Zusätzlich wurde eine äußerst nachlässige Führung von Akten nachgewiesen

1863

II. Minderheitsbericht der Gruppe REGENBOGEN ­ für eine neue Linke

Zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Vergabe und Kontrolle von Aufträgen und Zuwendungen durch die Freie und Hansestadt Hamburg"

Der Parlamentarisch Untersuchungsausschuss hat in einer langen, intensiven Arbeit zahlreiche Verstöße gegen bestehende Rechtsnormen festgestellt.

Zusätzlich wurde eine äußerst nachlässige Führung von Akten nachgewiesen. Gerade die schlechte Aktenführung macht für viele Bereiche eine ordentliche Kontrolle von Vorgängen nicht möglich. So ist davon auszugehen, dass viele weitere Verstöße aufgrund fehlender und unstrukturierter Aktenlage nicht nachvollziehbar und nachweisbar ist. Aber ebenso können viele Vorgänge innerhalb der Behörde nicht nachvollzogen werden. Die politische Steuerung ohne schriftliche Unterlagen, die innerhalb der BAGS praktiziert wurde, erlaubt keinen Überblick über zentrale Entscheidungen in der Behörde.

Trotz aller Intransparenz konnte der Ausschuss feststellen, dass der Einfluss der SPD so kräftig war, dass es zu Teilaufteilungen im Bereich der Behörde kam: Die HAB und die Leitung der BAGS lag in der Verfügungsgewalt der SPD-Nord, die AJA gehörte in den Einflussbereich der SPD-Altona und die SPD-Mitte profitierte z. B. über die Mittelzuweisung an die Bezirke bezüglich der Hotelunterbringung.

Dramatisch begrenzt war die Kontrolle der Mittelzuwendung an die Bezirke. So wurde im Rahmen der Hotelunterbringung jährlich durchschnittlich über 60 Millionen DM an die Bezirke gegeben, aber diese Mittelverwendung nicht kontrolliert. Das führte auf der einen Seite zu einer katastrophalen Situation in den Hotel. Hier ist das Hotel Interrast (ehemaliges Bordell) bekannt gewordener Höhepunkt einer menschenunwürdigen Unterbringung zu horrenden Preisen für die Stadt. Diese Verschwendung bliebt und bleibt unkontrolliert zwischen der Auftraggeberin BAGS und der Durchführung vom Bezirksamt Mitte.

Besonders eklatant sind die Vorfälle um die Hamburger Arbeit (HAB), die im Bericht leider unvollständig, fehlerhaft und auch falsch dargestellt wurden.

1. Rücklagenbildung

Die Rücklagenbildung verstieß während des Untersuchungszeitraums von 1991 ­ 1995 gegen das Zuwendungsrecht (generelles Verbot) und anlässlich der Fehlbedarfsfinanzierung der HAB gegen das Haushaltsrecht, das nur die Auszahlung von Zuwendungen erlaubt, die direkt liquiditätswirksam werden. Die Bildung von Rücklagen erlaubt das Zuwendungsrecht erst seit dem 1.1.1997. Soweit die Rücklagen aus Zuwendungen gebildet werden, verbleiben sie bis zur Einlösung ihres Zwecks bei der Zuwendungsgeberin. Die Rücklage muss auch nach neuem Zuwendungsrecht zweckgebunden sein und bei Auflösung diesem Zwecke entsprechend umgesetzt werden. Es ist daher auch nach aktuellem Zuwendungsrecht auszuschließen, dass eine Rücklage 1864 nach Auszahlungsforderung bei der Behörde nicht dem rückgestellten Zweck zugeführt wird, sondern frei als Eigenkapital dient.

Die Geschäftsführung der HAB hat sich ebenso wie der Aufsichtsrat, der unter Vorsitz von Senator Runde im September 1991 die Absicht der Rücklagenbildung bekräftigte, um Eigenkapital zu bilden, über das zuwendungsrechtliche Verbot hinweggesetzt. Eingeholte negative Stellungsnahmen der Finanzbehörde von Januar 1994 über das verbot der Rückstellung unverbrauchter AFA, aus denen die Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet wurde, bleiben unbeachtet. Eine Erlaubnis der BAGS für das Verfahren zur Eigenkapitalbildung lag ebenfalls nicht vor. Diese wurde erst im Dezember 1996 im Zusammenhang mit der Erteilung eines Sammelbescheides entgegen der Bestimmungen des geltenden Zuwendungsrechts vom Amtsleiter Herrn Riez persönlich erteilt.

Die Rücklage für Ersatzbeschaffung, die als Eigenkapital gebildet wurde, stammt aus öffentlichen Zuwendungsmitteln der BAGS, die seit 1992 die jährlichen Abschreibungen als Kosten erstattete. Die Erstattung der Kosten für Abschreibungen wurden in einen Sonderfond für Investitionsbeschaffung gestellt. Dieser wurde jedoch nur zum Teil zur Wiederbeschaffung für Investitionsgüter verwandt, da er teilweise in die Rücklage zur Ersatzbeschaffung aufgelöst wurde, aus der Eigenkapital gebildet wurde.

Dieses Verfahren implizierte logisch und faktisch, dass die HAB im Rahmen der Fehlbedarfsfinanzierung eine Überschussfinanzierung erhielt, wodurch sie aber den konkreten Bedarf zur Aufrechterhaltung ihres Betriebsablaufs hinaus Mittel für eine Rücklagenbildung ansparen konnte, die aus Zuwendungen finanziert wurde.

Voraussetzung zur Eigenkapitalbildung war die Bewilligung des handelsrechtlichen Zuwendungsbedarfs, da dieser oberhalb der am Liquiditätsbedarf orientierten Fehlbedarfsfinanzierung lag und somit eine Überschussfinanzierung ermöglichte. Die Eigenkapitalbildung erfolgte über die Erstattung von Kosten (Abschreibungen), auch wenn sie nicht zu Ausgaben führten. Die Kosten wurden hoch angesetzt (Abschreibungen auf bereites von der BAGS finanzierte Eigenleistungen wie Löhne). Entgegen der Behauptung der HAB und späterer Entscheidungen der Behörde im Dezember 1996 gab es weder eine handelsrechtliche Notwendigkeit der HAB zur Rücklagenbildung noch für die BAGS eine Verpflichtung, den handelsrechtlichen Fehlbedarf auszugleichen. Dies haben dem PUA vorliegende Gutachten sowie die Sachverständigenanhörung 1999 (Fasselt, Mette & Partner, KPMG) ergeben.

Das vom PUA bestellte Gutachten der Wirtschaftsprüfer Fasselt, Mette & Partner aus Düsseldorf vom 12.11.99 betont, dass Rücklagen nur für einen bestimmten Zeitraum zweckgebunden vorgenommen werden dürfen. „Fraglich ist überdies der bilanzielle Charakter der Rücklage. Ausweislich der Bilanzen handelt es sich nicht um eine Kapitalrücklage. Demnach müsste die Rücklage für Ersatzbeschaffung eine andere Gewinnrücklage... sein.. die die HAB indessen nicht erzielt hat." (Gutachten vom 12.11.99, S. 7). Es wird der HAB die Möglichkeit eröffnet, dass die Kapitalrücklage „(irrtümlich) als Investitionszuschuss deklariert wurde. Dies ist jedoch nach der Beschlussfassung des Aufsichtsrates vom September 1991 auszuschließen. Die Gutachter stellen zudem fest: „Die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist überdies nicht durch die Zuwendungsvorschriften gedeckt, sondern entspricht allenfalls dem politischen Willen, die Eigenkapitalbasis der Gesellschaft zu stärken. „(ebda).

Dieser politische Wille hätte durch den Senat, ja sogar die Bürgerschaft abgesegnet werden müssen.

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Festzuhalten bleibt, dass die HAB im rahmen der Fehlbedarfsfinanzierung Mittel für Investitionsbeschaffung beantragte und erhielt, diese aber sukzessive in eine Gewinnrücklage umbuchte und damit zweckentfremdete. Hätte die HAB die Mittel für den intendierten Zweck Eigenkapitalbildung beantragt, hätte sie diese Mittel nicht erhalten, da dies gegen das Zuwendungsrecht verstieß.

Da dieses Verfahren absichtlich zum Zwecke der Eigenkapitalbildung gewählt wurde, d.h. die Zuwendung bereits auf der Basis des handelsrechtlichen Zuschussbedarfs verglichen mit der vorgeschriebenen Fehlbedarfsfinanzierung als Überschussfinanzierung beantragt wurde, um sie teilweise dem Verwendungszweck Eigenkapitalbildung zuzufügen statt der beantragten Investitionsbeschaffung, liegt der Schluss nahe, dass bei der HAB seit 1990 ein Subventionsbetrug vorliegt. Auf der Grundlage des Aufsichtsratsbeschlusses von 1991 muss hierbei von Vorsätzlichkeit ausgegangen werden.

Die Tatsache, dass die Rücklage für Ersatzbeschaffung beständig wuchs, belegt zudem, dass gemessen an der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung der HAB eine Ersatzbeschaffung zw. Erneuerung verbrauchter Anlagegüter offensichtlich nicht notwendig war, es sich also in den fraglichen Jahren nicht um eine Fehlbedarfsfinanzierung gehandelt haben kann, sondern um eine Überschussfinanzierung, die zur Eigenkapitalbildung führte.

Die vorherigen und jetzige Nichtverwendung der ehemaligen Rücklage für Ersatzbeschaffung für den eingeworbenen Zweck ist der Beleg dafür, dass ihre Bildung aus Zuwendung niemals notwendig war, um das Unternehmen in seiner damaligen Struktur funktionsfähig zu erhalten, damit es seiner Zielausrichtung nachkommen kann. Dies ist auch ein Beleg dafür, dass die Einwerbung der betreffenden Mittel und deren Ansammlung als Eigenkapital nicht den Zweck verfolgt hat, das Unternehmen in der hergebrachten Form überlebensfähig zu halten, wie stets die Begründung der HAB lautete. Heute erlaubt sie der HAB die Möglichkeit zur betrieblichen Umsteuerung. Produktionsbereiche werden abgebaut zugunsten einer Verlagerung des Betriebes auf den Bereich Vermittlung und Agenturausbau.

Der von der HAB bilanzielle gewählte Weg zur Eigenkapitalbildung verstößt zudem gegen das Bilanzrecht.

Die HAB berief sich seit 1990 bei diesem Verfahren fälschlicherweise auf eine Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer (HFA 1/1984) zu Bilanzierungsfragen bei Zuwendungen. Das IDW empfahl bei Gewährung von Investitionszuschüssen durch Zuwendungen die Bildung eines „Sonderpostens für Investitionszuschüsse „in der Bilanz. Nicht vorgesehen war jedoch die erfolgsneutrale Umbuchung von Mitteln aus dem Sonderposten in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung, wie die HAB behauptete und vornahm, sondern eine erfolgswirksame Umbuchung, die Berücksichtung in der jährlichen Gewinn- und Verlustrechnung findet. Eine so korrekt vorgenommene Bilanzierung der Rücklage hätte jedoch bedeutet, dass der Überschuss aus der Rücklage gegen die Zuwendungen gerechnet worden wäre, was im Rahmen der Fehlbedarfsfinanzierung erfolgen muss, da nur tatsächlich verausgabte Gelder zweckgemäß zugewendet werden dürfen. Dieses sollte vermieden werden, da die HAB laut Vorstandsbeschluss vom 12.9.91 explizit Eigenkapital aus Zuwendung bilden wollte.

Die vom PUA geladenen Sachverständigen betonen die Unrichtigkeit des gewählten Verfahrens. „Die Auflösung des Sonderpostens ist bei der HAB entgegen der IDWStellungnahme nicht erfolgswirksam über die GuV vorgenommen worden. Bei erfolgswirksamer Auflösung des Sonderpostens wären Erträge entstanden, die zu einer Verminderung der institutionellen Zuschüsse geführt hätten... (Gutachten Fasselt, Mette & Partner, S. 6).