Kapitalmarkt

Der Bau- und Verkehrsausschuß hat in seiner Sitzung am 5. September 2000 einvernehmlich gemäß § 53 (2) GO beschlossen, Herrn Reiner Latsch, Beauftragter der Konzernleitung der Deutschen Bahn AG für Hamburg und Schleswig-Holstein, anzuhören. Die Anhörung gemäß § 58 (2) GO fand am 31. Oktober 2000 statt.

Vortrag von Herrn Latsch Herr Latsch erläuterte, dass er in seiner Funktion als Beauftragter der Konzernleitung der Deutschen Bahn AG für Hamburg und Schleswig-Holstein Bahnangelegenheiten koordiniere und Ansprechpartner für Senat und Bürgerschaft sei.

Herr Latsch führte aus, dass die Bahn im Zuge der Privatisierung stark diversifiziert sei (unter anderem DB Netz, DB Station & Service, DB Cargo), und räumte ein, dass für die Kunden die Zuständigkeiten und Ansprechpartner nicht immer eindeutig seien. Die Deutsche Bahn AG befinde sich in einer schwierigen Lage.Von ihr werde einerseits privatwirtschaftlich orientiertes Handeln erwartet, und gleichzeitig solle der gesetzlich festgeschriebene Gemeinwohlauftrag erfüllt werden.

Die Bahn befinde sich derzeit in einem umfangreichen finanziellen Sanierungsprozeß. Herr Latsch führte beispielhaft an, dass sich die Interessen der verschiedenen politischen Ressorts (Finanzen, Verkehr, Umwelt) von den Anliegen der Länder und Kommunen sowie den Kundenwünschen (schnelleVerbindungen, viele Haltestellen) erheblich unterschieden. Die Ansprüche an die Leistungen der Bahn seien sehr hoch. Gleichzeitig hob Herr Latsch die herausragenden Leistungen der Bahn hervor:

­ 38000 km Streckennetz

­ 6000 Bahnhöfe

­ 100000 Weichen und bewegliche Kreuzungen

­ 38000 Züge (Hamburg-Hauptbahnhof 600 Züge im Fern- und Nahverkehr und 1000 S-Bahn-Züge)

­ 7500 Lokomotiven

­ 15000 Personenwagen

­ 100000 Güterwagen

­ 1,68 Milliarden Reisende jährlich (Hamburg-Hauptbahnhof sechs Millionen Reisende im Fernverkehr). Herr Latsch hob das umweltfreundliche Verkehrskonzept der Bahn hervor. Insbesondere in Ballungsräumen habe das Verkehrssystem der Bahn unter Umweltgesichtspunkten Vorteile. Die Bahn möchte auch künftig günstiges Massenverkehrsmittel bleiben. Sie strebe attraktive Schienenverbindungen zwischen den Ballungsräumen und den Ausbau internationaler Güterverkehrsverbindungen an.

Das teilweise aus den dreißiger Jahren stammende Schienennetz sowie eine Vielzahl der Loks und Wagen seien veraltet, und der Zustand vieler Bahnhöfe sei schlecht. Herr Latsch betonte die gute Zusammenarbeit mit Hamburg und wies auf die erforderliche Unterstützung vom Bund hin, um die Infrastruktur zu sanieren. Er wandte sich in diesem Zusammenhang gegen eine Verstaatlichung des NetBericht des Bau- und Verkehrsausschusses zum Thema „Vorstellung des Beauftragten der Konzernleitung der Deutschen Bahn AG für Hamburg und Schleswig-Holstein" (Selbstbefassungsangelegenheit gemäß §53 [2] GO) Vorsitzender: Dr. Martin Schmidt Schriftführerin: Barbara Duden zes. Die Bahn benötige vielmehr eineVerstetigung der Mittelzusagen vom Bund.Sie unterstütze die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe und wünsche die Reduzierung der Mineralölsteuer auf die für Schiffe undVerkehrsflugzeuge geltenden Sätze sowie eine Anpassung der Mehrwertsteuer an das europäische Niveau.Dadurch würde die Bahn jährlich um rund 1 Milliarde DM entlastet werden können, und die Verkehrsträger erhielten gleiche Ausgangsbedingungen für den Wettbewerb.

Ziel der Bahn sei die Kapitalmarktfähigkeit ab dem Jahre 2004 als größtes europäisches Verkehrsunternehmen. Herr Latsch hob hervor, dass die Deutsche Bahn AG ferner anstrebe, auch eines der besten Verkehrsunternehmen in den Bereichen Transport und Logistik zu werden. Um diese Ziele zu erreichen, würden folgende Maßnahmen durchgeführt:

­ Modernisierung der Infrastruktur, insbesondere der Signaltechnik, der Sicherungstechnik und des Fahrzeugparks

­ Angebot von Mobilitäts- und Logistikketten

­ Nutzung des Internets zur Vermarktung eigener und fremder Leistungen

­ Steigerung der Vermarktung in den Bahnhofsbereichen.

Herr Latsch fuhr fort, dass eine stärkere Kundenorientierung der Bahn erforderlich sei. Es müsse eine Angebotsanpassung an den tatsächlichen Bedarf erfolgen, und die Bahn verfolge das Ziel, mit weniger Verwaltung eine engere Kundenbeziehung im Regionalverkehr aufzubauen.

Im Bereich von DB Cargo seien die Verbindungen zu den Nachbarbahnen erheblich ausgeweitet worden. Es werde an technischen Lösungen zur Überwindung der Unterschiede in den Spurweiten, der Signaltechnik und der Stromsysteme in Europa gearbeitet. Die Harmonisierung der Technik erfolge, um Kosten einzusparen und den Umsatz zu erhöhen.

In Hamburg habe die Bahn in den letzten Jahren viel investiert. Das Projekt der Flughafen-S-Bahn (440 Millionen DM) werde zügig vorangetrieben, und die S-Bahn-Verlängerung nach Buxtehude (120 Millionen DM) sei beschlossen worden. Hinzu komme der Ausbau der Strecke Hamburg­Berlin (1,4 Milliarden DM) mit der Beseitigung von Bahnübergängen, der Einführung neuer Signaltechnik (Linienzugbeeinflussung), Prüfung des Oberbaus und Anpassungen der Bahnhöfe. Die Fahrzeit von Hamburg nach Berlin soll Ende 2002 etwa zwei Stunden und Ende 2004 eine Stunde und 33 Minuten betragen.

Bei der Hamburger Güterumgehungsbahn soll der eingleisige Streckenabschnitt von Rothenburgsort bis Horn zweigleisig ausgebaut (190 Millionen DM) und die Geschwindigkeit auf 80 km/h angehoben werden. Damit werde der Hauptengpaß im Hamburger Güterverkehr beseitigt. Das Planfeststellungsverfahren soll bis Mitte 2003 abgeschlossen sein.

Die Strecke Stelle­Lüneburg werde voraussichtlich 2003 bis 2007 dreigleisig ausgebaut (360 Millionen DM), und durch die Y-Trasse soll die Reisezeit zwischen Hamburg und Hannover um rund 20 Minuten verkürzt werden. Weitere Projekte seien der dreigleisige Ausbau der Strecke Pinneberg­Elmshorn mit dem Umbau des Bahnhofs Elmshorn sowie die Elektrifizierung der Strecke Hamburg­Lübeck.

Die Umbaumaßnahmen des Dammtor-Bahnhofs (29 Millionen DM) seien zu 60 Prozent fertiggestellt und voraussichtlich Mitte 2001 abgeschlossen. Darüber hinaus seien einige Streckensanierungen geplant.

Diskussion mit den Mitgliedern des Bau- und Verkehrsausschusses

Die CDU-Abgeordneten stellten fest, dass die genannten Projekte ein Investitionsvolumen von über 1 Milliarde DM umfaßten, und fragten, wie eine Realisierung der Projekte eingeschätzt werde. Herr Latsch wies auf die langfristige Planung hin. Da die genannten Projekte notwendig und wichtig seien, räumte er ihnen gute Realisierungschancen ein.

Die CDU-Abgeordneten fragten vor dem Hintergrund der Diskussion um den Tiefwasserhafen, ob eine Sanierung der Langsamfahrstrecke Hamburg­Cuxhaven geplant sei. Sie wollten ferner wissen, ob grundsätzlich dem Neubau von Strecken der Vorzug gegeben werde. Die Senatsvertreter wiesen darauf hin, dass eine Entscheidung über den Standort eines Tiefwasserhafens noch nicht getroffen worden sei. Der Streckenausbau könne dann noch rechtzeitig erfolgen. Herr Latsch ergänzte, dass die Bahn an der Diskussion intensiv beteiligt und um die Übernahme des Gütertransports sehr bemüht sei.

Die GAL-Abgeordneten erinnerten daran, dass im Rahmen der Anhörung „Hamburg und das Umland ­ Probleme des MIV und ÖPNV" am 18. April 2000 Vertreter der Gesellschaften der Deutschen Bahn AG sehr unterschiedliche Zukunftsperspektiven äußerten. Sie stellten fest, dass der Schienenverkehr zwischen Hamburg und dem Umland leistungsfähig, aber verbesserungsbedürftig sei. Die GAL-Abgeordneten erkundigten sich, ob die Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb der Deutschen Bahn bei Planungen zurückgegangen seien oder ggf. an Verbesserungen gearbeitet würde. Herr Latsch erläuterte, daß ein Konzept gemeinsam entwickelt werde und voraussichtlich im Jahr 2001 vorliege.

Die GAL-Abgeordneten baten um einen Sachstand zur Interregio-Debatte. Herr Latsch berichtete, daß mit den Ländern Arbeitsgruppen gegründet worden seien. Er bat um Verständnis, dass die Bahn wirtschaftlich handeln müsse und schwach ausgelastete Zugverbindungen überprüft würden. Es würden aber auch nachfrageorientiert neue Verbindungen geprüft (Hamburg­Uelzen­Stendhal­Berlin).

Die Vertreterin der Gruppe REGENBOGEN ­ für eine neue Linke fragte nach, ob neben der Förderung des Fernverkehrs auch die Planungen für die Fläche vorangetrieben würden. Herr Latsch teilte mit, daß die Nahverkehrsleistungen von den Ländern bestellt würden und dieser Bereich den größten Umsatz erziele. In den Nahverkehr sei intensiv investiert worden. Beispielsweise werde die Strecke Neumünster­Bad Segeberg­Bad Oldesloe gebaut und 2002 in Betrieb genommen.

Die SPD-Abgeordneten fragten, warum der Fahrzeugpark im Umland Hamburgs im Vergleich zu anderen Großstädten so stark vernachlässigt worden sei. Sie schlugen vor, den derzeit zwischen Hamburg und Köln verkehrenden Metropolitan zwischen Hamburg und Berlin einzusetzen. Herr Latsch berichtete, dass Graffiti mit neuen Lacken entgegengewirkt werde. Die alten Silberlinge würden im Rahmen der Modernisierung rot lackiert. Die Bahn strebe ein einheitliches Erscheinungsbild für das Fahrzeugmaterial des Regionalverkehrs an.Herr Latsch teilte auf Nachfrage der GAL-Abgeordneten mit, dass sich das Land Schleswig-Holstein gegen den Einsatz von Doppelstockwagen entschieden habe, da die Finanzmittel sonst nur für die Modernisierung etwa eines Drittels des Wagenparks ausgereicht hätten.

Die CDU-Abgeordneten kritisierten den schmutzigen, kleinen Bahnsteig am Hauptbahnhof für die Züge nach Berlin und den schlechten Service bei der Abfertigung des Autoreisezuges in Hamburg-Altona.

Herr Latsch teilte die Auffassung der CDU-Abgeordneten über den Bahnsteig der Züge nach Berlin und räumte Service-Probleme in Altona ein. Die Deutsche Bahn sei um Abhilfe bemüht. Der Standort Altona unterliege bezüglich der Abfertigung von Autoreisezügen einer Überprüfung.

Die CDU-Abgeordneten begrüßten, dass die Fernzüge in den neuen HVV-Fahrplan wieder aufgenommen worden seien. Sie fragten, warum darin nur zwei der zahlreichen täglich in Bergedorf haltenden Züge aufgeführt seien und warum Bergedorf nicht in die von der Deutschen Bahn herausgegebenen „Städteverbindungen" aufgenommen worden sei. Herr Latsch berichtete, dass viele Fernzüge in Bergedorf hielten, aber das Angebot nur von wenigen Fahrgästen genutzt werde. Die Fahrgastzahlen seien hier rückläufig. Die Planungen seien noch nicht abgeschlossen, aber es sei davon auszugehen, daß Bergedorf als Fernzughalt mit einer reduzierten Anzahl von Zügen bestehenbleibe.

Die CDU-Abgeordneten teilten Herrn Latsch mit, dass der Bahnhofstunnel in Bergedorf seit vielen Jahren eine dauerhaft eingerichtete Baustelle sei. Herr Latsch sagte eine Prüfung dieser Angelegenheit zu.

Die SPD-Abgeordneten interessierten sich für eine Beratung der Themenschwerpunkte „Güterverkehr" und „Mitarbeiter der Deutschen Bahn" noch in dieser Legislaturperiode. Herr Latsch stimmte auf Vorschlag des Vorsitzenden einer erneuten Zusammenkunft im Sommer 2001 zum Thema Güterverkehr zu. Das Thema Mitarbeiter der Deutschen Bahn wird auf Vorschlag von Herrn Latsch in kleinem Kreise erörtert.

Der Bau- und Verkehrsausschuß empfiehlt der Bürgerschaft, von vorstehendem Bericht Kenntnis zu nehmen.

Barbara Duden, Berichterstatterin.