Sicherheit für Vollzugsmitarbeiter beim Spritzentausch

Die Justizbehörde tauscht in einigen Strafvollzugsanstalten gebrauchte Fixerspritzen gegen sterile Einwegspritzen. Der Tausch steriler Einwegspritzen soll einer weiteren Verbreitung von Hepatitis und HIV unter den Gefangenen entgegenwirken. Die benutzte Spritze eines Hepatitis- oder HIV-Kranken birgt jedoch ein hohes Infektionsrisiko, insbesondere für die Vollzugsmitarbeiter, die einen Gefangenen oder die Zelle eines Gefangenen durchsuchen und dabei möglicherweise in Kontakt mit einer infizierten Nadel kommen.

Die Bürgerschaft hat aufgrund der Eingabe eines Vollzugsmitarbeiters den Senat ersucht (Drucksache 16/4075), für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten eine geeignete Anzahl an durchstichsicheren Handschuhen zur Verfügung zu stellen. Der Senat antwortete dem Ersuchen (Drucksache 16/4719), Prüfungen verschiedener Schutzhandschuhe hätten ergeben, dass ein effektiver Schutz vor Stichverletzungen mit dem Einsatz der geprüften Schutzhandschuhe nicht zu erzielen sei. Die Justizbehörde sei daher nicht in der Lage, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten absolut durchstichsichere Handschuhe zur Verfügung zu stellen.

Der Tausch steriler Spritzen wird in drei Hamburger Vollzugsanstalten als eine Maßnahme der Gesundheitsfürsorge durchgeführt, um bei Gefangenen mit einer Suchtproblematik der weiteren Verbreitung von HIV- und Hepatitis-Infektionen durch die gemeinsame Nutzung von gebrauchten Spritzen entgegenzuwirken. Im übrigen wird die Ausgabe von Einwegspritzen im Vollzug von allen Fraktionen in der Bürgerschaft befürwortet.

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vierlande werden seit 1996 Spritzen über Automaten und seit Juni 2000 auch über externe Drogenberaterinnen und -berater von Hand zu Hand getauscht. In der Teilanstalt für Frauen der Jugend- und Frauenvollzugsanstalt Hahnöfersand und in der JVA Am Hasenberge werden seit Anfang dieses Jahres Spritzen vom Krankenpflegedienst getauscht. Die Maßnahmen tragen der Tatsache Rechnung, dass einerseits sich der Konsum von Drogen in Haftanstalten nicht völlig unterbinden lässt und andererseits ein Teil der Drogenkonsumentinnen und -konsumenten durch die gemeinsame Nutzung von gebrauchten Spritzen einem höheren Risiko ausgesetzt ist, sich mit dem HIVVirus oder Hepatitis zu infizieren.

Es war zu keiner Zeit völlig auszuschließen, dass Vollzugsbedienstete sich an einer versteckten Spritze verletzen.Deshalb wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AllgemeinenVollzugsdienstes, aber auch andere Vollzugsbedienstete, schon vor der Einführung des Spritzentauschs regelmäßig umfassend und systematisch über Infektionsrisiken, Schutzmaßnahmen und das Verhalten nach Nadelstichverletzungen informiert. Diese Aufklärung wird kontinuierlich aktualisiert. Es werden ferner regelmäßig Impfungen zum Schutz vor Hepatitis A und B angeboten. Auch die Regeln zur Aufbewahrung und Entsorgung der über dieTauschprogramme bezogenen Spritzen, die im Zusammenhang mit der Einführung der Programme formuliert wurden, und die für die Gefangenen über den Spritzentausch bestehende Möglichkeit, gebrauchte Spritzen in der Anstalt sicher zu entsorgen, tragen zur Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Vollzugsdienstes vor Stichverletzungen bei, die von versteckten Spritzen verursacht werden.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. War dem Senat bei Einführung des Spritzentauschprojektes bekannt, dass es keine durchstichsicheren Handschuhe gibt, die einen absoluten Schutz bieten?

Ja.

2. Die Justizbehörde als Dienstherr und Arbeitgeber trifft für die Vollzugsmitarbeiter eine Fürsorgepflicht. Wie lässt sich die staatliche Ausgabe von Drogenspritzen trotz Kenntnis der nicht hinreichenden Schutzmöglichkeiten von Vollzugsbeamten rechtfertigen?

3. Welche weiteren Maßnahmen trifft der Senat, um die Mitarbeiter in den Anstalten vor gebrauchten Spritzen hinreichend zu schützen?

Siehe Vorbemerkung.

4. Kann ein Vollzugsmitarbeiter die Arbeit in einer Vollzugsanstalt ablehnen, in der von der Behörde Spritzen ausgegeben werden? Wenn ja, mit welchen persönlichen Konsequenzen? Wenn nein, warum nicht?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AllgemeinenVollzugsdienstes sind nach den geltenden beamtenrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, die ihnen erteilten Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu beachten, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen sie nach besonderer gesetzlicherVorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind. Das ist hier nicht der Fall.

5. Welche rechtlichen Konsequenzen hätte die Infektion eines Mitarbeiters durch eine gebrauchte Spritze für die FHH (z.B. Regreßansprüche, Abbruch des Modellversuches)?

Die Folgen einer in Ausübung des Dienstes durch eine Stichverletzung erworbenen Infektion sind nach den Regeln für die Behandlung eines Dienstunfalls zu beurteilen.

6. Nach Auskunft eines Herstellers für Security Equipment für Behörden sei es technisch möglich, durchstichsichere Handschuhe zu entwickeln.

a) Ist dies dem Senat bekannt? Wenn nein, warum nicht?

b) Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Entwicklung derartiger Handschuhe zu beschleunigen?

Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass es grundsätzlich möglich ist, durchstichsichere Handschuhe zu entwickeln. Derartige Handschuhe wären nach bisherigen Erkenntnissen jedoch für den Einsatz als Schutzhandschuhe im Justizvollzug ungeeignet, weil sie die für Durchsuchungen notwendige Sensibilität im Bereich der Fingerspitzen und Innenhandflächen, die bereits bei dem Einsatz der vorhandenen Handschuhe deutlich eingeschränkt ist, vollständig unterbinden würden.

7. Kam es seit Beginn des Modellversuches zu Unfällen im Umgang mit gebrauchten Spritzen? Wenn ja, wie häufig und mit welchen Folgen?

In der JVA Vierlande hat sich seit Beginn des Programms, und zwar im November 1999, ein Mitarbeiter des AllgemeinenVollzugsdienstes, der keine Schutzhandschuhe trug, eine Stichverletzung mit einer Spritze zugezogen. Die Laboruntersuchungen ergaben, dass die Spritze nicht infektiös war. In der JVA

Am Hasenberge und der Frauenteilanstalt Hahnöfersand ist es nicht zu Unfällen mit Spritzen gekommen.