Abschiebe-Flüchtling als Geiselgangster

Die Sicherheit der Menschen in Hamburg ist durch die Geiselnahme und die lebensgefährliche Körperverletzung einer unbeteiligten Person durch eine Handgranate einmal mehr in Frage gestellt. Nachdem die Identität des Täters durch Presseberichte in den Zeitungen öffentlich bekannt ist, frage ich den Senat.

Der Senat hat die Bürgerschaft mehrfach über die häufig schwierige ausländerbehördliche Aufgabe informiert, zur Vorbereitung der Rückführung ausreisepflichtiger, aber nach eigenen Angaben ausweisloser ausländischer Staatsangehöriger Heimreisedokumente zu beschaffen (vgl. unter anderem Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft betr. Darstellung der Abschiebungspraxis, Drucksache 16/4911). Zu den Staaten, für deren Staatsangehörige die Beschaffung von Heimreisedokumenten schwierig und in vielen Einzelfällen langwierig ist, zählen in erster Linie afrikanische Staaten, darunter auch Algerien. Die zentrale Ausländerbehörde hat deshalb seit Ende 1997 19 Sammelinterviewtermine mit Vertretern auswärtiger Staaten (davon 15 Termine mit Vertretern afrikanischer Staaten) organisiert, die in vielen Fällen zur Feststellung der Nationalität von Ausreisepflichtigen und zur Ausstellung von Heimreisedokumenten geführt haben. Die Reihenfolge der Anhörungen beruht auf Prioritätserwägungen. Wegen der relativ geringen Anzahl ausreisepflichtiger Algerier wurde ein Sammelinterviewtermin mit Vertretern der algerischen Botschaft am 6. und 7. November 2000 durchgeführt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Welchen aufenthaltsrechtlichen Status hat Samir Biga?

Bei dem nach eigenen Angaben algerischen Staatsangehörigen Samir B. handelt es sich um einen abgelehnten Asylbewerber, der seit dem 21. September 1996 vollziehbar ausreisepflichtig ist und sich seit dem 25. Oktober 2000 ohne Duldung im Bundesgebiet aufhält.

2. Seit wann ist Samir Biga per Haftbefehl zur Abschiebung ausgeschrieben?

Samir B. wurde von der Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamtes am 27. Dezember 2000 zur Festnahme ausgeschrieben.

3. Weshalb wurde er nicht, nachdem er wegen gefälschter Papiere seine Strafe in einer Hamburger Justizvollzugsanstalt absaß, direkt aus der Haft in sein Heimatland abgeschoben?

Samir B. wurde nicht direkt aus der Haft abgeschoben, weil es auch während der Haftzeit nicht gelungen ist, das erforderliche Paßersatzpapier für ihn zu erhalten.

4. Welche weiteren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten hat Samir Biga seit seiner Ankunft 1996 begangen, und wegen welcher Taten ermittelt die Polizei noch gegen ihn?

Samir B. befand sich in Strafhaft, weil eine Freiheitsstrafe wegen Urkundenfälschung, illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt sowie eine weitere Freiheitsstrafe wegen Urkundenfälschung, Betrug zum Nachteil von Sozialleistungsträgern und Körperverletzung vollstreckt wurden. Darüber hinaus wurde er wegen vier Leistungserschleichungen verurteilt.

In sechs Fällen wurden durch Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet, darunter wegen versuchten mehrfachen Totschlages. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Der Senat sieht davon ab, sich zu laufenden Verfahren zu äußern.

Durch die Ausländerabteilung des Einwohner-Zentralamtes wurde ferner eine Ordnungswidrigkeit nach dem Ausländergesetz festgestellt. Ob noch weitere Ordnungswidrigkeiten von dem Betroffenen begangen wurden, lässt sich in der Kürze der für die Beantwortung der Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit bei allen in Betracht kommenden Ordnungsbehörden nicht ermitteln.

5. Nach Presseberichten ist Biga seit März 2000 untergetaucht, um nicht abgeschoben zu werden. Unter welcher Adresse und weshalb wurde er im Oktober 2000 in die Ausländerbehörde vorgeladen?

Am 31. Oktober 2000 suchte Samir B. die Ausländerbehörde von sich aus zwecks Verlängerung der Gültigkeitsdauer seiner Duldung auf. Da er zu diesem Zweck auch bisher immer erschienen war, hatte die Ausländerbehörde für diese Vorsprache die Aushändigung einer Verfügung vorbereitet, mit der er aufgefordert werden sollte, am 6. November 2000 zu einem Sammelinterview vor Vertretern der algerischen Auslandsvertretung zu erscheinen. Diese Verfügung konnte ihm jedoch nicht ausgehändigt werden, da er die Ausländerbehörde vorher und ohne die weitere Bearbeitung seiner Duldung abzuwarten verließ. Seitdem hält sich Herr B. illegal in Hamburg auf. Der Versuch, ihm die Aufforderung zum persönlichen Erscheinen zum Sammelinterview per Post unter seiner Meldeanschrift ­ unter der er auch ausländerbehördlich registriert war ­ zuzustellen, schlug fehl, da diese Sendung als unzustellbar zurückkam.

6. Wann hätte nach ausländerrechtlichen Gesichtspunkten Samir Biga erstmals abgeschoben werden können, und weshalb kam es nicht zu der Abschiebung?

Eine Abschiebung war und ist wegen des Fehlens des hierfür erforderlichen Paßersatzpapieres nicht möglich, so dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Abschiebung nach Abschluß des Asylverfahrens bislang nicht gegeben waren, vgl. auch Vorbemerkung.

7. Hätte nach Auffassung des Senats die Tat von dieser Woche verhindert werden können, wenn man die erste gebotene Möglichkeit einer Abschiebung von seiten der Behörden wahrgenommen hätte? Wenn ja, welche Konsequenzen werden aus diesem Vorfall für die Praxis bei vollziehbar Abzuschiebenden in Zukunft gezogen?

Entfällt, siehe Antwort zu 6.