Erziehung

Zuständigkeit im kinder- und jugendpsychiatrischen Notfall Mir ist zur Kenntnis gekommen, dass in Hamburg Probleme bezüglich der Zuständigkeit im kinder- und jugendpsychiatrischen Notfall bestehen. So wurde mir ein Fall bekannt, wo die Einweisung eines neunjährigen Mädchens aus einer Einrichtung der Jugendhilfe in die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf (KJP-UKE) anfänglich wegen Platzmangels, dann aber mit der Begründung abgelehnt wurde, dass der kinder- und jugendpsychiatrische Pflegedienst (JPPD) der Freien und Hansestadt Hamburg zuständig sei. Hier wiederum wurde der einweisenden Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie mitgeteilt, dass doch die KJP-UKE zuständig sei.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie werden zwei Formen von Notfällen unterschieden. Die erste bezieht sich auf eine fachärztlich festgestellte akute Fremd- oder Eigengefährdung und findet ihre Konsequenz in einer Einweisung in eine geschlossene Unterbringung auf der Grundlage des §12 des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) oder einer auf Antrag der Sorgeberechtigten gerichtlich verfügten Behandlung nach §1631b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die zweite bezieht sich auf eine klinische Definition von Notfall und kann sich von der akuten Fremd- oder Eigengefährdung bis zur notwendigen Herausnahme eines Kindes oder Jugendlichen aus seinem Umfeld aus kinder- und jugendpsychiatrischer Indikation erstrecken. Diese Indikation wird in der Regel von einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie gestellt.

Zu dem in der Anfrage dargestellten Einzelfall kann ohne nähere Detailkenntnisse nicht Stellung genommen werden. Der JPPD ist im Übrigen entgegen der Darstellung in der Vorbemerkung der Anfrage kein „Pflegedienst" und trägt auch nicht diese Bezeichnung. Es handelt sich vielmehr um den „jugendpsychiatrischen/-psychologischen Dienst im Amt für Jugend" (JPPD) der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung. Der JPPD verfügt nicht über psychiatrische Krisenplätze, weshalb sich seine Zuständigkeit auf die Beratung und Einweisung, nicht aber auf die Aufnahme erstreckt.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt.

1. Welche Regelungen bestehen bezüglich der Zuständigkeit in kinder- und jugendpsychiatrischen Notfällen in Hamburg?

Nach der Anordnung zur Durchführung des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) sind die Zuständigkeiten für die Einweisungen gegen den eigenen Willen bei akuter Fremd- und Eigengefährdung wie folgt geregelt: Abschnitt I: „Zuständig für die Durchführung des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten... sind, soweit nachstehend nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksämter." Abschnitt II Absatz 2: „Zuständige Behörde nach §12 Absatz 2 für psychisch Kranke, die im Rahmen der Jugendhilfe in Einrichtungen der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung gemäß §§34, 42 SGB VIII untergebracht sind, ist die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung."

Die JPP ist demnach zuständig für erforderliche Einweisungen (gegen den Willen bei Fremd- und Eigengefährdung) für Kinder und Jugendliche, die im Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB) oder im Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) untergebracht sind. Zwischen 16 und 8 Uhr früh und an Wochenenden steht in Hamburg für psychiatrische Krisenfälle zur Abklärung von Maßnahmen nach dem HmbPsychKG der Psychiatrische Notdienst für Erwachsene zur Verfügung.

Die Zuständigkeiten der Psychiatrischen Krankenhäuser für Notaufnahmen sind in §12 Absatz 2 HmbPsychKG geregelt. Danach ist die Versorgung stationär behandlungsbedürftiger kinder- und jugendpsychiatrischer Notfälle derzeit in Hamburg fachgebietsbezogen nur im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) möglich.

2. Wie viele Plätze stehen für die Aufnahme kinder- und jugendpsychiatrischer Notfälle in Hamburg im Einzelnen zur Verfügung? (Bitte nach Einrichtung aufschlüsseln.)

In Hamburger Krankenhäusern stehen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen derzeit insgesamt 66 Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in einer Klinik außerhalb Hamburgs für die spezielle Versorgung drogenabhängiger Kinder und Jugendlicher aus Hamburg zwölf Betten zur Verfügung:

Die derzeit vorhandenen Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie haben sich für die Sicherstellung der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung in Hamburg als nicht ausreichend erwiesen. In der Vergangenheit konnten daher stationär behandlungsbedürftige psychisch kranke Kinder und Jugendliche aufgrund Überlastung der vorhandenen stationären Kapazitäten nicht selten nur durch übergangsweise engmaschige ambulante Versorgung, Verweisung an außerhamburgische Einrichtungen und im Einzelfall auch durch Aufnahme in der Erwachsenenstation des UKE sowie im Klinikum Nord versorgt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift bereits Ende 1999 um zehn Betten erhöht worden. Die zuständige Behörde berücksichtigt die erkannten Versorgungsengpässe in ihrer weiteren Planung.

3. Wie viel Einweisungen kinder- und jugendpsychiatrischer Notfälle hat es im Einzelnen in den letzten zwölf Monaten in Hamburg gegeben und wie viel wurden aufgrund von Nichtzuständigkeit und/oder Platzmangels der Einrichtung abgelehnt? (Bitte aufschlüsseln nach Monat und Einrichtung.)

4. Sind dem Senat ähnlich gelagerte Fälle bekannt und welche Maßnahmen will er diesbezüglich ergreifen?

Die nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften (insbesondere Bundespflegesatzverordnung) zu führenden Krankenhausstatistiken weisen das klinische Kriterium „Notfall in der Kinder- und Jugendpsychiatrie" nicht aus; interne Statistiken werden hierzu in den Abteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht geführt. Entsprechende Angaben könnten nur durch eine Einzelauswertung der Krankenakten gewonnen werden. Dieses ist in der zur Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar.

Einweisungen nach dem HmbPsychKG hat es in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters des UKE in den vergangenen zwölf Monaten zweimal gegeben. Eine Abweisung solcher Einweisungen findet nicht statt.

Erfahrungsgemäß handelt es sich bei ca. 30 Prozent der Aufnahmen in der Abteilung um klinische Notfälle, bei ca. 100 vollstationären Fällen im Jahr 2000 entspricht dies ca. 30 Fällen. Aufgrund der bisher noch zu geringen stationären Behandlungskapazitäten in Hamburg musste in Einzelfällen eine grundsätzlich angezeigte stationäre Aufnahme wegen Überlastung abgelehnt werden und auf eine übergangsweise ambulante Behandlung ausgewichen oder an Einrichtungen außerhalb Hamburgs verwiesen werden. Entsprechende Angaben für das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift liegen nicht vor.

Vom Zuführdienst des Wirtschafts- und Ordnungsamtes des Bezirksamtes Altona wurden in der Zeit vom 1. Dezember 1999 bis 30. November 2000 insgesamt 85 Minderjährige nach §12 HmbPsychKG und im Rahmen des BGB der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg zugeführt.

Es wird angestrebt, die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung, wie im Bereich der Erwachsenenpsychiatrie bereits geschehen, zu sektorisieren. Hierzu haben Gespräche zwischen der Planungsbehörde, dem Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und dem UKE mit dem Ziel stattgefunden, eine Vereinbarung über den Inhalt der „Versorgungsverpflichtung" sowie über Lage und Größe der Sektoren zu treffen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass

­ die derzeit vorhandenen kinder- und jugendpsychiatrischen Kapazitäten für die Aufnahme aller stationär behandlungsbedürftiger Patienten nicht ausreichend sind und deshalb ggf. übergangsweise weiterhin auf die Unterstützung der Erwachsenenpsychiatrien in Hamburg sowie auf kinder- und jugendpsychiatrische Einrichtungen außerhalb Hamburgs zurückgegriffen werden muss und

­ nach Etablierung des dritten Standortes im Hamburger Süden eine Anpassung der Sektoren und der Versorgungspflichten zu erfolgen hat.

Nach derzeitigem Stand wird erwartet, dass eine Einigung über die Vereinbarung zwischen den drei beteiligten Institutionen in Kürze erreicht werden kann.