Einordnung des Funktionsmodells. Das Hamburger Funktionsmodell ist bundesweit einmalig

Die für eine Unternehmensbeteiligung zuständige Behörde soll darauf hinwirken, dass die auf Veranlassung der Stadt gewählten oder entsandten Mitglieder der Aufsichtsorgane der Unternehmen bei ihrer Tätigkeit staatliche Interessen berücksichtigen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Entsendung bestimmter Personenkreise besteht jedoch nicht. Es kann aber zweckmäßig sein, den städtischen Einfluss auf die Aufsichtsorgane durch Benennen von Personen bestimmter Ausbildung, fachlicher Berufstätigkeit oder in politischer Verantwortung sicherzustellen.

Einordnung des Funktionsmodells

Das Hamburger "Funktionsmodell" ist bundesweit einmalig. Ohne Parallelen in anderen Verwaltungseinheiten ist der Umstand, dass Beteiligungen von der Finanz- und der Fachbehörde gemeinsam geführt werden.

Im Bereich anderer Bundesländer oder darunter rangierender Gebietskörperschaften finden sich verschiedene Strukturen zur Beteiligungssteuerung von Unternehmen.

Welche Form gewählt wird, ist grundsätzlich abhängig von Faktoren wie Anzahl der zu steuernden Unternehmen, Finanzvolumen, Größe der Verwaltung, Art des öffentlichen Auftrages, Steuerungsinteresse und anderem mehr. In Abhängigkeit von solchen Rahmenbedingungen gewählte Organisationsformen der Beteiligungsverwaltung reichen von der Steuerung im Kollegialorgan bis zur alleinigen Steuerung durch das Finanzressort. Allen Organisationsmodellen gemeinsam ist die starke Professionalisierung der Beteiligungssteuerung. Unterschiedlich ausgeprägt ist die Beteiligung von gewählten Mandatsträgern aus Parlamenten an der Steuerung.

Auf Ebene der Bundesländer und des Bundes sind Mitgliedschaften von Ministern, Staatssekretären oder Ministerialbeamten in Aufsichtsräten von Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, sind die Regel.

Beispiel: In Detmold (75.000 Einwohner) ist ein Verwaltungsvorstand bestehend aus Oberbürgermeister und zwei Beigeordneten gesamtverantwortlich für die Aufsicht von Beteiligungsunternehmen, die in einer Holding zusammengefasst sind.

Beispiel: In Duisburg (540.000 Einwohner) werden die Beteiligungsunternehmen ausschließlich durch die Kämmerei geführt. Fachdezernenten haben keine Steuerungsverantwortung. S. hierzu Anlage 1, Länderumfrage zur Besetzung von Aufsichtsrats- und Vorstandsgremien mit Regierungsvertretern und Regierungsvertreterinnen.

Der Umgang mit den Tätigkeitsverboten

Aufgrund der oben erläuterten gesetzlichen und internen Regelungen und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein von der Behörde in ein Aufsichtsgremium entsandter Mitarbeiter nicht in einem Verwaltungsverfahren tätig werden, in dem das betreffende Unternehmen beteiligt ist. Für einen Beamten (nicht für Senatoren) ist gemäß § 63 HmbBG auch die Tätigkeit im planerischen Bereich verboten, wenn sie ein Unternehmen betreffen kann, in dessen Gremium er entsandt wurde.

In der BAGS kam es dennoch wiederholt zu Verstößen gegen diese Regelungen. Zunächst erfolgt eine chronologische Darstellung des generellen Umgangs der BAGS mit dem Problem der Interessenkollision (4.2.1.); anschließend wird eine Übersicht der wichtigsten Ergebnisse zur Thematik „Interessenkollision" der vom Ausschuss untersuchten Einzelfallkomplexe gegeben (4.2.2.).

Chronologische Darstellung

Für den Bereich der Stiftungsaufsicht hatte der Rechnungshof bereits in seinem Bericht über das Jahr 1970 festgestellt, dass Präsides und leitende Beamte der mit der wirtschaftlichen Stiftungsaufsicht beauftragten Behörden oft selbst Mitglieder der Stiftungsvorstände seien. Daraus folge, dass sie von Bediensteten ihrer eigenen Behörden kontrolliert werden sollen. Der Rechnungshof wies die Senatskanzlei auf die Gefahr der Interessenkollision hin und empfahl allgemein, die Zuständigkeitsregelung zu ändern. Der Senat folgte dem Vorschlag nicht, sondern löste das Problem durch folgende Regelung: „Für die Aufsicht über die Stiftungen, in denen leitende Beamte als Vorstandsmitglieder tätig sind, wird eine Lösung in der Weise herbeigeführt, dass die mit der Kontrollaufgabe beauftragten Bediensteten aus dem Nachordnungsverhältnis zu den von ihnen zu beaufsichtigenden Beamten herausgenommen werden".

Ob und wie die BAGS bereits damals mit dieser Angelegenheit befasst wurde, ergibt sich aus den vorgelegten Akten nicht. Eine Befassung mit dem Thema ist erst ab 1992 dokumentiert. Danach beschäftigte sich die Leiterin der Rechtsabteilung der BAGS (V 6), Frau Dr. Krüger, nämlich erst wieder im Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit von BAGS-Beamten in Krankenhäusern in einem Vermerk vom 2. Juni 1992 mit § 20 HmbVwVfG. Sie erläuterte, dass diese Vorschrift nach herrschender Meinung im Interesse der Sauberkeit der Verwaltung ein absolutes Handlungsverbot statuiere: „Obwohl es (...) im dienstlichen Interesse liegen dürfte, die Sach- und Fachkompetenz von Hamburger Beamten auch im Bereich von Gremien wie z.B. Vorständen der frei und gemeinnützigen Krankenhäusern nutzbar zu machen, so bedeuten die oben dargelegten Regelungen gleichwohl unmissverständlich ein absolutes Handlungsverbot des betreffenden Mitarbeiters für alle dienstlichen Handlungen (nicht nur Amtshandlungen!), die in irgendeiner Form mit der im Nebenamt ausgeübten Funktion zu tun haben." Des Weiteren führte sie aus, dass Beamte, die Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrates sind, gemäß § 20 Abs. 1, Nr. 5 VwVfG für die Behörde nicht tätig werden dürften. Sie wies darüber hinaus auf § 63 HmbBG hin, wonach ein Mitwirkungsverbot auch dann vorliege, wenn es lediglich um Planungen gehe. An wen dieser Vermerk gerichtet war, lässt sich aus der Akte nicht entnehmen.

Herr Heinz Lohmann (Leiter der bei der Behördenleitung angesiedelten Stabsabteilung für integrierte Sozial- und Gesundheitsplanung ­ Leitzeichen P ­) teilte Frau Dr. Krüger (Rechtsabteilung) mit Schreiben vom 16. Juni 1992 ergänzend mit, dass bis zum Abschluss der Rechtsprüfung mit den betroffenen Mitarbeitern, Herrn Gerlach, Herrn Demgenski, Frau Huster und Frau Esser, vereinbart worden sei, ihre Funktionen in den genannten Gremien ruhen zu lassen.

Auf dem vorgenannten Schreiben vom 16. Juni 1992 verfasste Herr Lohmann ­ nachdem er den Vermerk von Frau Dr. Krüger erhalten hatte ­ unter dem 9. Juli 1992 einen an Senator Runde (S) und Staatsrat Dr. Lippert (SV-G) gerichteten Vermerk, in dem er auf die dringende Diskussionsbedürftigkeit dieser Angelegenheit verwies. Nach seiner Einschätzung bedeute der Vermerk von Frau Dr. Krüger (V 6), „dass die heutige Praxis in der hamburgischen (auch außerhamburgischen) Verwaltung so nicht weitergeführt werden" könne. Größere Probleme als in der Abteilung P dürfte es in den Ämtern SR und G geben." Herr Dr. Lippert (SV-G) nahm diesen Vermerk am 10. Juli 1992 zur Kenntnis. Auf dem nur in Kopie vorliegenden Dokument hat Senator Runde (S) nicht abgezeichnet.

In seinem Bericht vom 29. Juni 199294 machte der Rechnungshof abermals auf das Problem aufmerksam. Der Rechnungshof wies unter Textziffer 14 ausdrücklich darauf hin, dass der Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik (AO 2) des Amtes für Arbeit und Sozialordnung dem Vorstand des Vereins Zentrum zur beruflichen Qualifizierung und Beratung e.V. (ZEBRA) in der Funktion des Vorsitzenden angehöre. Neben ihm sei eine weitere leitende Mitarbeiterin von AO 2 ebenfalls im Vorstand des Vereins tätig.

Der Rechnungshof sah hierin die Gefahr einer unzulässigen Interessenkollision. Um diese zu vermeiden, forderte er eine Regelung, welche sicherstellt, „...dass der Abteilungsleiter und die leitende Mitarbeiterin am Zuwendungsverfahren weder direkt beteiligt sind noch mit Weisungen oder weisungsähnlichen Handlungen auf die Bearbeitung der Zuwendungsanträge Einfluss nehmen".

In seiner Vernehmung vor dem Ausschuss am 5. Februar 1999 hat Herr Meyer (AO 2) ausgesagt, dass er neben der Funktion als Vorstandsvorsitzender bei ZEBRA mindestens fünf weitere leitende Funktionen in Unternehmen, Stiftungen und Vereinen innehatte.