Kontrolle von Qualitätsstandards im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen

1. Die Bürgerschaft hat in ihrer Sitzung vom 12.­13. Juli 2000 (Drs. 16/4468) den Senat ersucht, der Bürgerschaft bis zum 31. Januar 2001 zu berichten,

1. inwieweit er Möglichkeiten zur besseren Kontrolle von Qualitätsstandards im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen sieht,

2. ob und inwieweit diese Qualitätssicherung auch durch vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Senat und privaten Sicherheitsunternehmen erreicht werden kann,

3. inwieweit in anderen Bundesländern vertragliche Regelungen getroffen wurden, die einerseits die Kooperation zwischen Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen in nicht-hoheitlichen Bereichen regeln, andererseits zwingende Ausbildungs- und Qualitätsstandards auf Seiten der Sicherheitsunternehmen festschreiben,

4. wie gewährleistet werden kann, dass den Anforderungen des Datenschutzrechts im Rahmen derartiger Kooperationen ausreichend Rechung getragen wird.

2. Der Senat berichtet zu den Fragen wie folgt:

Vorbemerkung:

­ Begriff und Rechtsgrundlagen des Bewachungsgewerbes

Bei der Behandlung der Thematik „Private Sicherheitsunternehmen" ist zu berücksichtigen, dass die Bandbreite der Tätigkeiten des privaten Sicherheitsgewerbes sehr groß ist. Sie reicht von Kraftfahrzeug- und Gebäudebewachung, Bewachung von privaten Räumen mit öffentlichem Verkehr (z. B. Einkaufszentren), Streifengängen durch öffentliche Räume (z. B. Fußgängerzonen), Veranstaltungsdienst, der Durchführung von Geld- und Werttransporten, den Personenschutz, der Bewachung von Militäranlagen und Kernkraftwerken bis hin zur Flugplatzkontrolle durch beliehene Unternehmer. Die Bewachung erfolgt sowohl durch unbewaffnete und nicht uniformierte Kräfte als auch durch bewaffnete und uniformierte Kräfte mit Hunden.

Unternehmen, die gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen, benötigen eine behördliche Erlaubnis nach § 34 a Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung mit der Bewachungsverordnung (BewachVO), die u. a. die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden fordert. Als Wachpersonal darf nur beschäftigt werden, wer die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzt und vor Aufnahme der Beschäftigung nachweist, dass das Unterrichtungsverfahren einer Industrie- und Handelskammer absolviert wurde.

Inhalte der Unterrichtung sind u. a. Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Bürgerliches Gesetzbuch (insb. Notwehrrechte), Strafrecht, Umgang mit Verteidigungswaffen, Umgang mit Menschen, Unfallverhütungsvorschriften und Sicherheitstechnik. Eine Erlaubnis nach § 34 a GewO ist nicht erforderlich, wenn sich die Bewachung auf das eigene Eigentum beschränkt (z. B. beim unternehmenseigenen Werkschutz) oder nicht gewerbsmäßig betrieben wird (z. B. bei sog. Bürgerstreifen).

Die Aufsicht über das Bewachungsgewerbe liegt bei den Gewerbeämtern am Sitz des Bewachungsunternehmens.

Die Bewachungserlaubnis gilt für ganz Deutschland und beinhaltet verschiedene Pflichten wie z. B. Meldung der Wachpersonen, die beschäftigt werden sollen, unter Vorlage von Führungszeugnis und Unterrichtungsnachweis.

­ Umfang des Bewachungsgewerbes

In Hamburg gibt es derzeit rund 200 Erlaubnisinhaber, wobei ein Unternehmen je nach Rechtsform eine oder

23.01. 0116.Wahlperiode zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 12./13. Juli 2000

­ Private Sicherheitsunternehmen in Hamburg ­ Kontrolle und Kooperation ­ mehrere Erlaubnisinhaber haben kann. In den letzten Jahren hat es eine durchschnittliche jährliche Steigerung von ca. 4 bis 5 % gegeben. Zu den mit Bewachung beschäftigten Personen liegen dem Senat keine statistischen Daten vor.

Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Wachund Sicherheitsunternehmen hat sich bundesweit die Zahl der Bewachungsunternehmen von 1990 bis 1998 von ca. 900 mit rund 55 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auf ca. 2000 mit rund 125 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mehr als verdoppelt (Anlage). Die Erfassungsgrundlagen für diese Zahlen sind nicht bekannt. Die Angaben zur Anzahl der Beschäftigten sind abhängig von der Erfassungsgrundlage, insbesondere von der Frage, ob die kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigt wurden. In Publikationen werden daher teilweise sehr viel höhere Beschäftigtenzahlen angegeben. Darüber hinaus sind unternehmenseigene Werkschutz- oder Sicherheitskräfte in den Zahlen nicht enthalten.

­ Stellung des Bewachungsgewerbes

Aufgrund einer gewandelten Auffassung zu den vom Staat zu erbringenden Leistungen sind in den letzten Jahren Tätigkeiten auf das private Sicherheitsgewerbe übertragen worden, die zuvor von eigenen Kräften öffentlicher Einrichtungen wahrgenommen wurden (z. B. bei der Fluggastkontrolle, Bewachung von Bundeswehreinrichtungen).

Die Rolle des privaten Sicherheitsgewerbes in Abgrenzung zur Gewährleistung öffentlicher Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird bereits seit Jahren insbesondere in den Innenressorts diskutiert.

Hintergrund dieser Diskussion dürften verschiedene Faktoren sein, vor allem das seit den 80er Jahren zu beobachtende stetige Wachstum der Branche, das sich auf die Anzahl der Firmen, die Beschäftigtenzahlen, den Umsatz, aber auch auf die Erweiterung der Tätigkeitsfelder mit zunehmender öffentlicher Sichtbarkeit der Arbeit des privaten Sicherheitsgewerbes erstreckt. Mitarbeiter des privaten Sicherheitsgewerbes werden in allgemein zugänglichen Bereichen, wie Bahnhöfen und Einkaufszentren, tätig und sind auch im öffentlichen Raum zunehmend sichtbar.

Die Bedeutung des privaten Sicherheitsgewerbes für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sicherheit ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das staatliche Gewaltmonopol als wesentlicher Bestandteil unserer Rechtsordnung setzt der Tätigkeit des privaten Sicherheitsgewerbes Grenzen. Bürgerinnen und Bürger sollen Klarheit darüber haben, wer ihnen gegenüber mit welchen Rechten tätig werden darf.

Derzeit wird verstärkt eine Grenzziehung zwischen der Aufgabenwahrnehmung des privaten Sicherheitsgewerbes zu staatlichen Ordnungseinrichtungen parallel mit Überlegungen eines verstärkten Zusammenwirkens diskutiert.

In diesem Zusammenhang ist auf unterschiedliche Ausgangspositionen bei der Rollenbestimmung von Polizei und privatem Sicherheitsgewerbe hinzuweisen, die auch die Zielsetzungen für ein Zusammenwirken beeinflussen.

Aufgabe der staatlichen Ordnungsbehörden ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aus der mit dem Gewaltmonopol einhergehenden Gewährleistungspflicht des Staates haben die staatlichen Ordnungsbehörden für jede Bürgerin und für jeden Bürger sowie für staatliche Einrichtungen den Schutz vor beziehungsweise die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen der ihnen gegebenen gesetzlichen Ermächtigungen zu gewährleisten. Diese Leistungen sind für die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich gebührenfrei, lediglich gegen Störer oder für bestimmte Antragsleistungen werden Gebühren erhoben. Handlungsleitend sind damit der gesetzliche Auftrag und gesetzliche Eingriffsermächtigungen.

Das private Sicherheitsgewerbe erbringt demgegenüber

­ abgesehen von den Sonderfällen der beliehenen Unternehmen ­ Leistungen nicht für die Allgemeinheit, sondern gegen Entgelt für den Auftraggeber. Aufgabe des privaten Sicherheitsgewerbes ist die Abwehr von Beeinträchtigungen der Rechte oder der Interessen des Kunden durch andere.

Zu Ziffer 1 des Bürgerschaftlichen Ersuchens: „Der Senat möge berichten, inwieweit er Möglichkeiten zur besseren Kontrolle von Qualitätsstandards im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen sieht." Grundsätzlich ist bei der Forderung nach Möglichkeiten zur besseren Kontrolle von Qualitätsstandards im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen zunächst zu fragen, ob sie aus festgestellten Missständen resultiert. Eine allgemein verstärkte staatliche Aufsicht in diesem Bereich ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Gebote der Berufsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit abzuwägen.

Erhebungen der Innen- und Wirtschaftsressorts des Bundes und der Länder haben keinen empirischen Beleg einer auffälligen Anzahl fragwürdiger Praktiken oder Missbrauchshandlungen durch Beschäftigte des privaten Sicherheitsgewerbes erbringen können. Rechtlich nehmen die Beschäftigten nicht staatlich übertragene Aufgaben wahr, sondern nur die jeder natürlichen Person zustehenden sog. Jedermannrechte. Daher besitzen Beschäftigte von Sicherheitsbetrieben unabhängig von ihnen vom Auftraggeber übertragenen Haus- und sonstigen Notwehrrechten auch diese allen Menschen zustehenden Nothilferechte, also das Recht, für andere Menschen deren Rechte zu sichern. Notwehr- und Nothilfehandlungen dürfen dabei nicht in krassem Missverhältnis zum abzuwehrenden Angriff stehen.

Eine staatliche Kontrolle von Qualitätsstandards im Bereich des privaten Sicherheitsgewerbes muss grundsätzlich beachten, dass der Begriff des „Qualitätsstandards" derzeit weitgehend unbestimmt ist. Als verlässlich definierte Qualitätsstandards sind zunächst die in § 34 a Gewerbeordnung (GewO) und die in der Bewachungsverordnung enthaltenen Normen als Maßstab heranzuziehen.

Diese Bestimmungen regeln grundsätzliche Voraussetzungen für die Anmeldung und Ausübung des Gewerbes. Die dortigen Regelungen unterfallen dem Bereich der Gewerbeaufsicht und gehen davon aus, dass die unterrichteten Unternehmer und Bewacher die erforderlichen fachlichen Kenntnisse haben. Möglichkeiten einer besseren Kontrolle dieser gegebenen Standards sind daher unter dem Gesichtspunkt der Gewerbeaufsicht zu beurteilen. Diese Bestimmungen enthalten aber keine unmittelbaren Kriterien zur Qualität der erbrachten Leistungen des Unternehmens.

Für das private Sicherheitsgewerbe dürfte, auch im Sinne von Normierungsregelungen wie z. B. der ISO 9000 ff., als Maßstab für die Qualitätsbewertung ganz maßgeblich das Kundenbedürfnis sein. Die Sicherung der Qualität der Dienstleistung erscheint daher in erster Linie als Aufgabe von Dienstleister und Kunden.

So haben die Verkehrsunternehmen Hamburger Hochbahn AG und S-Bahn Hamburg GmbH umfangreiche Vorgaben für die im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) beauftragten Sicherheitsunternehmen entwickelt. Sie umfassen Qualitätsstandards für die Erbringung der Bewachungsleistung, das Anforderungsprofil der eingesetzten Sicherheitskräfte, die Aus- und Fortbildung, die Dienst- und Einsatzanweisungen sowie für die Einsatzplanung und -steuerung. Die Erfüllung dieser Qualitätsanforderungen ist Grundlage für die Beauftragung und die Kontrolle der privaten Sicherheitsunternehmen im ÖPNV.

Die Einhaltung dieser Vorgaben ist durch Verträge mit den Sicherheitsunternehmen gewährleistet und institutionell durch die Hamburger U-Bahn-Wache bzw. die Hamburger S-Bahn-Wache abgesichert. Beide Nahverkehrswachen wenden dieselben Qualitätsmaßstäbe an.

Die Qualitätssicherung durch die Verkehrsunternehmen findet in der Weise statt, dass die Leistungen der privaten Sicherheitskräfte durch ständige Dienstaufsicht im Rahmen der Führungsstruktur kontrolliert werden. Daneben ist eine Person speziell für die Qualitätssicherung eingesetzt. Bei Fehlverhalten von Sicherheitskräften werden diese auf Anforderung der Verkehrsunternehmen sofort aus dem Bereich des ÖPNV entfernt. Darüber hinaus werden das regelmäßige Berichtswesen, Hinweise von Fahrgästen und Betriebspersonal sowie die Beschwerdesituation zur fortlaufenden Qualitätskontrolle genutzt.

Aus staatlicher Sicht sind Aufträge so in Güte und Qualität abzuwickeln, dass Allgemeinheit und Individuen nicht Schaden nehmen.

Ein Mittel hierzu sind freiwillige Selbstbindungen des privaten Sicherheitsgewerbes. So hat der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) freiwillig eigene Qualitätsstandards entwickelt, die seine Mitgliedsunternehmen erfüllen müssen. Durch die Aufnahmevoraussetzungen des BDWS werden nach publizierter Darstellung bestimmte Standards gewährleistet:

­ Kein Missverhältnis zwischen Festangestellten und Aushilfen,

­ solide Buchhaltung,

­ fristgerechte Bezahlung von Steuern und Krankenkassenbeiträgen,

­ fundierte Ausbildung der Bediensteten,

­ Erreichbarkeit rund um die Uhr,

­ Entrichten des Mitgliedsbeitrages (ab 1500 DM pro Jahr).

Auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an das private Sicherheitsgewerbe ist die Formulierung von Qualitätsstandards geboten.

Die Abteilung für Ausschreibungs- und Einkaufsdienste in der Finanzbehörde hat bereits seit Jahren bei formellen Ausschreibungen von Bewachungsdienstleistungen für hamburgische Dienststellen in den jeweiligen Leistungsbeschreibungen ausführliche Vergabekriterien im Sinne von Qualitätsstandards verankert, die den von den Verkehrsunternehmen Hamburger Hochbahn AG und S-Bahn Hamburg GmbH angewendeten Maßnahmen bei der Vergabe von Sicherheitsdienstleistungen entsprechen oder vergleichbar sind. Außerdem kommt den im Zuge des Ausschreibungsverfahrens zur Verfügung gestellten Referenzen (die breit angelegt durch die Finanzbehörde überprüft werden) und der Analyse der mitgeteilten Firmenprofile besondere Bedeutung bei der Auswahl des Auftragnehmers zu. Die Leistungsbeschreibung wird obligatorisch Vertragsbestandteil bei der Auftragserteilung und bildet den Maßstab für die Überprüfung der übertragenen Dienstleistung.

Auf Bundesebene wird derzeit eine Initiative vorbereitet, durch die die Regelungen für das gewerbliche Bewachungsrecht überarbeitet werden. Dabei sollen insbesondere die datenschutzrechtlichen Garantien für Betroffene und die Grundlagen für die Qualifikation von Unternehmern und Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe verbessert werden.

Zur Unterstützung dieses Vorhabens haben die Innenminister der Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und der Präses der Behörde für Inneres der Freien und Hansestadt Hamburg mit den Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei am 1. Februar 2000 ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in dem als wesentliche Eckpunkte genannt werden:

­ Eine Klarstellung der Beschränkung des privaten Sicherheitsgewerbes auf die Wahrnehmung der Jedermannrechte und die Inanspruchnahme der Not- und Selbsthilferechte für den Auftraggeber nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,

­ eine Erweiterung der Basisqualifikation für Firmeninhaber und insbesondere für Beschäftigte in allgemein zugänglichen Bereichen mit direktem Bürgerkontakt eine spezifische, gesetzlich vorgeschriebene Qualifikationserweiterung sowie die Zuverlässigkeitsüberwachung der im privaten Sicherheitsgewerbe tätigen Personen durch den Staat,

­ eine Forderung nach einem äußeren Erscheinungsbild entsprechend dem zivilen Charakter der Tätigkeit des privaten Sicherheitsgewerbes,

­ Schaffen klarer Regelungen für das Erheben, Verarbeiten, Nutzen und Löschen von im Zusammenhang mit privaten Sicherheitsbelangen erhobenen Daten, wobei insbesondere für den Einsatz besonderer Mittel oder Techniken für verdeckte Maßnahmen strenge Voraussetzungen und Unterrichtungspflichten gegenüber den Betroffenen zu schaffen sind,

­ eine Untersagung heimlicher Videoüberwachung in allgemein zugänglichen Hausrechtsbereichen durch private Sicherheitsbedienstete und eine Unterlassung von Videoüberwachung durch private Sicherheitsbedienstete in öffentlichen Räumen,

­ die Voraussetzungen für das Überlassen und Tragen von Schusswaffen sind so auszugestalten, dass gewährleistet ist, dass nur zuverlässige und qualifizierte Personen damit ausgestattet werden.

Der Bundesminister des Innern hat mitgeteilt, dass die in diesem Papier enthaltenen Überlegungen in wesentlichen Punkten mit den Überlegungen des Bundesministerium des Innern übereinstimmen.