JVA

Abschiebungen und amtsärztliche Tätigkeit im UG Holstenglacis

Nach uns vorliegenden Informationen ist der Oberarzt und stellvertretende Chefarzt in der forensischen Psychiatrie im Klinikum Nord (AK Ochsenzoll), Herr Dr. Pinski, in mehreren Fällen auch als Amtsarzt im Zusammenhang mit Abschiebehäftlingen tätig gewesen.

Hierzu frage ich den Senat.

Nach § 8 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FreihEntzG) in Verbindung mit §171 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) gelten für den Vollzug von Abschiebungshaft, der im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten durchgeführt wird, die Vorschriften über Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft entsprechend. Hiernach hat die Justizbehörde eine angemessene Gesundheitsfürsorge sicherzustellen (§ 56 ff. StVollzG). Im Rahmen dieses gesetzlichen Auftrages führen die Ärzte der Justizbehörde ärztliche Untersuchungen aller Art durch, die im Einzelfall ­ auf Veranlassung der Behörde für Inneres ­ auch der Vorbereitung einer Entscheidung über eine dort beabsichtigte Abschiebung dienen können, wenn der Gesundheitszustand des abzuschiebenden Inhaftierten Zweifel an der Reisefähigkeit begründet. Die Ärzte der Justizbehörde werden im Zusammenhang mit der Feststellung der Reisefähigkeit von Abschiebungshaftgefangenen ausschließlich im Wege der Amtshilfe, also nicht aus eigener Veranlassung und nicht in der Funktion von Amtsärzten tätig. Aus diesem Grund bestellt die Justizbehörde auch keine externen Ärzte zu Amtsärzten mit dem Ziel, sie mit Untersuchungen über die Reisefähigkeit von Abschiebungshaftgefangenen zu beauftragen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. a) In welchem Verfahren und auf welche Weise werden Ärzt/innen und Amtsärzt/innen bestellt bzw. als solche eingestellt?

b) Bei welcher(n) Behörde(n)/Dienststelle(n) sind Amtsärzt/innen angestellt und in welchem Arbeitsverhältnis (Festeinstellung, Honorarbeschäftigung)?

Die Funktion einer Amtsärztin bzw. eines Amtsarztes wird von Ärztinnen und Ärzten der Gesundheits- und Umweltämter der Bezirksämter wahrgenommen, deren Tätigkeit insbesondere die Ausübung hoheitlicher Befugnisse umfaßt und deshalb in der Regel auf der Grundlage eines Beamtenverhältnisses erfolgt. Eine besondere „Bestellung" zur Amtsärztin bzw. zum Amtsarzt erfolgt nicht.

1. c) Welche Behörde/Dienststelle ist gegenüber Amtsärzt/innen weisungsberechtigt?

Weisungsberechtigt im Hinblick auf die Einhaltung der dienstrechtlichen Pflichten sind die jeweiligen Vorgesetzten der Amtsärztinnen und Amtsärzte in den Bezirken.

1. d) In welchem konkreten Verfahren bzw. auf welche Weise werden Amtsärzt/innen von der Ausländerbehörde angefordert bzw. mit Untersuchungen beauftragt?

Für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses aufgrund eines ärztlichen Attestes bittet die Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamtes in Zweifelsfällen den amtsärztlichen Dienst der bezirklichen Gesundheitsämter grundsätzlich schriftlich um Begutachtung und Stellungnahme.

2. a) Trifft es zu, dass Herr Dr. Pinski als Amtsarzt in der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis tätig ist?

b) Wenn ja, bei welcher Behörde/Dienststelle ist er in dieser Eigenschaft angestellt bzw. von welcher Behörde/Dienststelle ist er bestellt worden?

Herr Dr. P. ist für die Justizbehörde in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg auf der Grundlage eines sogenannten Honorarvertrages stundenweise für die psychiatrische Betreuung der in der Untersuchungshaftanstalt untergebrachten Untersuchungs- und Strafgefangenen zuständig. Im übrigen siehe Vorbemerkung.

3. a) Trifft es zu, dass Herr Dr. Pinski von der Ausländerbehörde mit Untersuchungen von Abschiebehäftlingen im UG Holstenglacis beauftragt worden ist?

Nein.

3. b) Ist er dabei als Amtsarzt tätig gewesen? Wenn nein, in welcher Eigenschaft sonst?

c) In wie vielen Fällen ist Herr Dr. Pinski in den letzten zwei Jahren von der Ausländerbehörde mit der Untersuchung von Abschiebehäftlingen im UG Holstenglacis beauftragt worden?

d) In wie vielen Fällen ging es dabei um die Reisefähigkeit von Abschiebehäftlingen?

4. a) Gab und gibt es seitens der Ausländerbehörde die Möglichkeit, alternativ zu Herrn Dr. Pinski andere Ärzt/innen mit der Untersuchung von Abschiebehäftlingen im UG Holstenglacis zu betrauen?

b) Wenn ja, wie oft wurde in den letzten zwei Jahren auf andere Ärzt/innen zurückgegriffen?

c) Wenn nein, warum nicht?

Entfällt.

5. a) In wieviel Fällen sind in den letzten zwei Jahren Abschiebehäftlinge aus der Abschiebehaftanstalt Glasmoor an Dr.Pinski überwiesen worden, die dann im UG Holstenglacis untersucht worden sind?

Der Anstaltsarzt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor, der auch für die ärztlicheVersorgung der dort untergebrachten Abschiebungshaftgefangenen zuständig ist, hat Herrn Dr. P. in den vergangenen zwei Jahren in folgendem Umfang Abschiebungshaftgefangene zum Zwecke der konsiliarischen Untersuchung in der Untersuchungshaftanstalt vorgestellt.

5. b) In wie vielen Fällen sind in den letzten zwei Jahren Abschiebehäftlinge aus der Abschiebehaftanstalt Glasmoor an Dr.Pinski überwiesen und dann im Klinikum Nord untersucht worden?

In keinem Fall.

5. c) In wie vielen Fällen wurden die betroffenen Menschen dabei während des Transports mit Handschellen gefesselt?

Überstellungen von Gefangenen der JVA Glasmoor in die Untersuchungshaftanstalt werden in den dafür vorgesehenen Gefangenentransportfahrzeugen durchgeführt, in denen die Gefangenen grundsätzlich nicht gefesselt werden. DieVoraussetzungen für die Anordnung von Fesselungen im Ausnahmefall ergeben sich aus § 88 Strafvollzugsgesetz. Die auf dieser Rechtsgrundlage angeordneten Fesselungen eines Abschiebungshaftgefangenen während des Transports werden statistisch nicht erfaßt.

6. a) Gibt es einzelfallunabhängige, allgemeine Untersuchungen, die bei der Überprüfung der Reisefähigkeit angestellt werden? Wenn ja: Um welche handelt es sich?

Abschiebungshäftlinge werden wie Straf- und Untersuchungsgefangene im Zuge ihrer Aufnahme in die Haft ärztlich untersucht. Sofern hierbei medizinische Auffälligkeiten festgestellt werden, erfolgen anlaßbezogen zusätzliche Untersuchungen. Die Gesamtbefunde ermöglichen Feststellungen zur Reisefähigkeit.

6. c) Wird bei der Verabreichung von Medikamenten im Zusammenhang mit Abschiebungen die Medikation mit den Gefangenen besprochen?

d) Wissen die Gefangenen, wie und ob sie die Medikamente nach der Abschiebung weiter nehmen sollen? Erhalten die Gefangenen die Beipackzettel übersetzt zur Information?

Wie jeder Patient werden auch Abschiebungsgefangene über den Grund, die Modalitäten und die vorgeschlagene Dauer einer geplanten Medikation umfassend unterrichtet. Eine Übersetzung der Beipackzettel, die üblicherweise nur in deutscher Sprache zur Verfügung stehen, erfolgt nicht.

6. e) Wird durch Blutuntersuchungen usw. festgestellt, ob die Mittel für die Patienten verträglich sind?

Ja, soweit erforderlich. Die Erforderlichkeit orientiert sich an den in den jeweiligen Beipackzetteln aufgelisteten Nebenwirkungen und ggf. zu befürchtenden Unverträglichkeiten, z. B. mögliche Auswirkungen des Medikaments auf das Blutbild.

6. c) Welche Medikamente werden im Zusammenhang mit Abschiebungen im allgemeinen verabreicht?

Die etwaige Gabe von Arzneimitteln im unmittelbaren Zusammenhang mit Abschiebungen bedarf stets einer entsprechenden medizinischen Indikation. Wie bei jedem Patienten erfolgt die Medikation auch bei Abschiebungsgefangenen nicht im allgemeinen, sondern abgestellt auf den im Einzelfall diagnostizierten Bedarf.

7. a) Bei wie vielen Abschiebehäftlingen insgesamt hat Dr. Pinski in den letzten zwei Jahren als Amtsarzt die Reiseunfähigkeit untersucht? Wie viele Menschen wurden dabei als nicht reisefähig eingeschätzt?

b) In wie vielen Fällen war dabei die Feststellung der Reisefähigkeit mit der Verabreichung von Medikamenten verbunden? Um welche Medikamente handelte es sich dabei konkret?

Herr Dr. P. ist zur Feststellung der Reisefähigkeit von Abschiebungshaftgefangenen nicht als Amtsarzt eingesetzt worden, vgl. Vorbemerkung und Antworten zu 1. a) und b) sowie 2. a) und b).

7. c) Für wie viele Menschen in Abschiebehaft hat Herr Dr. Pinski in den letzten zwei Jahren Psychopharmaka verschrieben?

Der Umfang der von Herrn Dr. P. im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit in der Untersuchungshaftanstalt verordneten Psychopharmaka wird statistisch nicht erfaßt. Die Beantwortung dieser Frage würde eine umfangreiche Einzelanalyse der Akten erfordern. Dies ist innerhalb der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich.

8. a) In wie vielen Fällen hat es im letzten Jahr eine Zusammenarbeit zwischen Dr.Pinski und den bei der Ausländerbehörde angestellten Ärztinnen gegeben?

In keinem Fall.

8. b) In wie vielen Fällen ging es dabei um Absprachen bezüglich der Medikation bei anstehenden Abschiebungen?

Entfällt.