Folgende Diversionsrichtlinien liegen der zuständigen Behörde vor Schleswig Holstein Gem

I. 8. a) Wie sehen die in anderen Bundesländern existierenden Diversionskonzepte aus?

Der Senat verweist vorab auf die Beantwortung der Großen Anfrage (Drucksache 14/1186). 1988 haben die Justizministerinnen und -minister sowie die Jugendministerinnen und -minister in einer gemeinsamen Entschließung die bundesweite Umsetzung des Diversionskonzeptes des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. Dezember 1985 (Drucksache 11/5530) empfohlen. Das hamburgische Diversionskonzept diente insofern den meisten anderen Bundesländern als Modell eigener Diversionsrichtlinien. Mit Ausnahme des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz sowie des Hessischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten haben alle Landesjustizverwaltungen Diversionsrichtlinien erlassen. Diesen Diversionsrichtlinien ist gemein (Ausnahme: Rheinland-Pfalz), dass ihr Anwendungsbereich durch bestimmte tat- und täterbezogene Voraussetzungen sowie durch einen nicht abschließenden Katalog einstellungsgeeigneter Delikte umschrieben wird.

8. b) Inwieweit gibt es Unterschiede zu dem Hamburger Diversionskonzept?

Die Diversionskonzepte der Bundesländer unterscheiden sich im wesentlichen in folgenden Punkten:

­ Geständigkeit des Täters

Die Bundesländer unterscheiden zwischen

[a] dem glaubhaften Geständnis,

(b) dem nicht ernstlichen Bestreiten,

(c) der Annahme, dass ein Geständnis abgelegt werden wird,

(d) der Annahme, dass der Schuldnachweis auf andere Weise geführt werden kann und der Beschuldigte nicht widerspricht. Juni 1992 gibt für den Anwendungsbereich des § 45 Absatz 1 JGG einen Deliktskatalog vor, der niederschwellige Tatbestände allgemeiner Strafsachen, Verkehrsstrafsachen und strafrechtlicher Nebengesetze bezeichnet. Dieser Deliktskatalog, der auch im Rahmen des Absehens von der Verfolgung gemäß § 45 Absatz 2 und 3 JGG herangezogen wird, ist für den Regelfall anzuwenden, schließt jedoch eine abweichende Verfahrensweise und Entscheidung in besonders gelagerten Fällen nicht aus.

Die Diversionsrichtlinien der anderen Bundesländer enthalten bis auf Rheinland-Pfalz ebenfalls Kataloge von Tatbeständen (überwiegend mit dem Zusatz „nicht abschließend"), die sich ­ aufgeschlüsselt nach Tatbeständen des Strafgesetzbuches, Verkehrsstrafsachen und strafrechtlicher Nebengesetze ­ nicht wesentlich von der Hamburgs unterscheiden.

Unterschiede ergeben sich bei der Einbindung von leichten Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Während Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und das Saarland in Fällen des Erwerbs oder des Besitzes kleiner Mengen an Betäubungsmitteln Diversionsvorschriften zur Anwendung bringen, ist eine derartige Praxis aus den Richtlinien der Länder Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Baden-Württemberg, Sachsen und Berlin nicht ableitbar.

Hamburg hat für eine Anwendung von Diversionsvorschriften als Schadensobergrenze bei den Delikten des Diebstahls, der Unterschlagung und des Betruges einen Wert von 100 DM festgesetzt.

Dem sind Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen und Berlin gefolgt. Sachsen verweist hier auf eine Wertobergrenze von nicht über 30 DM, während sich die übrigen Bundesländer auf die Grenze der Geringfügigkeit des § 248a StGB (kein einheitlicher Wert) festgelegt haben.

­ Differenzierung zwischen Erst-, Zweit- und Mehrfachtätern

Die Diversionsrichtlinien finden in den Bundesländern regelmäßig bei Ersttätern Anwendung.

Bei Zweittätern wird nach Diversionsvorschriften von der Verfolgung abgesehen,

[a] soweit es sich in beiden Verfahren um Einzeltaten handelt oder

(b) wenn dies aufgrund der Umstände des Einzelfalles angezeigt erscheint, insbesondere der Zeitabstand zwischen zwei begangenen Delikten erheblich ist oder diese im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter oder die Art der Tatbegehung nicht vergleichbar sind,

(c) wenn eine Abweichung bezüglich des verletzten Rechtsgutes vorliegt und die Tat nicht schwerer als die Ersttat wiegt oder

(d) wenn die weitere Straftat episodenhaften Charakter zeigt.

Bei Mehrfachtätern kann in einigen Bundesländern nach Diversionsvorschriften von der Verfolgung abgesehen werden, (e) wenn die Taten nicht vergleichbar sind und in einem zeitlichen Abstand voneinander verübt werden, (f) wenn dies aufgrund der Umstände des Einzelfalles angezeigt erscheint, insbesondere der Zeitabstand zwischen zwei begangenen Delikten erheblich ist oder diese im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter oder die Art der Tatbegehung nicht vergleichbar sind, oder (g) wenn die weiteren Straftaten episodenhaften Charakter zeigen oder (h) wenn dies im Hinblick auf andere erzieherische Maßnahmen geboten erscheint. 8. c) Inwieweit gibt es in Hamburg Überlegungen, das bestehende Diversionskonzept von 1985 zu überarbeiten?

Das Diversionskonzept des Senats vom 17. Dezember 1985 (Drucksache 11/5530) wird in der justitiellen Praxis durch entsprechende Rundverfügungen des Leitenden Oberstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg ausgestaltet. Dies ist zuletzt durch Rundverfügung vom 25. Juni 1992 geschehen. Das Diversionskonzept „Menschen statt Mauern" soll im Grundsatz beibehal5 ten, aber auf seine Wirksamkeit hin überprüft werden. Dabei soll die Diversionsrichtlinie im Hinblick auf ihre Differenzierung zwischen Gewalt- und Eigentumsdelikten hinterfragt werden.

Das genannte Diversionskonzept hat sich dem Grunde nach bewährt. Auch das dem Diversionskonzept zugrundeliegende Axiom der Notwendigkeit eines breitgefächerten ambulanten Sanktionsangebots an Stelle freiheitsentziehender Maßnahmen steht nicht in Frage, sondern allein dessen Ausgestaltung und Effizienz. Soweit im Zuge des Ersuchens der Bürgerschaft über die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Erarbeitung von Strategien gegen die anwachsende Jugendkriminalität (Drucksachen 16/20 und 16/38) ein weitergehender Bedarf festgestellt wird, ist über erforderliche Maßnahmen zu entscheiden.

I. 9. 1996 wurden in Hamburg 6,9 Prozent der Strafverfahren gegen Jugendliche ohne Auflagen beendet. Damit führte Hamburg im Bundesländervergleich und lag weit über dem Bundesdurchschnitt (3,8 Prozent). Welche Zahlen liegen für 1997 und das erste Quartal 1998 vor?

Siehe Vorbemerkung.

II. Lösungsmöglichkeiten 10. a) Ist in Hamburg sichergestellt, dass durch eine längerfristige Personalkonstanz die im Jugendstrafrecht notwendige Berufserfahrung befähigt und zur Sozialprognose bei den zuständigen Staatsanwälten gegeben ist?

Der notwendigen Personalkonstanz wird dadurch Rechnung getragen, dass Versetzungen von Jugendstaatsanwältinnen und -staatsanwälten möglichst gering gehalten werden. So hat es seit 1994 lediglich drei Versetzungen gegeben, die nicht durch besondere äußere Umstände (wie z. B. Pensionierungen, Erziehungsurlaub, Beförderung) veranlaßt worden sind.

10. b) Werden grundsätzlich Assessoren und Richter als Jugendrichter eingesetzt, die durch Neigung einschlägiger Aus- und Fortbildung und/oder durch entsprechende Berufserfahrungen qualifiziert sind?

Beim Bezirksjugendgericht werden Assessoren wegen der Notwendigkeit einer erzieherischen Befähigung und Erfahrung in der Jugenderziehung (§ 37 JGG) nicht eingesetzt. Die Jugendrichterinnen und -richter werden durch Aus- und Fortbildung in die Lage versetzt, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

10. c) Inwieweit ist die Auslagerung von Beratungsangeboten der Jugendgerichtshilfe an Orten, an denen sich Jugendliche üblicherweise aufhalten (z.B. Jugendfreizeitheime), sichergestellt, um auf diese Weise auf aktuelle Konflikte und Problemsituationen eingehen zu können?

Die Jugendgerichtshilfe wird ausschließlich im Rahmen des Strafverfahrens gegen Jugendliche und Heranwachsende tätig. Die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe ist gesetzlich vorgeschrieben und soll so früh wie möglich erfolgen. Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor dem Jugendgericht zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind (§ 38 JGG).

Alle Jugendgerichtshilfen der bezirklichen Jugendämter verfügen neben ihren Dienststellen über eigene Räumlichkeiten zur Durchführung von Betreuungsangeboten im Rahmen jugendrichterlicher Weisungen. Diese Betreuungsprojekte werden zum Teil in Kooperation mit freien Trägern betrieben.

Darüber hinaus werden zum Teil dezentrale Sprechstunden durchgeführt.

Bei Bedarf führen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe Fachberatung für Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und für die Straßensozialarbeit durch.

Dezentrale Angebote der Jugendgerichtshilfe im Bezirk Hamburg-Mitte:

­ Die Jugendgerichtshilfe führt in Kooperation mit dem Verein Rückenwind e.V. ein Betreuungsprojekt im Grevenweg durch. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags jeweils am Nachmittag bis in den frühen Abend. Alle Jugendgerichtshelferinnen und Jugendgerichtshelfer beteiligen sich an mindestens einem Nachmittag in der Woche an der Durchführung.

­ Die Jugendgerichtshilfe kooperiert darüber hinaus mit der Konfliktschlichtungsstelle des Vereins Rückenwind, die Täter-Opfer-Ausgleich durchführt.

­ Zusätzlich zu den Beratungen der Jugendgerichtshilfe-Fachkräfte finden spezielle Beratungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Träger statt (z.B. in Fragen der Schul- und Berufsbildung, der Drogenprävention, der Überschuldung). Dezentrale Angebote der Jugendgerichtshilfe im Bezirk Altona:

­ Die Jugendgerichtshilfe führt in Kooperation mit AMA e.V. ein Betreuungsprojekt am Barlskamp durch. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 13 Uhr bis in den frühen Abend.

­ Die Jugendgerichtshilfe führt im Rahmen richterlicher Weisungen Anti-Aggressions-Kurse durch.

Ein Kurs dauert ca. drei Monate.

­ In Kooperation mit dem Verein AMA wird ein Opferhilfeprojekt im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs durchgeführt.