Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und zur Organisation von Vertretungsunterricht

Es ist ein wichtiges bildungspolitisches Ziel, den in den Stundentafeln vorgesehenen Unterricht auch tatsächlich zu erteilen und „Unterrichtsausfall" zu vermeiden. Dabei ist nicht jede nicht erteilte Unterrichtsstunde bereits als „Unterrichtsausfall" zu qualifizieren. Dies gilt z. B. für Stunden, die deswegen entfallen, weil alle Schülerinnen und Schüler bzw. alle Lehrerinnen und Lehrer an schulischen Veranstaltungen wie Projekttagen, Sportfesten, pädagogischen Jahreskonferenzen oder Elternsprechtagen teilnehmen, die von den zuständigen schulischen Gremien beschlossen worden sind. Derartige Veranstaltungen sind integraler Bestandteil des Schullebens. Gleichwohl bleibt es auch insoweit Ziel, diese Veranstaltungen möglichst so zu organisieren, dass Überschneidungen mit dem „normalen" Unterricht vermieden werden. Bei der Bewertung der Situation ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Unterrichtsausfall im Jahresverlauf erheblichen Schwankungen unterliegt und sich auch in den einzelnen Schulen sehr unterschiedlich darstellt.

Im Blickpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen verständlicherweise jene Fälle, in denen (aus unterschiedlichen Gründen) eine Häufung von Ausfällen zu verzeichnen ist. Die der Vermeidung von Unterrichtsausfall dienenden Instrumente müssen vor allem auch eine wirksame Reaktion auf diese Situationen ermöglichen. Dies heißt zugleich, dass der entscheidende Ansatz für die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls auf der Ebene der einzelnen Schule liegt. Sie muss über die dafür erforderlichen Mittel verfügen und bereit und in der Lage sein, sie flexibel und situationsangemessen einzusetzen. Zentrale Lösungen sind hier angesichts der Vielfalt unvorhergesehener und häufig sehr spezifischer Situationen erfahrungsgemäß nur sehr bedingt geeignet.

Zu den selbstverständlichen Aufgaben der Schulaufsicht gehört es, sich um Probleme im Zusammenhang mit Unterrichtsausfall in den einzelnen Schulen zu kümmern, die Schulen bei der Anwendung der bestehenden Regularien zu beraten und zu unterstützen und ­ falls erforderlich

­ zu intervenieren. Die Schulverwaltung hat die zur Vermeidung von Unterrichtsausfall erforderlichen Mittel und Instrumente zur Verfügung zu stellen.

Nachfolgend wird im Abschnitt 2 (Ausgangssituation) zunächst über die wesentlichen Inhalte der seit 1999 in Kraft befindlichen „Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und zur Organisation von Vertretungsunterricht"1) (im Weiteren Vertretungsrichtlinie) und das vorhandene Volumen an Vertreterstellen berichtet. Abschnitt 3 (Grundlagen der Berichterstattung) legt dar, auf welchen Grundlagen die Berichterstattung dieser Ersuchensantwort beruht, nämlich auf einer im April 1999 durchgeführten Voruntersuchung und einer nach den Erfahrungen mit dieser Voruntersuchung Ende 1999 / Anfang 2000 durchgeführten Hauptuntersuchung zum Unterrichtsausfall und zum Vertretungsunterricht. Die wesentlichen Ergebnisse beider Untersuchungen finden sich in den Abschnitten 4 und 5. Abschnitt 6 fasst die Ergebnisse der letztgenannten Erhebung für Hamburg zusammen.

In Abschnitt 7 wird über die Ergebnisse einer Stichprobenerhebung berichtet, die parallel zur letztgenannten Untersuchung durchgeführt wurde und die näheren Aufschluss über die Gründe für nicht erteilte Unterrichtsstunden sowie über die verschiedenen Formen des Vertretungsunterrichts gibt. Abschnitt 8 fasst die Problemsicht von Schulleitungen zusammen, die in einer ergänzenden Stichprobenerhebung in Interviewform ermittelt wurde.

Abschnitt 9 vergleicht die Ergebnisse der Hamburger Untersuchung mit denen anderer Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Abschnitt 10 (Weiteres Vorgehen) stellt schließlich dar, welche Maßnahmen die zuständige Behörde ergreifen wird, um auf der Basis der durch die Untersuchungen gewonnen Erkenntnisse den Unterrichtsausfall weiter zu verringern.

2 Ausgangssituation

Vertretungsrichtlinie

Die Deputation der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung hat in ihrer Sitzung am 9. Dezember 1998 die „Richtlinie zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und zur Organisation von Vertretungsunterricht" (Vertretungsrichtlinie, siehe Anlage) beschlossen. Die Richtlinie definiert den Rahmen, innerhalb dessen die Schulen Konzepte zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und zur Gestaltung von Vertretungsunterricht eigenverantwortlich festlegen. Zugleich werden die Schulen verpflichtet, die schulischen Gremien über die Konzepte für Vertretungsregelungen und über den Umfang des Unterrichtsausfalls zu informieren.

Neben den Verantwortlichkeiten und der Dokumentationspflicht legt die Vertretungsrichtlinie die Grundsätze und die Anforderungen an den Vertretungsunterricht und die Vertretungspflicht der Lehrkräfte fest und definiert in einer Anlage die Instrumente für die Organisation.

Danach sind Unterricht nach Plan und außerplanmäßige schulische Unternehmungen in einer Jahresplanung festzulegen, um organisatorisch bedingten Unterrichtsausfall zu vermeiden. Bei der Organisation von Vertretungsunterricht hat die Erteilung der Schülergrundstunden Vorrang.

Außerdem soll der Vertretungsunterricht so gestaltet werden, dass er für die Schülerinnen und Schüler effektiv genutzte Lernzeit ist.

Die Schulen müssen festlegen, mit Hilfe welcher Maßnahmen sie Unterrichtsausfall begegnen. Dazu zählen insbesondere der Verzicht auf Doppeltbesetzung bzw. Teilung, die Einrichtung einer Vertretungsbereitschaft, die Bildung von Lehrerstundenkonten oder die Zusammenarbeit mit benachbarten Schulen. Neu geschaffen wurde die Möglichkeit, einen Teil der Stundenzuweisungen in Honorarmittel für Vertretungskräfte umzuwandeln. Mit Hilfe eines Lehrerstundenkontos soll eine gleichmäßige Belastung aller Lehrkräfte sichergestellt werden können, alternativ können die Schulen auch andere Möglichkeiten festlegen.

Die Anordnung von Mehrarbeit kommt grundsätzlich erst in Betracht, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.

1) Mitteilungsblatt der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, Jahrgang 44, Januar 1999, Nummer 1.

Fällt eine Lehrkraft bis zu vier Wochen aus, ist die Schule für die Vertretungsmaßnahmen verantwortlich, bei längeren Fehlzeiten muss die zuständige Behörde die Vertretung bereitstellen.

Den Schulen zugewiesene Vertretungsmittel

Zur Vermeidung von Unterrichtsausfall durch Erkrankung von Lehrkräften sind im Lehrerstellenplan insgesamt 491 Vertreterstellen bereit gestellt.

289 der insgesamt 491 Vertreterstellen werden den Schulen nach Bedarf zum Ersatz langfristig erkrankter Lehrkräfte für die Erteilung planmäßigen Unterrichts zugewiesen.

82 Stellen stehen den Personalreferentinnen und -referenten als Zuweisungsreserve für mittelfristige Vertretungsbedarfe ab einem Ausfall von vier Wochen zur Verfügung (sogenannte Raabmittel). 100 Stellen sind schließlich den VHGS zugewiesen. 20 Stellen stehen für kurzfristigen Unterrichtsausfall in Sonderschulen zur Verfügung.

3 Grundlagen der Berichterstattung:

(1) Voruntersuchung

Im April 1999 diente eine erste Erhebung über den Unterrichtsausfall an Hamburgs Schulen bzw. den Umfang des Vertretungsunterrichts vorrangig dazu, die Handhabbarkeit der Untersuchungsinstrumente zu erproben. Festgestellte Mängel des Erhebungsfragebogens sollten bei der Folgeerhebung behoben und das Instrumentarium der Abfrage ggf. verfeinert werden.

(2) Hauptuntersuchung

In der Zeit vom 1. November 1999 bis zum 14. Januar 2000 führte die zuständige Behörde an den allgemeinbildenden Schulen die Hauptuntersuchung zum Vertretungsunterricht und zum Unterrichtsausfall durch. Parallel zur Erhebung in den allgemeinbildenden Schulen, und zwar im Zeitraum vom 1. November 1999 bis zum 31. Januar 2000, wurden der Unterrichtsausfall sowie der geleistete Vertretungsunterricht an den beruflichen Schulen erhoben (Teil der Hauptuntersuchung).

Schließlich wurden der Unterrichtsausfall und der Vertretungsunterricht für die Verlässliche Halbtagsgrundschule (VHGS) im Vergleichszeitraum auf der Grundlage der regelmäßigen Berichte der Schulen ermittelt.

(3) Vertiefende Stichprobenerhebung

Bei knapp 25 Prozent der allgemeinbildenden Schulen mit Sekundarstufe (48 Schulen ­ im Weiteren „Stichprobenuntersuchung") wurden darüber hinaus qualitative Merkmale von Unterrichtsausfall und Vertretungspraxis durch Anwendung eines Kategoriensystems differenzierter erhoben.

(4) Ergänzende Befragung

Die Innenrevision der zuständigen Behörde begleitete die Erhebung zum Unterrichtsausfall anhand einer Zufallsstichprobe in der Zeit vom 15. Dezember 1999 bis zum 10. Februar 2000 und befragte die Schulleitungen an 22 Schulen zu ihren Erfahrungen im Umgang mit der Vertretungsrichtlinie.

Im Folgenden wird über die unterschiedlichen Erhebungen berichtet.

4 Ergebnisse der Voruntersuchung im April 1999

Diese erste Erhebung war als Erprobung eines Dokumentationsverfahrens konzipiert. Auf einem Erhebungsbogen erfassten die Schulen zunächst die Unterrichtsstunden, die ausgefallen waren und nicht vertreten wurden. Sie dokumentierten darüber hinaus die Gründe für den Unterrichtsausfall (differenziert nach den drei Kategorien „Krankheit", „schulorganisatorische Gründe" sowie „persönliche und sonstige Gründe"). Im Weiteren erfassten die Schulen die Unterrichtsstunden, die vertreten wurden, sowie die Art der Vertretung (fachgleicher Unterricht, nicht fachgleicher Unterricht, Arbeitsaufträge). Die zuständige Behörde hat am 25. Juni 1999 das Ergebnis des Probelaufs der Erhebung von Unterrichtsausfall in allgemeinbildenden Schulen vom April veröffentlicht. Zusammengefasst ergab sich folgendes Bild: