Nr 5 HmbVwVfG untersagt per se dass auf beiden Seiten eines Verwaltungsverfahrens dieselbe Person tätig wird

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 16.

Betätigungsverbot für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 20 HmbVwVfG und § 16 SGB X

Um eine Kollision der Interessen von privat-rechtlicher Einrichtung einerseits und denen der Behörde andererseits zu vermeiden, ordnet § 20 Abs.1 Nr. 5 HmbVwVfG ein (landesrechtliches) Betätigungsverbot für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Verwaltungsverfahren an. Dessen Wortlaut heißt: „In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden, wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist."

Für Verwaltungstätigkeiten, die nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt werden, enthält § 16 Abs. 1 Nr. 5 SGB X ein im Wortlaut nahezu identisches Betätigungsverbot.

Die Regelung des § 20 Abs.1 Nr. 5 HmbVwVfG untersagt per se, dass auf beiden Seiten eines Verwaltungsverfahrens dieselbe Person tätig wird. Wenn ein Behördenbediensteter eine Position in einer nicht-hoheitlichen Einrichtung (z.B. einem öffentlichen Unternehmen) ausübt, darf er nicht gleichzeitig in einem Verwaltungsverfahren tätig sein, das genau diese Einrichtung betrifft.

Die Vorschrift dient dazu, schon den „bösen Schein" einer möglichen Parteilichkeit zu verhindern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts30 greift das Verbot der Teilnahme an einem Verwaltungsverfahren automatisch dann ein, wenn ein Behördenmitarbeiter gleichzeitig in einem Unternehmen eine bestimmte Position formal ausübt. Auf die Frage, ob der Behördenvertreter im konkreten Einzelfall tatsächlich befangen ist, kommt es bei der Anwendbarkeit von § 20 HmbVwVfG nicht an; vielmehr wird für den Fall einer Doppelfunktion eines Behördenbediensteten seine Befangenheit abstrakt unwiderleglich vermutet.

Wenn also eine Person in einem Unternehmen eine der Positionen bekleidet, die von § 20 Abs.1 Nr. 5 HmbVwVfG erfasst werden, ist sie automatisch und ohne jede weitere Einzelfallprüfung von der Betätigung in jedem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, das das Unternehmen betrifft.

Durch diesen Automatismus unterscheidet sich die Bestimmung des § 20 HmbVwVfG strukturell von den Befangenheitsregeln des § 21 HmbVwVfG und des § 17 SGB X.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist eine Person dann von der Mitwirkung in einem Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, wenn im Einzelfall, d.h. konkret, Gründe vorliegen, die ein Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung rechtfertigen. In diesem Fall hat der Behördenvertreter die Gründe gemäß § 21 HmbVwVfG dem Behördenleiter anzuzeigen und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Die Norm des § 21 HmbVwVfG ist nur in Fällen anwendbar, die nicht bereits von § 20 HmbVwVfG bzw. von § 16 SGB X erfasst werden. Er ist daher gegenüber § 20 HmbVwVfG subsidiär und hat nur den Charakter eines Lückenschließungstatbestandes. Die Besorgnis der Befangenheit muss bei §§ 21 HmbVwVfG, 17 SGB X durch objektiv feststellbare Tatsachen begründet werden. Hierzu gehören z. B. Freundschaft oder wirtschaftliche Interessen, in der Regel jedoch nicht allgemeine Merkmale der Persönlichkeit wie Staatsangehörigkeit, Religions- und Parteizugehörigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Tätigkeitsverbot eines Behördenbediensteten, die im Folgenden näher dargestellt werden, sind:

· Tätigkeit eines Bediensteten in einer privat-rechtlichen Einrichtung (3.3.3.1.)

· Und zwar dort als Mitglied in einem Vorstand, einem Aufsichtsrat oder einem gleichartigen Organ (3.3.3.2.).

Die Rechtsfolge daraus ist das Verbot einer gleichzeitigen Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren für die Behörde (3.3.3.3.). 3.3.3.1. Tätigkeit eines Bediensteten in einer privat-rechtlichen Einrichtung

Die Regelungen in § 20 Abs. 1 Nr.5 HmbVwVfG und in § 16 Abs.1 Nr. 5 SGB X untersagen einem Bediensteten einer Behörde, der zugleich eine Position in einem privatrechtlichen Unternehmen bekleidet, die Mitwirkung an einem das Unternehmen betreffenden Verwaltungsverfahren. Die Regelung im SGB X enthält noch eine Sonderregelung für Beschäftigte bei Betriebskrankenkassen.

Es stellt sich zunächst die Frage, ob diese Tätigkeitsverbote auch dann gelten, wenn der Bedienstete der Behörde seine Position in dem privat-rechtlichen Unternehmen ­ wie in Hamburg üblich ­ in amtlicher Eigenschaft eingenommen hat.

In diesem Zusammenhang könnte daran gedacht werden, den in amtlicher Eigenschaft in das Unternehmen entsandten Behördenbediensteten von dem gesetzlich normierten Verbot, in einem Verwaltungsverfahren bezüglich des Unternehmens tätig zu werden, auszunehmen. In Schleswig-Holstein beispielsweise ist eine derartige Ausnahme ausdrücklich im Landesverwaltungsgesetz (LVwG) vom 1. Januar 1968 vorgesehen. Der entsprechende Gesetzestext (§ 81 Abs.1 Nr. 5 LVwG) lautet dort: „In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden, wer bei einer oder einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihr oder ihm als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für die Person, die diesem Organ in amtlicher Eigenschaft angehört oder deren Anstellungskörperschaft Beteiligte ist".

Zwar war in dem Musterentwurf von 1970 und dem in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drs. 7/910 vom 18. Juli 1973) noch eine entsprechende Regelung vorgesehen ("... angehört"). Der Vorschlag wurde dann aber aufgrund des Beratungsergebnisses des Innenausschusses (Drs. 7/4494 vom 18. Dezember 1975: "Ausnahmen von dem Ausschluss für Personen, die einen Beteiligten in amtlicher Eigenschaft vertreten oder einem seiner Organe in amtlicher Eigenschaft angehören, erschienen nicht vertretbar und wurden daher gestrichen") aus Gründen der Angleichung an die entsprechende Vorschrift in der Abgabenordnung, § 82 AO, geändert.

Ein Teil der rechtswissenschaftlichen Lehre hält dennoch eine einschränkende Auslegung des § 20 Abs.1 Nr. 5 VwVfG für zulässig. Danach dürfte ein Behördenbediensteter an einem Verwaltungsverfahren bezüglich eines Unternehmens, eines Vereins oder einer Stiftung teilnehmen, wenn er einem Gremium dieser Einrichtung nicht privat, sondern in amtlicher Eigenschaft angehöre. Eine solche einschränkende Auslegung wurde jedoch vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich zurückgewiesen, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass es sich hierbei um eine Auslegung des Gesetzes handele, die dem Willen des Gesetzgebers widerspreche.

Das Bundesverwaltungsgericht spricht in seiner o.g. Leitentscheidung auch davon, die Regelung "mag unzweckmäßig sein, der Interessenlage nicht voll gerecht werden, und auch in ihrer praktischen Anwendung schwierig sein", und hält es für möglich, dass "in der Verwaltungspraxis eine unparteiische, nicht an private Interessen gebundene Verwaltung im Falle der Aufsichtsratmitgliedschaft in amtlicher Eigenschaft" im Allgemeinen auch ohne das hier in Rede stehende Betätigungsverbot hinreichend gewährleistet sein kann". Mit dem Hinweis auf den in Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm zu Tage getretenen Willen des Gesetzgebers wird eine wie oben skizzierte einschränkende Auslegung des Gesetzes allerdings ausdrücklich zurückgewiesen.

Eine Ausnahme des Tätigkeitsverbots für Behördenbedienstete ergibt sich auch nicht aus dem letzten Halbsatz des § 20 Abs.1 Nr. 5 HmbVwVfG. Danach gilt das zuvor statuierte Tätigkeitsverbot nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist.

Bei diesem einschränkenden Halbsatz handelt es sich um eine notwendige Ausnahme, mit der verhindert werden soll, dass ganze Behörden ­ und nicht nur einzelne Bedienstete und Funktionsträger ­ von der Aufgabenwahrnehmung gegenüber ihrer Anstellungskörperschaft ausgeschlossen sind. So ist es nach Maßgabe dieser Vorschrift beispielsweise ohne weiteres zulässig, dass ein Landrat dem Landkreis eine Baugenehmigung erteilt. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegend untersuchten Fall würde bedeuten, dass es ebenfalls zulässig wäre, wenn der in amtlicher Eigenschaft in ein Unternehmen entsandte Behördenvertreter diesem Unternehmen Zuwendungen bewilligen würde. Dieser Rückschluss allerdings ist nicht zulässig, denn die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Nr. 5, letzter Halbsatz HmbVwVfG ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung ausdrücklich nicht analog auf den umgekehrten Fall anwendbar, dass ein Amtsträger aufgrund seiner Dienstfunktion zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen Mitglied in einem Leitungsgremium eines Unternehmens ist.