Geruchsbelästigung

Der Umweltausschuß hat sich in seiner Sitzung am 5. Dezember 2000 einstimmig dafür ausgesprochen, das Thema „Geruchsbelästigung in Hamm, Horn und Billstedt" im Rahmen der Selbstbefassung gemäß § 53 Absatz 2 Geschäftsordnung zu beraten.

II. Beratungsinhalt:

Die Senatsvertreter/innen schilderten eingangs in einem zusammenhängenden Bericht, wie sich aus Sicht der Umweltbehörde die Lage an den Immissionsstellen darstelle. Insbesondere gingen sie auf mögliche Ursachen bei denkbaren Emittenten ein und beschrieben bisher durchgeführte Abhilfemaßnahmen. Geruchswahrnehmungen und die Ursachenuntersuchungen seien ein sehr komplexes Gebiet. Startpunkt für die Umweltbehörde hinsichtlich der Luftuntersuchungen seien Beschwerdefälle über eine kunststoffverarbeitende Firma (Firma ALBIS, in der Nähe der Billerhuder Insel gelegen) gewesen, verbunden mit der Besorgnis einer Gesundheitsbeeinträchtigung. Die Umweltbehörde sei im Auftrag des Bezirksamtes dort tätig geworden und habe Untersuchungen mittels Passiv-Sammler durchgeführt. Diese Untersuchungen sollten überprüfen, wie die Luftbelastungen bezüglich organischer Schadstoffe zu bewerten seien und ob Anlässe für eine Gesundheitsgefährdung vorlägen. Nach Aussagen der Senatsvertreter/innen sei nicht geplant gewesen, Leitstoffe für eine Geruchsbelästigung durch diese Firma ausfindig zu machen. Allerdings sei der Umweltbehörde bekannt, dass ein Hauptbestandteil des Abgases aus der Verbindung Äthylbenzol bestehe.

Die Senatsvertreter/innen führten weiter aus, dass die Untersuchungen im Juli 2000 begonnen hätten und zum Berichtszeitpunkt noch andauern würden. Im August 2000 sei die Beschwerde aus der Horner Washingtonallee hinzugekommen. Dort seien gleichartige Untersuchungen durchgeführt worden.

Zusätzlich sei dem Beschwerdeführer die Durchführung einer gesonderten Probenahme angeboten worden, die eine spezielle Analyse der Luftverunreinigung erlaube. Zu dieser Untersuchung sei es nicht gekommen, da der Beschwerdeführer sein Einverständnis zurückgezogen habe. Gleichwohl seien im Umfeld der Firma ALBIS zum Zeitpunkt eines starken Geruchsereignisses auf der Billerhuder Insel solche Proben gezogen worden. Das Fazit der Passiv-Sammler-Messungen ergab, dass die üblichen typischen Spurenbestandteile wie Benzol, Äthylbenzol usw. vorhanden seien, jedoch in ­ für einen Ballungsraum wie Hamburg ­ typischen Konzentrationen. Somit könnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Eine Gesundheitsgefährdung, die über eine Geruchsbelästigung hinausgehe, sei ausgeschlossen. Die Untersuchungen führten zu keiner Aufklärung der Ursachen von einzelnen Gerüchen, auch könnten die Verursacher von verschiedenen Geruchsbelästigungen nicht geortet werden. Die Senatsvertreter/innen betonten, dass die Geruchsbelästigungsanalyse eine wissenschaftlich komplexe und zum Teil noch ungelöste Aufgabenstellung enthielte und die augenblickliche Passiv-SammlerAuswertung in keinem Verhältnis zu der individuellen Wahrnehmung des menschlichen Geruchsorgans stehe. Zur Demonstration legten die Senatsvertreter/innen Kartenmaterial vor. Anhand dieser Karten habe die Umweltbehörde versucht, die über einen längeren Zeitraum beim Bezirksamt Hamburg-Mitte eingegangenen Geruchsmeldungen bestimmten Windrichtungen zuzuordnen, um den Emittenten zu Bericht des Umweltausschusses über das Thema Geruchsbelästigung in Hamm, Horn und Billstedt (Selbstbefassungsangelegenheit gemäß §53 Absatz 2 Geschäftsordnung) Vorsitzende: Renate Vogel Schriftführer: Hartmut Engels ermitteln. Eine Ursache-Wirkungs-Kette könne auch hierüber nicht abgeleitet werden. Zu dem Empfinden der unterschiedlichsten Gerüche einzelner Beschwerdeführer, z. B. nach verbranntem Gummi, Kunststoff, Chemiegeruch, Röstkaffeegeruch usw., erbrachte auch eine Windrichtungsanalyse und Häufungsverteilung auf Stadtteilkarten keine konkreten Verursacherergebnisse.

Die Senatsvertreter/innen fuhren fort, dass das in Rede stehende Gebiet Hamm, Horn, Billstedt ein im Süden gelegenes flaches Marschgelände sei. Dort säßen die Emittenten, von denen angenommen werde, dass sie je nach Wind- und Wetterlage gemeinsam oder einzeln für die Gerüche verantwortlich seien. Die Gerüche würden verstärkt in Richtung Geesthang wahrgenommen. Auch in Altona und Ottensen gebe es diese Geruchsbelästigungen konzentriert am Geesthang. In den Jahren 1999 und 2000 seien insgesamt 200 Geruchsbeschwerden aufgelaufen. Dabei ließ sich bei der Auswertung des Kartenmaterials wiederum kein signifikanter Zusammenhang zwischen potentiellen Emittenten, Windrichtungen und Wahrnehmungen der Beschwerdeführer nachweisen.

Weiterhin sei versucht worden, die verschiedenen Geruchstypen den einzelnen Branchen zuzuordnen.

Für den brenzligen Geruch nach Gummi gab es Anzeichen für den Betrieb ALBIS in Mühlenhagen, dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass Mühlenhagen von den Hauptbeschwerdeführern bis zu 4 km entfernt liege. Die Fokussierung auf die Firma ALBIS habe zu der Überlegung geführt, eine Temperaturnachverbrennungsanlage installieren zu lassen. Dieses bedürfe jedoch noch einer wissenschaftlichen und rechtlichen Überprüfung, inwieweit diese Anlage von dem Betrieb gefordert werden könne. Obwohl der Betrieb Perkoplastic in Horn bereits über eine Temperaturnachverbrennungsanlage verfüge, ergäben sich bisher auch hier in bezug auf die Geruchsbelästigungen keine signifikanten Zusammenhänge. Ein anderer Geruchstyp (Kartoffel-, Erbsensuppe) sei klar der Firma National Starch am Grünen Deich zugeordnet worden. Ein Defekt in einer Schornsteinfilterung sei dafür verantwortlich gewesen, dass dieser Betrieb zudem Probleme mit dem Ausstoß modifizierter Stärke hatte. In diesem Fall hätten entsprechende Maßnahmen bereits für Abhilfe gesorgt. Die Geruchsbelästigungen seien auf verdampfendes Quellwasser aus der Maisverarbeitung zurückzuführen. Dies stelle zwar keine Gesundheitsgefährdung dar, aber durch den Einbau zusätzlicher Filteraggregate bis zum Frühjahr 2001 solle die Geruchsbelästigung behoben werden.

Bei den Kaffeegeruchsbelästigungen läge es nahe, informierten die Senatsvertreter/innen ferner, Betriebe wie Tchibo und Darboven zu überprüfen. Hier befänden sich die Emissionen aber im Toleranzbereich, so dass diese momentan behördlich nicht angegangen werden könnten. Auch die Gummigeruchsbelästigungen, wie etwa durch die Firma Phoenix verursacht, müßten als tolerabel deklariert werden, da kein zumutbares Filtersystem diese Geruchsbelästigung beseitigen könne, alternativ käme nur die Stillegung des Betriebes in Betracht.

Auf Nachfrage der GAL-Abgeordneten teilten die Senatsvertreter/innen mit, dass die kanzerogene Styrolbelastung für die betreffenden Gebiete ausgeschlossen werden könne, da der vom Länderausschuß für Immissionsschutz festgelegte Grenzwert nicht erreicht würde. Die genaueren Werte könnten zu Protokoll gegeben werden.

Die Senatsvertreter/innen unterstrichen, dass seit vier Jahren in der Rufbereitschaft der Umweltbehörde Geruchsbeschwerden aufliefen, als weitere Anlaufstellen würden das Umwelttelefon oder die entsprechenden Stellen in den Bezirksämtern zur Verfügung stehen. Auch in anderen Stadtteilen käme es immer wieder zu gehäuften Beschwerden über Geruchsbelästigungen. Es gebe bestimmte Schwerpunktgebiete (Harburg ­ Phoenix, Deutsche Hefewerke ­ Wandsbek, Eidelstedt ­ Müllverbrennungsanlage oder Kemna-Bau). Das Gebiet um Hamm, Horn und Billstedt würde nur schwach überwiegen vor anderen Regionen mit Geruchsbelästigungen, sei aber durch die Berichterstattung über das „Gelbe T-Shirt" verstärkt im öffentlichen Interesse.

Die SPD-Abgeordneten wollten wissen, ob die im Zusammenhang mit dem „Gelben T-Shirt" durchgeführten Untersuchungen die möglichen Schadstoffbestandteile in der Luft auch im fraglichen T-Shirt nachgewiesen hätten. Dazu führten die Senatsvertreter/innen aus, dass hier u.U. ein Mißverständnis vorläge. Nach Inaugenscheinnahme des T-Shirts sei festgestellt worden, dass kein Verfahren Aufschluß über einen Zusammenhang zwischen Textilverfärbung und Geruchsbelästigung brächte. Eine solche Analyse sei wissenschaftlich nicht durchführbar, statt dessen sollen Luftproben bei auftretenden Geruchsbelästigungen analysiert werden.

Die SPD-Abgeordneten fragten nach einer detaillierteren kartographischen Auswertung der Zusammenhänge zwischen den Beschwerden, Belästigungen, Windrichtungen und Schadstoffanalysen.

Dazu erklärten die Senatsvertreter/innen, dass ansatzweise wetterlagenabhängig und lagespezifisch (Auftreffpunkt Geesthang) Häufungen nachweisbar seien. Außerdem seien Häufungen im Bereich chemischer, brenzliger, gummiartiger Geruch sowie der Geruch nach verbranntem Kunststoff zu verzeichnen.

Die GAL-Abgeordneten erbaten eine Stellungnahme zu den in der Öffentlichkeit verbreiteten Krankheitsreaktionen auf die Schadstoffbelästigungen (Asthmaschmerz, Schwindel, Kopfschmerz usw.) und wiesen darauf hin, dass sogar von Anzeigen wegen Körperverletzung gesprochen werde.

Die Senatsvertreter/innen berichteten, dass die behördenseitig durchgeführten Luftuntersuchungen keine konkreten Zusammenhänge nachgewiesen hätten, dies könne zumindest für den untersuchten Teil der Luft im Umfeld der Beschwerdeführer festgestellt werden.

Die CDU-Abgeordneten wünschten zu den kartographierten Häufungen und zu möglichen zeitlichen Beschwerdeschwerpunkten genauere Informationen.

Die Senatsvertreter/innen erklärten dazu, dass die jeweils in Frage kommenden Emittenten höchstens durch Augenschein (Blick vom Geesthang) geortet würden, und daraufhin werde bei dem betreffenden Betrieb nachgeforscht. Weitere Schlußfolgerungen seien derzeit aber wissenschaftlich nicht gesichert. Zeitliche Schwerpunkte der Beschwerdeführer seien ebensowenig abgesichert ermittelt worden, da die Varianz der Beschwerdemeldungen keiner interpretierbaren Struktur unterläge.

Auf die Frage der SPD-Abgeordneten, ob individuelle Geruchsbelästigungen durch persönliche Wahrnehmungen verifizierbar und ursächlich zuzuweisen seien, führten die Senatsvertreter/innen aus, daß die Wahrnehmungen geteilt würden, die Ursächlichkeit aber nach wie vor in Frage stünde. Das läge zudem auch daran, dass die Geruchsfahnen „mäanderten". Durch die Sammlung von Geruchserscheinungen über einen längeren Zeitraum hinweg werde ein Mittelwert errechnet, der aber den „Peak"-Wahrnehmungen von Extrembelastungen absolut nicht entsprechen könne.

Die CDU-Abgeordneten fragten nach computerisierbaren Geruchsprofilen, einer Technik mit fünfjähriger Erfahrung, die eventuell bei der Verursacherforschung angewandt werden könne.

Dazu trugen die Senatsvertreter/innen vor, dass außer der menschlichen Nase in verschiedenen Sensibilisierungsausprägungen immer noch kein verläßlicher Detektor zur Verfügung stünde. Eine Strategie der Belästigungsbekämpfung, bei Fällen unterhalb der Gesundheitsgefährdungsschwelle, bliebe deswegen weiterhin die Prävention bei potentiellen Emittenten. Die Rufbereitschaft der Umweltbehörde werde zudem allen Bürgerbeschwerden und Geruchsbelästigungsmeldungen unverzüglich nachgehen, um Verursachern direkt auf die Spur zu kommen.

III. Ausschußempfehlung

Der Umweltausschuß empfiehlt der Bürgerschaft, von seiner Beratung und dem vorstehenden Bericht Kenntnis zu nehmen.