Schwuler in Hamburg ermordet ­ Aufklärung durch Razzien und Speichelproben?

Am 7. Januar 2001 wurde der Engländer Timothy David Smart ermordet in Hamburg aufgefunden. Seitdem sucht die Polizei hauptsächlich und bisher vergebens in der Schwulenszene nach dem Täter oder der Täterin.

In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2001 führte die Polizei eine groß angelegte Razzia in der „Wunderbar" und in der „Mistery Hall" in der Talstraße durch. Die Personalien der männlichen Gäste wurden aufgenommen. Außerdem bat man sie um eine „freiwillige" Speichelprobe, um DNA-Vergleiche anstellen zu können.

Ich frage den Senat:

1. In wie vielen Fällen sind seit Inkrafttreten des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes und des neu eingeführten §819 StPO von der Hamburger Polizei in vergleichbarem Umfang „freiwillige" Speichelproben abverlangt worden? Um was für Fälle handelte es sich, und wie viele Personen waren davon betroffen?

Seit Inkrafttreten des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes und des neu eingeführten §81g Strafprozeßordnung wurden von der Polizei in Hamburg bisher in einem Fall Speichelproben auf freiwilliger Basis abgenommen.

Hierbei handelte es sich um eine zwischenzeitlich aufgeklärte Serie von Vergewaltigungstaten, bei der im Zeitraum von Dezember 1999 bis Oktober 2000 zwei Taten in Hamburg und fünf Taten im Großraum Hannover begangen worden waren. Im Rahmen der Überprüfung von ca. 800 Hinweisen auf Personen und Spuren durch das Landeskriminalamt (LKA) Hamburg waren 173 männliche Personen gebeten worden, auf freiwilliger Basis eine Speichelprobe abzugeben.

165 Personen gaben daraufhin eine freiwillige Speichelprobe ab. Acht Personen kamen der Bitte nicht nach. In diesen Fällen wurde aufgrund der Ermittlungsergebnisse nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft auf den Antrag eines richterlichen Beschlusses zur Körperzellenentnahme verzichtet (siehe auch Antwort zu 2.).

2. Was veranlaßt die Hamburger Polizei, wenn Personen einen Speicheltest nicht „freiwillig" abgeben? Welche Schlüsse glaubt sie daraus ziehen zu können?

In diesem Fall wird geprüft, ob sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen hinsichtlich der betreffenden Person die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß eines richterlichen Beschlusses zur Körperzellenentnahme und zur Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung der entnommenen Körperzellen ergeben.

Liegen die Voraussetzungen vor, regt die Polizei bei der Staatsanwaltschaft Hamburg an, einen Antrag auf Erlaß eines entsprechenden richterlichen Beschlusses zu stellen.

Im übrigen entspricht es der gängigen Praxis, die Wahrnehmung von zustehenden Rechten nicht negativ zu bewerten.

3. Die bisherigen Informationen deuten darauf hin, dass der Tote nicht Stammgast in der „Wunderbar" war und außerdem das Lokal in der Mordnacht allein verließ. Wie erklärt es sich dann, dass die „Wunderbar" in den Mittelpunkt der Tätersuche geriet?

4. Welche Anhaltspunkte gibt es, den Täter in der Schwulenszene zu suchen?

5. Gibt es Hinweise auf ein antischwules Motiv?

6. Nach uns vorliegenden Informationen werden schon seit Wochen Gäste der „Wunderbar" um „freiwillige" Speicheltests gebeten. Welche Anhaltspunkte rechtfertigen, Speicheltests und diese nur bei Männern bzw. nur bei schwulen Männern durchzuführen?

Die Ermittlungen der Polizei haben ergeben, dass das Opfer zuletzt im Lokal „Wunderbar" lebend gesehen worden war.

Im übrigen sieht der Senat mit Rücksicht auf die noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen von einer weiteren Stellungnahme ab.

7. In den Medien wurden zwei Überfälle auf schwule Männer in der Talstraße erwähnt. Die Daten variierten jedoch. Wann und wo geschahen diese Überfälle, und in welcher Weise wurden die Opfer geschädigt? Wird zwischen den Überfällen und dem Mord ein Zusammenhang vermutet? Wenn ja, welcher?

Am 6. Januar 2001, um 3 Uhr, wurde in Hamburg, Hein-Hoyer-Straße 36, ein siebenunddreißigjähriger Mann in seiner Wohnung beraubt. Der Geschädigte hatte den Täter zuvor in einem sogenannten GayKino in der Talstraße kennengelernt und später mit in seine Wohnung genommen. Der Täter bedrohte das Opfer bei der Tatausführung mit einem Messer, zog ihm eine Decke über den Kopf, fesselte und knebelte es.

Am 21. Januar 2001, um 4 Uhr, wurde in Hamburg, Kastanienallee 24, ein dreiunddreißigjähriger Mann in seiner Wohnung beraubt. Der Geschädigte äußerte, dass er den Täter zuvor bereits in einer Diskothek in der Talstraße gesehen habe und von diesem von dort bis nach Hause verfolgt worden sei. Bei der Tatausführung wurde das Opfer vom Täter mit einem Messer bedroht, gewürgt und gefesselt. Über einen homosexuellen Tathintergrund ist nichts bekannt.

Die Polizei schließt nicht aus, dass zwischen dem in der Anfrage genannten Tötungsdelikt und den o.g. Raubtaten ein Zusammenhang besteht. Im übrigen siehe Antwort zu 3. bis 6.

8. Welche präventiven Maßnahmen plant die Polizei vor dem Hintergrund dieser Gewalttaten, um die Sicherheit von schwulen Männern auf St.Pauli zu gewährleisten?

Objektiven Gefährdungen und insbesondere dem Sicherheitsgefühl Betroffener, die durch antilesbisch bzw. antischwul motivierte Straftaten verletzt oder beeinträchtigt werden, trägt die Polizei Hamburg durch ein spezifisches Maßnahmenkonzept Rechnung (vgl. Antwort des Senats auf die Große Anfrage). Zusätzliche präventive Maßnahmen werden nicht für erforderlich gehalten.

9. Wurde im Vorfeld der Razzia Kontakt zum LKA 151 und den Ansprechpartnern der Polizei zum Thema „Gewalt gegen Lesben und Schwule" aufgenommen? Wenn ja, in welcher Form?

Mit dem LKA 151 wurde kein Kontakt aufgenommen, im Rahmen der Ermittlungen fanden jedoch mehrere informatorische Gespräche zwischen der Mordkommission ­ LKA 41 ­ und einem Ansprechpartner der Polizei zum Thema „Gewalt gegen Lesben und Schwule" statt.

10. Die Razzia fand unter massiver Pressepräsenz statt. Welche Gründe gab es, die Fahndung nun der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, nachdem zuvor schwerpunktmäßig der Kontakt zur Szene-Presse gesucht wurde?

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem in der Anfrage genannten Tötungsdelikt wurde die Öffentlichkeit von Anfang an, d.h. bereits im Januar, umfangreich informiert, indem von der Polizeipressestelle den Medien eine Sachverhaltsdarstellung bekanntgegeben und ein Lichtbild des Getöteten zum Zwecke der Öffentlichkeitsfahndung zur Verfügung gestellt wurde. Veröffentlichungen im Internet und durch Fahndungsplakate schlossen sich an. Örtlichen Medienvertretern ist Gelegenheit gegeben worden, den Einsatz zu begleiten. Über eine gezielte Einbindung der Medien sollten die Aufklärungschancen in diesem Mordfall verbessert werden.