Verstöße gegen haushaltsrechtliche Prinzipien und Bestimmungen nicht akzeptabel

Ob zu dieser Problematik ein Gespräch zwischen Herrn Müller (V, BfH) und Herrn Meyer (AO 2) stattgefunden hat konnte durch die Zeugenbefragung nicht eindeutig geklärt werden. Fest steht aber, dass Herr Müller die hier fraglichen 13 Änderungsbescheide alle am 14. Juni 1993 mitgezeichnet hat.

Die Umstände, warum Herr Müller diese Zuwendungsbescheide mitgezeichnet hat, konnten ebenfalls nicht abschließend aufgeklärt werden. Die Aussage von Herrn Müller hierzu, dass er nicht erwogen habe, die Mitzeichnung der Bescheide zu verweigern oder in seiner Eigenschaft als BfH der Vergabe dieser Zuwendungen zu widersprechen1, ist angesichts der von ihm selbst festgestellten erheblichen Verstöße gegen haushaltsrechtliche Prinzipien und Bestimmungen nicht akzeptabel. So verstößt das „Durchschieben" von Mitteln zwischen einzelnen Projekten über mehrere Haushaltsjahre einmal gegen das Jährlichkeitsprinzip des Haushalts und stellt eine Budgetverletzung dar. Der Wechsel zwischen einzelnen Maßnahmen hätte zudem zuwendungsrechtlich beanstandet werden müssen, wenn die jeweils zugewendeten Mittel nicht gegenseitig deckungsfähig waren, die BAGS über den veränderten Mitteleinsatz nicht oder erst nachträglich informiert worden wäre oder dabei unverbrauchte Mittel von der AJa nicht erstattet worden sind.

Hierin und in der Liquiditätssicherung hat Herr Müller mit seinem Vermerk vom 1. Juni 1993 eindeutig einen Verstoß gegen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit gesehen. Die Häufung dieser Verletzungen des Zuwendungsrechts aber vor allem das budgetrechtlich unzulässige „Durchschieben" von Mitteln hätte Herr Müller als BfH nicht zulassen dürfen. Ob er zur Klärung den Weg eines formalen Widerspruchs nach VV Nr. 2.2 zu § 9 LHO hätte beschreiten müssen, oder zumindest die Behördenleitung über diese Vorkommnisse informieren müssen, kann dahinstehen. Denn Herr Müller hat ausgesagt, auch die Behördenleitung nicht informiert zu haben, sondern davon ausgegangen zusein, dass diese aufgrund seiner Intervention durch die Abteilung (gemeint ist wohl AO

2) informiert worden sei.

Damit hat Herr Müller als BfH nicht entschieden genug eingegriffen, um gegen die festgestellten Verstöße nachhaltig vorzugehen. Da er nicht einmal die Behördenleitung informiert hat, sieht der Untersuchungsausschuss die dem BfH nach § 9 LHO und den VV Nr. 5.1 und 5.2.1 zu § 9 LHO obliegenden Pflichten als durch Herrn Müller verletzt an. Dieser Pflichtenverstoß lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass nach der Aussage von Herrn Müller die Staatsrätin Frau Dr. Simon eher die Seite des Fachamtes AO einnahm und er insoweit den Eindruck hatte, mit seinem Anliegen wäre er bei ihr gegen eine „Mauer" gelaufen 13.

Den Eindruck, bei der Staatsrätin gegen eine Mauer gelaufen zu sein, begründete Herr Müller damit, dass er als BfH im Fall der AJa eine Reihe von Ungereimtheiten festgestellt und schriftlich festgehalten habe, ohne dass eine Reaktion erfolgt sei. Er habe dadurch das Gefühl gehabt, der Fall AJa sei nicht mehr seine Sache. Hierfür seien keine persönlichen, sondern eher fachliche Gründe maßgeblich gewesen. Es sei Aufgabe des Fachamtes gewesen, Arbeitsmarktpolitik zu machen, und „dann kann es durchaus sein, dass so ein Beauftragter für den Haushalt, wenn er mit mahnender Stimme kommt, schon einmal ungehört bleibt"13.

Diese Ausführungen haben den Ausschuss nicht überzeugen können. Zum einen steht dem gegenüber, dass Herr Müller sich nicht unmittelbar an den Senator, Herrn Runde, gewendet hat. Auch hat der Zeuge auf Nachfragen selbst eingeräumt, zwar Kritik angemerkt zu haben, aber „anscheinend nichts" getan zu haben, um die Sache weiter zu verfolgen. Herr Müller ist Jurist. Er war vor Beginn seiner Tätigkeit als Leiter des Amtes V und BfH in der BAGS Leiter der Haushaltsabteilung der Finanzbehörde. Damit ist er ein ausgewiesener Kenner der haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Für den Ausschuss steht fest, dass Herr Müller - zumal als langjähriger Beamter - seine Möglichkeiten als BfH nicht falsch eingeschätzt hat. Er hat vielmehr bewusst darauf verzichtet, sich eindeutig und nachhaltig im Fall AJa bei der Behördenleitung für die Belange des Haushaltsrechts einzusetzen und erforderlichen Falls auch von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, einer Maßnahme zu widersprechen und so eine Entscheidung der Behördenleitung herbeizuführen. Hierfür spricht sein gesamtes Vorgehen, u.a. auch, dass er den Vermerk vom 1. Juni 1993 nur an Herrn Meyer adressierte und mit „Vertraulich" kennzeichnete. An einer Beteiligung der Amtsleitung AO oder der Behördenleitung war ihm offenbar nicht gelegen. Dabei hätte es nahe gelegen, seine Erkenntnisse auch dem damaligen Sozialsenator Runde zugänglich zu machen. So hatten Herr Müller und Frau Dr. Krüger (V 6) Herrn Runde in ihrem gemeinsamen Vermerk zu den Vorwürfen gegen Herrn Pape und die AJa vom 7. April 1993 auch darüber informiert, dass Herr Müller gerade eben diese Frage des Rückflusses nicht antragsgerecht verwendeter Mittel und deren späterer Verrechnung mit Neubewilligungen prüfe.

Zusammenfassende Bewertung der Kontrolle durch die Haushaltsabteilung (V 4) und den Beauftragten für den Haushalt (BfH)

Beide Beispiele der Mitzeichnung durch die Haushaltsabteilung und den BfH belegen, dass diese ihre haushaltsrechtlichen Aufgaben nach § 9 LHO und den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften nicht ausreichend wahrgenommen haben. Die Intervention bei der Institutionellen Förderung 1989 belegt, dass im Rahmen der Mitzeichnung das Amt AO zu Verbesserungen und Änderungen im jeweiligen Einzelfall bewegt werden konnte und die Versagung der Mitzeichnung ein probates Mittel der Einflussnahme war. Gleichwohl hat Herr Müller als BfH in keiner geeigneten Weise versucht, die Behördenleitung unmittelbar mit den festgestellten Mängeln zu konfrontieren und zu einer Entscheidung zu zwingen. Vor diesem Hintergrund bleibt das Verhalten von Herrn Müller im Juni 1993 wenig nachvollziehbar. Sein Vermerk vom 1. Juni 1993 zeigt, dass er gravierende haushaltsrechtliche Beanstandungen hatte, wie insbesondere die Verletzung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, welches durch das „Durchschieben" von Mitteln über unterschiedlichen Maßnahmen, die verspäte Vorlage von Verwendungsnachweisen und die mangelnde Transparenz der Bewilligung gegeben war. Wahlperiode 1508

Zwar handelte es sich bei dem endgültigen Bewilligungsbescheid für 1989 und bei den Änderungsbescheiden um die Bewilligung von Maßnahmen und Ausgaben, die in der Vergangenheit lagen. Wegen der oben dargestellten Problematik, wonach das Amt AO vorläufige Bescheide nicht zur Mitzeichnung vorlegte, kommt der Mitzeichnung gerade dieser Bescheide durch die Haushaltsabteilung und Herrn Müller als BfH so besondere Bedeutung zu. Nur an dieser Stelle hatten sie Gelegenheit, ihre nach dem Haushaltsrecht vorgesehenen Kontrollbefugnisse auszuüben. Mit der Erteilung der Bescheide wurde aber die vorgenommene geänderte Mittelverwendung durch die AJa, an deren Stelle auch eine Rückforderung des Amtes AO hätte stehen können, gebilligt. Damit wurde diese nachträgliche Entscheidung über Maßnahmen im Ergebnis haushaltswirksam, ohne dass Herr Müller als BfH von seinen Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch gemacht hätte und ohne dass die Behördenleitung hiervon Kenntnis erlangt hat.

Im Ergebnis haben damit die Haushaltsabteilung, vor allem aber Herr Müller in seiner Funktion als BfH, die wesentlichen Schwachpunkte bei der Zuwendungsvergabe durch das Amt AO gekannt, im Rahmen der Mitzeichnung der Zuwendungsbescheide aber pflichtwidrig keine Maßnahmen, wie z. B. die des Widerspruchs nach VV Nr. 2.2 zu § 9 LHO, ergriffen, um dem Haushaltsrecht Geltung zu verschaffen.

Kontrolle der Vergabe und der Verwendung der Zuwendungen

In den VV Nr. 7 zu § 44 LHO ff. ist u.a. geregelt, wie die bewilligende Dienststelle die Auszahlung der Zuwendung vorzunehmen hat, ob und wie mit der Unwirksamkeit von Bescheiden oder der Rücknahme und dem Widerruf von Zuwendungsbescheiden umzugehen ist und in welcher Weise die Verwendung der Zuwendung zu kontrollieren ist.

Die Überwachung der Verwendung durch Führung einer Übersicht über die Ausgaben für jedes Haushaltsjahr ist dort geregelt, ebenso die Verwendungsnachweisprüfung.

Die Prüfung hat ergeben, dass ­ unabhängig von dem Fehlverhalten der AJa (z.B. Mittel nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrem Eingang zu verwenden und anderenfalls das Fachamt AO davon zu unterrichten) ­ die Übersicht über den Mittelabfluss beim Zuwendungssachgebiet AO 215 verloren gegangen ist. Eine Liquiditätsplanung fand nicht statt. Von der Möglichkeit, Zuwendungsbescheide zurückzunehmen und nicht zweckentsprechend verbrauchte Mittel von der AJa zurückzufordern, hat das Amt AO entgegen der Bestimmungen der VV zu § 44 LHO und der ZuwendungsDV ebenfalls zu spät Gebrauch gemacht und statt dessen Abweichungen in der Mittelverwendung durch die AJa ganz überwiegend durch nachträgliche Änderungsbescheide sanktioniert. Auch diese Praxis erweist sich als unzulässig. Schließlich sind auch in der Verwendungsnachweiskontrolle Mängel aufgetreten.

Die Überwachung der Zahlungsvorgänge durch das Fachamt AO VV Nr. 7.2 zu § 44 LHO bestimmt, dass Zuwendungen nur insoweit und nicht eher ausgezahlt werden, als sie voraussichtlich innerhalb von zwei Monaten nach Auszahlung für fällige Zahlungen im Rahmen des Zuwendungszwecks benötigt werden. Bei Projektförderung längerfristiger Vorhaben sollen nur Teilbeträge ausgezahlt und die Auszahlung in der Regel davon abhängig gemacht werden, dass die Verwendung der bereits gezahlten Teilbeträge in summarischer Form nachgewiesen werden (VV Nr. 7.3 zu § 44 LHO).

Diese Regelung ist vom Fachamt AO nicht hinreichend beachtet worden.