Akte zu nehmen sind, ist im Einzelfall am Grundsatz des fairen, objektiven und wahrheitsgetreuen Verwaltungsverfahrens zu entscheiden. Unklarheiten und Lücken gehen im Zweifel zu Lasten der Behörde.

Die Regelungen zur Aktenführung in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales entsprachen diesen Vorgaben. BVerfG NJW 1983, S. 2135. (Hiervon bleibt natürlich ein spezialgesetzlich eingeräumter Anspruch auf Vernichtung von Akten nach Ablauf bestimmter Fristen unberührt.)

Die Bediensteten der BAGS hatten während des Untersuchungszeitraumes die Verwaltungsvorschriften über die Aktenbildung, ­erschließung, -benutzung und ­vernichtung sowie der Schriftgutablage zu beachten, die in der jeweils gültigen Aktenordnung niedergelegt waren.

Im Folgenden werden die wichtigsten Bestimmungen der Aktenordnung der BAGS vom 1. Mai 1993 dargestellt, die bis zur Einsetzung des Ausschusses im April 1998 unverändert geblieben sind1. Sie galt für alle aktenverwaltenden Dienststellen der BAGS mit Ausnahme der Landesbetriebe Krankenhäuser, pflegen & wohnen, der Winterhuder Werkstätten und dem Amt für Gesundheit (Amt G)1.

Die Aktenordnung ordnete die Verantwortung für die einwandfreie Führung der Akten den Aktenverwalter/innen zu. Diese waren u.a. für die rechtzeitige Vorlage der Vorgänge beim Bearbeiter verantwortlich1. Die Registraturen hatten bei einer Ausleihe (z.B. durch den Sachbearbeiter) den Verbleib der Akten nachzuweisen und sie bei ihrer Rückgabe auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Neben der Hauptregistratur im Amt für Verwaltung werden in der Aktenordnung vier Nebenregistraturen erwähnt (u.a. bei der Stiftungsaufsicht, Untergruppe 105). Eine Nebenregistratur bei der Abteilung für Arbeitsmarktpolitik ist danach nicht vorgesehen. Ablagereifes Schriftgut durfte die sachbearbeitende Dienststelle nicht abheften, ohne die Aktenverwaltung zu benachrichtigen. Die Schriftstücke durften nur aufgrund einer vom zuständigen Sachbearbeiter unterzeichneten Schlussverfügung zu den Akten gelegt werden, wobei die möglichen Schlussverfügungen in der Geschäftsordnung genannt waren. Nach der Geschäftsordnung waren alle Vorgänge mit Bearbeitungsanweisungen (Verfügungen) zu versehen. Sie sollten im Regelfall entweder mit einer Wiedervorlage enden oder aber „zum Vorgang" (Schriftstück wird dem Vorgang nur beigefügt) oder „zur Akte" (ggf. vorher verfügte Fristen entfallen) verfügt werden.

Die Akten sollten ­ so die Vorgabe der Aktenordnung ­ einfach und klar geführt werden. Das Schriftgut musste chronologisch so eingeordnet werden, dass der sachliche Zusammenhang erhalten blieb und der Akteninhalt „wie ein Buch" (Originalzitat Aktenordnung der BAGS) gelesen werden konnte. Vorrangig waren Originale und Durchschriften zur Akte zu verfügen. Handakten sollten gemäß der zuletzt gültigen Aktenordnung grundsätzlich nicht angelegt werden. Sofern sie für die Kenntnis zur Sachbearbeitung notwendig waren, konn120

Sie wurde im Amt für Verwaltung, Referat Allgemeine Verwaltungsangelegenheiten erarbeitet und vom damaligen Leiter des Amtes für Verwaltung, Herrn Wolfgang Müller, unterzeichnet. Sie ist gemäß ihrer Nr. 7.2 zum Bestandteil der Sammlung geschäftsordnender Bestimmungen („Schwarzer Ordner") geworden. Eine Änderung erfolgte erst mit der Aktenordnung vom 1. September 1999. Juni 1997 ersetzt. Diese trifft unter Nr. 2.2 die selben Regelungen.