Zwei-Mann-Crew bei Hamburger Schleppern:Wettbewerb auf Kosten der Sicherheit?

Laut Presseberichten vom 21. November 2000 soll die Bugsier-Reederei seit dem 1. November auf einem Schiff mit Zwei-Mann-Crew fahren. Das Oberhafenamt der Wirtschaftsbehörde soll mit Genehmigung vom 31. Oktober 2000 die Erlaubnis „aus Wettbewerbsgründen" bis Ende 2001 unter Auflagen erteilt haben. Hintergrund sollen die Lohnsubventionen der niederländischen Schleppreedereien sein, gegen die ein Klageverfahren in Brüssel anhängig ist.

Bugsier soll damit den ersten Schlepper im Hamburger Hafen mit zwei Mann betreiben. Der Bugsier-Chef wird mit den Worten zitiert, dass die Genehmigung ausgedehnt wird, „wenn der Betrieb ordentlich läuft". Neben der ÖTV und der Seeberufsgenossenschaft soll nach GALInformationen auch das BMVBW aus Sicherheitsbedenken massive Bedenken gegen das Hamburger Vorgehen einer Freigabe für den Zwei-Mann-Betrieb vorgetragen haben. Der für eine Wochen durchgeführte Probebetrieb soll bei Sonnenschein im August gewesen sein.Eine Notfallsimulation sowie eine Probe bei kritischem Wetter, wie z. B. Nebel, soll nicht stattgefunden haben.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Trifft es zu, dass zum 1. November 2000 eine Genehmigung für den Betrieb eines Schleppers im Hamburger Hafen mit einer Zwei-Mann-Crew erteilt wurde? Wenn ja:

a) Für welche Reederei auf welchen Antrag hin?

Von der Bugsier-Reederei und Bergungs-Gesellschaft mbH wurden der zuständigen Fachbehörde für die Seeschiffsassistenzschlepper „Bugsier 17" und „Bugsier 18" von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, Zentralstelle Schiffsuntersuchungskommission (ZSUK), ausgestellte Schiffsatteste vorgelegt, die den Reeder berechtigen, die Fahrzeuge mit Ausnahme des Hamburger Hafens ­ hier gilt eine Sonderregelung entsprechend der geltenden Seeschiffsassistenzverordnung ­ in allen deutschen Seehäfen ohne zusätzliche Auflagen mit zwei statt wie bisher mit drei Besatzungsmitgliedern einzusetzen. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, die Schiffe auch in Hamburg im Zwei-Mann-Betrieb zu betreiben. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2000 wurde dem Reeder eine Erlaubnis erteilt, die „Bugsier 17" im Hamburger Hafen im Zwei-Mann-Betrieb einzusetzen.

1. b) Für welchen Zeitraum unter welchen Auflagen?

Die Erlaubnis ist befristet vom 1. November 2000 bis zum 31. Dezember 2001 und unter Berücksichtigung von zusätzlich vorgenommenen technischen Einrichtungen, die über die Anforderungen der SeeBerufsgenossenschaft für Seehafen-Assistenzschlepper im Drei-Mann-Betrieb hinausgehen, der vom Reeder dargelegten Betriebsabläufe und weiterer auf behördliche Anforderung einzuhaltender Erlaubnisvoraussetzungen und Nebenbestimmungen erteilt worden. Die Erlaubnis wurde befristet, um Erfahrungen aus insbesondere im Winterhalbjahr zu gewinnenden Erkenntnissen in weitere Entscheidungen einfließen zu lassen.

Vom Reeder wurden folgende technische Einrichtungen zusätzlich eingebaut:

Ein zusätzlicher Windenfahrstand direkt neben dem zentralenVoith-Schneider-Fahrstand ermöglicht dem Kapitän eine leichte Bedienung der Schleppwinde, ohne den Manöverfahrstand mit der kompletten Kommunikationseinrichtung zu verlassen. Bei drohender Gefahr o.ä. kann er dem an Deck stehenden technischen Offizier (T.O.) das Fahren der Winde durch eine Vorrangschaltung abnehmen.

Die Verschanzung auf dem Achterdeck vom A-Bock achteraus wurde mit einem Lochblech verkleidet, um ein Haken der Schlepperleine zu verhindern.

Ein tragbarer Schleppwindenfahrstand, der parallel zum fest eingebauten Deckfahrstand bedient werden kann, ermöglicht den Betrieb der Schleppwinde von jeder Position auf dem Achterdeck.

Der Schleppwindenspillkopf wurde durch Aufschweißen von Ringen im Durchmesser vergrößert.

Damit ist es möglich, das Reserveschleppgeschirr beim Einholen ganz aufzurollen.

Es werden Sprechfunkgeräte eingesetzt, die während der Fahrt von Kapitän und T.O. getragen werden müssen. Hierüber können sich die Besatzungsmitglieder jederzeit und von jedem Ort an Bord verständigen.

Ein Deckslautsprecher wurde angebracht, der von der Brücke ansteuerbar ist.

Es wurde ein zweites Anzeigegerät für Maschinenalarme direkt in Sichtweite des Kapitäns angebracht, so dass dieser die auftretenden Alarme über Funk an den T.O. weitergeben kann.

Anbringung eines Netzes an der Verschanzung zum Überhängen, um einer ins Wasser gefallenen Person das An-Bord-Klettern zu ermöglichen, und Anschaffung einer Aluleiter, die den örtlichen Begebenheiten (Verschanzungsform, Platzform, Länge) angepaßt wurde. Die Leiter hat ordnungsgemäß ausgehängt vier Sprossen im Wasser.

Anschaffung eines „langen Hakens" (ca. 1,2 m) für das Festmachen am Schlepperponton. Mit diesem können die Festmacherleinen bewegt werden, ohne dass der T.O. sich überbeugen muß.

Ausreichende Achterschiffsbeleuchtung.

Anbringung eines Reckers und eines Vorläufers am Schleppdraht. Ein Reserveschleppgeschirr bestehend aus Recker und Vorläufer liegt zum sofortigen Gebrauch an Deck klar. Daneben wird ein Schlepphaken-Reserveschleppgeschirr gemäß Betriebsanweisung vom 9. August 2000 an Deck zum sofortigen Gebrauch vorgehalten.

Die behördlichen Auflagen und Nebenbestimmungen sind:

Die Besatzung setzt sich aus einem Kapitän und einem technischen Offizier zusammen. Beide Besatzungsmitglieder müssen unabhängig von der Zulassung des Fahrzeuges Inhaber der für dieses Fahrzeug notwendigen Befähigungszeugnisse sein, die im Seeschiffsbetrieb erforderlich sind.

Bei Windstärken größer als 7 Bft. (keine Böen, sondern durchgehende Windstärke) und bei Nebel (gegenüberliegendes Ufer nicht sichtbar) muss neben dem Kapitän und dem technischen Offizier ein drittes Besatzungsmitglied an Bord sein.

Auf Anforderung des Kapitäns ist ein drittes Besatzungsmitglied zu stellen.

Ausrüstung der Fahrzeuge mit einem zusätzlichen Flußradar mit Wendeanzeiger, um den Nahbereich mit diesem hochauflösenden Gerät besser beobachten zu können.Da der Kapitän des Schleppers sowohl in der Position desVorschleppers als auch in der des Achterschleppers immer dem Heck seines Schiffes zugewandt ist, ist das Radargerät so einzubauen, dass er aus dieser Position heraus das Radarbild für eine sichere Navigation beobachten kann.

Verpflichtung zur Meldung aller Vorkommnisse, die sowohl die Sicherheit des Fahrzeuges als auch den umgebenen Schiffsverkehr betreffen und im Zusammenhang mit einer Reduzierung der Besatzung auf zwei Mann stehen oder stehen könnten, unverzüglich und ohne besondere Aufforderung gegenüber dem Oberhafenamt.

1. c) Mit welcher Begründung?

Auf Grundlage des in den Antworten zu 1. a) und zu 1.b) dargestellten Sachverhaltes und unter Würdigung eines durchgeführten Probebetriebes sieht die zuständige Fachbehörde die Voraussetzungen nach §7 Absatz 2 Seeschiffsassistenzverordnung, wonach technische Einrichtungen die Handhabung in besonderem Maße erleichtern und die Sicherheit nicht beeinträchtigt wird, als gegeben an.

1. d) Unter Beteiligung welcher Gremien bzw. Institutionen?

Beteiligt waren neben dem Oberhafenamt die See-Berufsgenossenschaft, die BinnenschiffahrtsBerufsgenossenschaft, das Amt für Arbeitsschutz und die Hafenlotsenbrüderschaft.

1. e) Unter Einbeziehung welcher Stellungnahmen?

­ See-Berufsgenossenschaft. Zusätzliche Unfallgefahren durch den Zwei-Mann-Betrieb wurden während der Erprobung nicht festgestellt. Als sinnvoll wird eine zusätzliche Ausrüstung mit einem Flußradar angesehen.

­ Binnenschiffahrts-Berufsgenossenschaft. Keine Beeinträchtigung der Sicherheit durch den ZweiMann-Betrieb bei Ausrüstung des Schleppers wie in den Antworten zu 1. a) und zu 1.b) dargestellt.

­ Amt für Arbeitsschutz. Es wurden beim Probebetrieb keine Gründe gesehen, einem Zwei-MannBetrieb bei normalen Witterungsbedingungen zu widersprechen.

­ Hafenlotsenbrüderschaft. Es wurden keine Sicherheitsdefizite beim Probebetrieb beobachtet.

­ Betriebsrat des Reeders. Dem Zwei-Mann-Betrieb wurde unter Berücksichtigung betriebsinterner Regelung zugestimmt.

­ Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Siehe dazu Antwort zu 6.

2. Wann und unter welchen meteorologischen Bedingungen mit welchen beteiligten Stellen von wem wurde der einwöchige Probelauf durchgeführt?

Der Probebetrieb wurde unter Beteiligung der in der Antwort zu 1.d) genannten Institutionen vom 14. August bis 18. August 2000 auf dem Seeschiffsassistenzschlepper „Bugsier 17" durchgeführt.

Während des Probebetriebes war der dritte Mann an Bord und jederzeit einsatzbereit. Sein Einsatz erfolgte jedoch nicht.

Die Sichtverhältnisse waren gut, Windstärken bis maximal 4/5 Bft. Einsätze tags und nachts als Vorund Achterschlepper bei aufkommenden, ausdockenden und abgehenden Seeschiffen.

3. Trifft es zu, dass es bei dem Probelauf keine „Notfallsimulation" gegeben hat?

Ja, eine Notfallsimulation wurde von keiner der beteiligten Institutionen gefordert.

4. Trifft es zu, dass das Oberhafenamt nach dem Probebetrieb zu der Einschätzung gekommen ist, dass der Einsatz im Zwei-Mann-Betrieb bei den Schleppern bei normalen Witterungsbedingungen möglich ist?

Ja.

5. Welche Schlepperbesatzung sollte nach Auffassung des Senats bei „unnormalen" Witterungsbedingungen vorhanden sein?

In der Erlaubnis sind Auflagen erteilt worden, dass bei Nebel, Windstärken größer als 7 Bft.und auf Anforderung des Kapitäns ein drittes Besatzungsmitglied zu stellen ist. Vgl. auch Antwort zu 1.b).

6. Trifft es zu, dass sich das BMVBW aus Sicherheitsgründen für eine Drei-Mann-Besatzung ausgesprochen hat?

Ja, das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) hat sich im Oktober 2000 erstmals gegenüber der zuständigen Behörde für die Beibehaltung einer Drei-Mann-Besatzung ausgesprochen. Es wurden seitens des BMVBW aber bisher keine Schritte eingeleitet, die von der Schifffahrtsverwaltung des Bundes ausgestellten Atteste, die den Zwei-Mann-Betrieb ohne Auflagen in allen deutschen Seehäfen mit Ausnahme des Hamburger Hafens erlauben, zurückzuziehen.

Die zuständige Fachbehörde teilt die Bedenken des BMVBW unter Berücksichtigung der zusätzlichen technischen Einrichtungen und Auflagen nicht.

7. Trifft es zu, dass das Oberhafenamt vor Eintreffen der Stellungnahme der See-Berufsgenossenschaft die Entscheidung für einen Zwei-Mann-Betrieb getroffen hat? Wenn ja, mit welcher Begründung? Wenn nein, wann ist die Stellungnahme eingetroffen und wann wurde die Entscheidung durch das Oberhafenamt getroffen?

Nein, die schriftliche Stellungnahme der See-Berufsgenossenschaft ist am 23. Oktober 2000 eingegangen. Die Erlaubnis wurde am 31. Oktober 2000 erteilt.

8. Ist der Senat der Auffassung, dass bei einem Notfall, wie z.B.„Mann über Bord", die Sicherheit vollständig gewährleistet ist?

Unter Berücksichtigung der Betriebsanweisung und der sehr hochgezogenen Verschanzung bei „Bugsier 17" ist die Möglichkeit des Überbordgehens eines Besatzungsmitgliedes sehr gering.Durch die vorgeschriebenen technischen Einrichtungen und Auflagen und die im Hafen zur Verfügung stehenden Hilfsangebote geht die zuständige Behörde nicht von einer Reduzierung der Sicherheit aus.

9. Ist der Senat der Auffassung, dass der Zwei-Mann-Betrieb eine geeignete Möglichkeit ist, gegen die Lohnsubvention für die niederländischen Schlepper vorzugehen?

Die Genehmigung für den Zwei-Mann-Betrieb wurde aufgrund der technisch-nautischen Beurteilung der zuständigen Fachbehörde unabhängig von den Lohnsubventionen für die niederländischen Schlepper getroffen.

10. Wie ist der Stand der Verhandlungen hinsichtlich der Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die niederländischen Lohnsubventionen?

Das im April 2000 von der Reederei Bugsier bei der Kommission eingeleitete Beschwerdeverfahren dauert an. Über den aktuellen Bearbeitungsstand liegen keine Informationen vor.